Verhalten & Psychologie

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Carina
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zuletzt 12. Feb. 17:16

Wie viel Stress ist "normal" für einen Rüden?

Hallo liebe Community, Momentan beschäftige ich mich mit der Frage, was noch normales Rüdenverhalten ist und wie viel Stress evtl. eine Kastration rechtfertigen würde. Viele Rüdenbesitzer diagnostizieren selbstständig für ihren triebgesteuerten Rüden im Laufe der Pubertät eine "Hypersexualität". Aber was ist wirklich hypersexuell und was ist einfach noch normal? Wie stark muss eine Hypersexualität ausgeprägt sein, damit eine Kastration gerechtfertigt ist? Konkret zu unserem Fall, entschuldigt bitte den etwas längeren Text 😅 Balto hatte mit seinen Hormonen einen recht speziellen Verlauf. Er konnte keinen Kontakt zu anderen Hunden haben, bevor er ca. 6 Monate alt war. Dann haben die Hormone eingeschlagen wie eine Bombe. Er hat quasi nie gelernt, mit Hunden einfach nur zu spielen - für ihn gab es immer nur das Eine. ❤️😅 Auf Anraten des Trainers und TAs haben wir so gut es ging erzieherisch entgegengewirkt. Durchgehalten haben wir bis er 2,25 Jahre alt war. Nachdem er ewig nicht richtig gefressen hat, bedenklich abgenommen hatte, nur noch rum gejault hat und Kontakt mit Hunden nur noch mit Durchfall und Stress (Jaulen, Aufreiten) verbunden war, haben wir ihm im Februar 2023 einen 6-Monats Hormonchip setzen lassen. Die ersten 6 Wochen waren die Hölle, aber dann wurde er entspannter. Er hat gefressen, kein ständiger Durchfall mehr. Draußen wurde er ansprechbar. Wir haben in dieser Zeit viel trainiert (das haben wir vorher auch, da hat es nur nichts gebracht 🙈) und sogar die BH bestanden. Er hat ein richtig gutes Sozialverhalten mit anderen Hunden aufgebaut. Er hat gelernt, einfach losgelassen zu spielen, da geht mir jedes Mal das Herz auf. Er kam mir so glücklich, ausgeglichen und unbeschwert vor, einfach nur lebenslustig. Der Chip hat enorm lange gehalten, fast 10 Monate. Seit etwa 4 Wochen habe ich bemerkt, dass er ausläuft (Hoden wurden größer, er tropft wieder, öfter Durchfall, Verhalten komme ich gleich zu). Er frisst wieder sehr schlecht. Draußen ist er wieder enorm gestresst. Gut, Silvester hat da sicher auch sein Übliches zu getan. Aber die Tage davor war er ja auch schon so drauf. Wenn wir Gassi gehen, hat er wo es geht Freilauf. Aktuell sieht das so aus, dass er wie ein Angestochener losrennt, von einer Pipi-Stelle zur Nächsten. Inhaliert, markiert drüber, rennt weiter. Wenn er sich zu weit entfernt, rufe ich ab. Er kommt zwar zuverlässig, aber fiept nebenbei. Er läuft auch ohne Leine bei Fuß, fiept aber auch dabei die ganze Zeit. Verlange ich ein Sitz, fiept er (und setzt sich dann gaaanz langsam hin). Leckerlis frisst er draußen nicht mehr. Ca. alle 200m setzt er Durchfall an den Wegrand. Mit seiner besten Freundin spielt er kaum noch. Er hüpft fiepend um sie herum, leckt sie am Genital, markiert die ganze Gegend, spielt für 30 Sekunden mit ihr und versucht dann aus dem Spiel heraus aufzureiten. Man kann es zwar gleich unterbinden, das war früher nicht so, aber ein wirklich schönes Spiel kommt dabei nicht zustande. Besagte Freundin ist intakt, aber nicht läufig, nicht mal annähernd. Mit kastrierten Hündinnen das selbe Spiel. Es ist geradezu so, als ob er die Nähe einer Hündin nicht aushält, solange er nicht drauf darf. Dann hüpft er wieder fiepend um den Hund rum und geht dann fiepend auf Abstand. Einfach nur Spielen Fehlanzeige. Ich bin an einem Punkt, wo ich mich frage, ob ich ihm damit einen Gefallen tue, wenn ich ihn weiterhin unkastriert lasse. Eigentlich bin ich strikt dagegen, ohne medizinische Indikation zu kastrieren. Aber so langsam frage ich mich, ob dieser Stress nicht so sehr seine Lebensqualität beeinträchtigt, dass man das durchaus dazu zählen kann. Erzieherisch habe ich keine Probleme mit ihm. Immerhin lässt er sich abrufen, lässt sein Lecken und Aufreiten von mir Abbrechen, das letzte Jahr Training hat sich wirklich ausgezahlt. Er fiept dann halt laufend dabei 🙈 Hundekontakte könnte ich aufgrund des enormen Stresses einstampfen, er wäre auch ohne genügend ausgelastet. Fragt sich halt, ob das noch artgerecht wäre. Aber wie ihr seht, es geht mir nicht darum, ihn irgendwie leichter lenkbar oder erziehbar zu machen, sondern rein um sein Wohlbefinden. Wer bis hierhin durchgehalten und den ganzen Text gelesen hat, schonmal vorab vielen Dank. Ich wäre dankbar für eure Sichtweisen, wie viel Stress ist noch normal und ab wann wird es ungesund? Ich hoffe es entsteht ein konstruktiver Meinungsaustausch ohne Anfeindungen 🙏, der vielleicht auch anderen Rüdenbesitzern hilfreich sein kann.
 
