Ich bin vor einiger Zeit hier bei Dogorama in einem anderen Thread auf den „Uli-Hunde-Weg“ aufmerksam geworden, fand den Gedanken dahinter schön, dass ich gleich gesagt habe „Ja, genau das will ich!“
Hab das Praxis-Buch „Wege zur Freundschaft“ bestellt, gelesen und extra in einem ganz entspannten Zeitraum, nämlich im Urlaub, mit der Praxis begonnen. Im Vorwort erläutert die Autorin, wie sie ihren besonderen Weg der Hundeerziehung entwickelt hat. Beruflich ist sie konventionelle Hundetrainerin und war mit ihrem Tun wohl nicht mehr zufrieden, wollte es anders, besser machen. Ein Freund von ihr mit einem Jagdhund spielt dabei auch noch eine große Rolle, nagelt mich nicht fest, aber ich glaube, dieser Freund ist ein Schamane? In jedem Fall aber wohl ein „Hundeflüsterer“. Letztlich ist aus der Beobachtung von Jagdhunden bei der Arbeit der Weg entstanden, gemeinsam mit dem Hund zu jagen, bis zu einem bestimmten Punkt, ohne hetzen und töten. Aber du als Mensch sollst dich für deinen Hund interessieren, für das was er tut. Er schlägt dir in einer Tour draußen vor „oh, schau mal hier!“ und „was ist denn das?“ und der Mensch dackelt einfach weiter. Du als Mensch sollst auf die Vorschläge deines Hundes eingehen, dir anschauen, was der Hund dir zeigt. Selbst Spuren suchen und dem Hund zeigen.
So würde sich der Hund ernst genommen und verstanden fühlen und so entstünde echte Freundschaft.
Eine schöne Idee.
In der Praxis sieht es dann so aus: an den Hund kommt eine lange Schleppleine, nicht 8 oder 10 m, sondern 20 oder 30 m. Und dann sollst du einfach beginnen. Rausgehen.
Haben wir gemacht. Mehrfach, immer wieder. Im Ergebnis hatte ich jedes Mal einen hyper-aufgedrehten Hund, der nicht nur alleine zigundachtzig Spuren gefunden hat, sondern den ich dazu noch extra kirre gemacht habe mit all den Mauselöchern und Karniggel-Spuren, die ich gefunden und gezeigt hatte. Maximal aufgedreht, an der Schleppleine den Hund machen lassen. Ehrlich: was für eine bescheuerte Idee🤣
Ich bin froh, dass wir unfallfrei aus diesem Versuch rausgekommen sind. Gemeingefährlich sind diese Vorschläge mit der scheiß Schleppleine, wenn du einen maximal angeknipsten Hund hast. Wenn du dem Rat folgst, „den Hund Hund sein zu lassen“, und du die drittschnellste Hunderasse am Ende eben dieser langen Schleppleine hast- der Hund hat genug Anlauf um auf 30, 40 oder noch mehr km/h zu kommen. Und du dann womöglich noch so blöd bist und die Schleppleine weiter festhältst - gute Nacht.
Eine entsprechende Warnung wird weder im Buch noch hier bei Ratschlägen mit der Schleppleine mitgeliefert.
Mein Fazit:
Nein, da ist Nix wissenschaftliches hinter. Es sei denn „antiautoritäre Erziehung“.
Ich hab den Weg eine ganze Zeit lang versucht, aber es hat sich bei uns ins komplette Gegenteil verkehrt, es war eine Katastrophe.
Für mich ist der „Uli-Hunde-Weg“ nichts weiter als eine nette Idee, später mal wenn auch die Kleine gut abrufbar und erzogen ist, unsere Spaziergänge zu gestalten. OHNE Leine. Bis dahin trainiere ich wie schon oben beschrieben mit Jagdersatz. Das ist mein Vorschlag an den Hund, den sie sehr gerne aufgenommen hat.
Der Uli-Hunde-Weg mag funktionieren, aber wohl eher bei grundsätzlich ruhigeren Gemütern. Und sorry: wenn das Ergebnis des Uli-Hunde-Weges ist, dass mein Hund auf 200m ruhig Wild beobachten kann …. Das ist für mich nun so rein gar kein Erfolg, echt nicht.
Letztlich muss man sich dadrüber im Klaren sein, was man will. Ich will meine beiden Hunde im Freilauf haben und sie sicher abrufen können. Dazu hab ich mir leider die falsche Hunderasse ausgesucht, sprich: das ist nicht einfach, das ist ekelhaft mühsam und sehr sehr sehr zeitaufwendig. Aber es geht. Es wird.
Ich bin jedenfalls nicht damit zufrieden, den Hund an der Schleppleine zu führen und ihm hinter her zu rennen. Und ja: ich erhebe den Anspruch, die Führung zu haben, die sagt wo es lang geht, was Phase ist und was wir wann machen. Das mag jetzt wieder zu streng und zu wenig partnerschaftlich anmuten, aber was soll’s, wir kommen auf dieser Basis ziemlich gut klar.
Das Buch hab ich übrigens an momox verkauft und einen sensationellen Preis dafür bekommen. War also finanziell kein großer Verlust. Es scheinen sich tatsächlich viele Leute dafür zu interessieren. Dann wünsche ich ihnen, besser klar zu kommen als ich 😉
Ich muss gestehen, langsam finde ich das seltsam. Das wievielte Mal hast du nun auf diese Buchempfehlung derart negativ reagiert?
Um mal etwas konkreter zu werden. Und das nicht zum ersten Mal.
1. Der von dir erwähnte "Schamane" war ein Falkner. Liest sich so ein wenig, als würdest du es ins Lächerliche ziehen und dem eine esoterische Note verpassen wollen.
2. Die Länge der Schleppleine ist vollkommen individuell. Wenn einen 20m überfordern und eventuell nervös machen, dann ist das einfach (noch) zu viel. Nirgends steht geschrieben "Regel Nr. 35: Du darfst keine kürzere Leine nutzen, als eine 30m lange!"
Wir z.B. sind sehr gerne mit 20m unterwegs, aber auch nur wenn wir alleine sind. Meist nutzen wir 8m in der Stadt und das funktioniert für uns ganz wunderbar. Meiner Gassihündin waren anfangs selbst 5m zu viel.
3. Einen aufgeregten Hund noch weiter hochzupushen ist einfach unklug. Nirgendwo wird das empfohlen und allein der eigene Verstand sollte einem doch vor solch einem Handeln bewahren.
Ja, ich verstehe die anfängliche Euphorie und war selbst etwas überambitioniert. Doch ich habe das schnell hinterfragt und mein Handeln entsprechend angepasst. Schnell wurde mir dann auch viel klarer, dass es enorm wichtig ist, die Gefühle des Hundes im Blick zu haben und entsprechend darauf einzugehen (oder besser noch im Vorfeld passend zu agieren). Einem ehrgeizigen Mäusejäger noch voller Aufruhr ein Loch nach dem anderen zu zeigen und dies dabei aufgeregt zu verbalisieren kann doch nur nach hinten losgehen. Sinnvoller wäre es, ihn mit ruhiger Stimme zu begleiten, zu schauen, wie er die Mäusespuren konzentriert und achtsam untersuchen kann und ihn darin zu unterstützen. Es macht wirklich enorm viel aus, wie wir uns selbst verhalten. Das sollten wir uns eigentlich immer bewusst sein.
Die Idee, gemeinsam zu "jagen" ist nicht bescheuert. Nur das eigene Vorgehen kann es sein.
4. Ich und viele andere plädieren hier im Forum regelmäßig für ein überdachtes und sinnvolles Schleppleinenhandling. Das kommt nicht von irgendwoher.
5. Tatsächlich geht es Ulli Reichmann insbesondere darum, gefühlvoll mit seinem Hund zu leben, ihn zu achten und ihm respektvoll und freundschaftlich auf Augenhöhe zu begegnen. Trotz dessen stecken da auch sehr viele Erfahrungswerte und (wissenschaftlich fundiertes) Wissen hinter. Sie selbst empfindet es auch als wichtig, Lerntheorien, Studien und Co. zu kennen und sich stetig weiterzubilden. Was sie und andere dann letztlich davon halten mögen, steht auf einem anderen Blatt.
6. Zum Thema "antiautoritäre Erziehung" hätte ich gleich den nächsten Buchtipp ;-)
"Das Alphasyndrom" von Anders Hallgren. Diese ist wissenschaftlich betrachtet nämlich nicht so schlecht, wie viele es annehmen.
7. Nein, dieser Weg funktioniert prinzipiell bei allen Gemütern. Richtig verstanden und angewandt natürlich. Meine Yukina ist ein kleiner Wildfang und hat mich anfangs viel schwitzen lassen. Ohne die Philosophie von Ulli Reichmann hätte ich jetzt vermutlich ein Burn-Out vom vielen Trainieren, Verbieten und mich ärgern.
8. Ich finde es vollkommen daneben von dir, unseren persönlichen Erfolg als keinen solchen darzustellen. Du kennst doch die Vorgeschichte und die Relationen gar nicht. Vorher war Yukina schon beim Duft der Tiere außer Rand und Band, ohne dass sie auch nur ansatzweise sichtbar waren. Dass sie mittlerweile eigenständig stehen bleibt, sich dann setzt und die Tiere in aller Ruhe beobachtet, um anschließend freudig (ohne mein Einwirken) zu mir zurück zu kommen und mir zu signalisieren, dass wir in die andere Richtung gehen können, ist für uns ein riesiger Erfolg. Ich brauche und möchte keinen kleinen Roboter an der Leine, der auf meinen Befehl hin alles tut, was ich verlange. Ich bin mächtig stolz, dass sie es mit meiner Hilfe und meinem Verständnis vollkommen eigenständig schafft. Keine Ahnung, was daran kein Erfolg ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass du in meiner Situation weniger glücklich wärst. Aber scheinbar haben wir grundlegend unterschiedliche Vorstellungen von dem, wie ein Hund mit seinem Menschen durch die Welt geht.
9. Mit Vögeln ist es übrigens ähnlich. Während Yukina mir anfangs wie irre in der Leine hing, läuft sie jetzt mega lässig durch Taubengruppen oder an Krähen vorbei. Und das nicht, weil ich ihr perfekten Gehorsam abverlangt habe, dieses und jenes Signal einstudiert habe oder sonst was. Nein, das eben, weil ich auf ihre Bedürfnisse eingegangen bin, sie darin bestärkt habe, dass sie Dinge meistern kann und ich eben auch Vertrauen in sie habe.
10. Nein, du sollst deinem Hund nicht permanent sinnfrei hinterherdackeln. Das hat ja nun wieder eher wenig mit gemeinschaftlichem Erleben zu tun.
Ja, du hast Recht. Man sollte wissen, was man will. Und ich denke, aus meinem Text geht gut hervor, was ich (nicht) will. Ich finde total gut, seine eigenen Erfahrungen zu teilen und auch seine Meinung zu äußern. Mich stört aber, wenn dann eben so Dinge als irgendwo "festgeschrieben" dargestellt werden, ohne dass dem so ist.
Du hast deinen Weg gefunden und warst mit einem anderen unzufrieden. Das rechtfertigt doch aber nicht, den anderen Weg dann mit falschen Details zu schmücken.