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Jacky
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zuletzt 12. Feb. 09:28

Punktuelle Angst/ Erstarren Gassi gehen

Moin zusammen, mein Mann und ich haben eine 9-Monate alte Hündin aus dem Tierschutz adoptiert. Anfangs war sie sehr ängstlich, mittlerweile (sie ist seit seit fast 2 Wochen nun bei uns) fühlt sie sich in der Wohnung Pudelwohl und sicher. Bloß wenn wir rausgehen, erstarrt sie punktuell und geht keinen Schritt mehr, Rute unten, Körper geduckt und manchmal sogar extremes Zittern. Manchmal sind die Auslöser ersichtlich z. B. viele Impulse durch vorbeigehende Menschen (darüber freut sie sich dann aber immer) oder Geräusche von der Straße etc. Sie reagiert aber nie gleich, manchmal sind genau die Geräusche auch gar kein Problem oder wir erkennen keinen Grund, sowohl visuell, als auch akustisch, weshalb sie in diese Starre verfällt. In der Regel gebe ich ihr einen Moment und wir warten einfach ab. Wenn es ganz arg ist, streichel ich sie beruhigend am Bauch oder versuche sie positiv zu motivieren weiterzugehen. Manchmal klappt das, aber ganz oft auch einfach nicht. Deshalb war diese Woche auch schon ein Hundetrainer bei uns. Sie liebt Menschen, daher war das Einfrieren beim gemeinsamen Gassi gehen in der Art wie sonst nicht präsent. Er hat sie, wenn sie ängstlich stehen blieb, freundlich angesprochen und eingeladen weiterzugehen. Das hat geklappt, weil sie sich dann gefreut hat und das auch aufregend für sie war, mit dem „neuen, netten Mann“. Im Alltag klappt das allerdings nicht so. Sie ist dann manchmal wirklich überhaupt nicht ansprechbar. Ich weiß, dass ein langer Atem notwendig ist und ich stehe da auch oft mehrmals bei einer Gassirunde 5-10 Minuten an einer Stelle, aber es muss doch irgendetwas geben, womit ich die Situation positiv beeinflussen kann? An sie herankomme, sie aus der Starre rausholen kann? Mir ist heute aufgefallen, dass sie wenn wir in eine Richtung laufen und sie plötzlich ängstlich stehen bleibt, in die andere Richtung (aus der wir kamen) mitlaufen würde. Kann das eine Lösung sein? So kommen wir allerdings auch nicht an unser Ziel. Weil das dann immer hin und her geht. Wir laufen dann sicherlich 30 Minuten nur hin und her: 5 Meter nach rechts und dann kommt die Angst, dann laufen wir wieder zurück, dann kommt die Angst, dann laufen wir wieder nach rechts usw. Das kann keine Lösung sein? Und soll ich nicht die sein, die weiß wo wir lang wollen und hin laufen? Bin mir wegen der Angst der Hündin einfach unsicher, weil man sagt ja auch, dass man den Hund nicht in die Angst auslösende Situation „zwingen“ soll (auch wenn für mich dann vielleicht kein sichtbare Auslöser der Angst erkenntlich sind). Ich bin echt total überfragt. Kinder liebt sie übrigens auch und freut sich immer riesig. So sind wir einem Schulkind heute hinter her und sie lief so toll bis fast nach Hause, aber das Kind ist vorher wo anders eingebogen, dann ging wieder nichts. 10 Meter vor unserer Haustür standen wir dann wieder. Das ist sicherlich auch nicht richtig, aber ich habe sie dann ins Haus getragen, weil wir da schon mindestens 20 Minuten für nicht mal 1 km Rückweg unterwegs waren. Habt ihr vielleicht Tipps aus eigener Erfahrung heraus? Habe schon hier im Forum gestöbert, aber nichts passendes gefunden 😮‍💨 Lieben Gruß!
 
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Steffi
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zuletzt 11. Feb. 12:49

"Raumverwaltung", ein Mythos?!

Ihr Lieben, ich lese im Forum immer wieder davon, dass Hunde "Raum einnehmen" und Menschen "Raum verwalten". Das ist für mich (insbesondere hinsichtlich der Hunde) derart abstrakt und fern jeglicher neutraler Beobachtung, dass ich versucht habe nachvollziehbare Forschungen zu dem Thema zu finden. Ich bin nicht fündig geworden und dachte mir, ich frage mal bei denen, die dies praktizieren und als nachvollziehbar empfinden. Was mir auffällt ist, dass drohenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum beanspruchen", dass liegenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum" oder gar "Besitz beanspruchen" und dass Hunden, die z.B. vor jemanden laufen oder stehen bleiben ebenso unterstellt wird, sie würden "Raum einnehmen". So gut wie nie ist dieser "Raum" definiert und all dies ist negativ besetzt. Bei Menschen fällt mir auf, dass sie körperlich und bedrohlich handeln, um ihren "Raum zu beanspruchen", dass sie mit Strafen arbeiten und dass sie regelrecht nervös zu werden scheinen, wenn ihr Hund ihren "Raum" betreten oder streitig machen könnte. Bei meiner Suche bin ich auf diese Blogartikel gestoßen: https://forsthaus-metzelthin.de/mit-hunden-leben/verwalten-hunde-raeume/ Irgendwie gibt er meine Verwirrung gut wieder und mein Glaube an diese ominöse "Raumverwaltung" schwindet nun dahin. Aber vielleicht hat ja doch jemand eine vertrauenswürdige und nachvollziehbare Quelle parat, die mich dieses "Raumdings" verstehen lässt ^^