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Michelle
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Anzahl der Antworten 36
zuletzt 19. Juli

Erfahrungen mit Clomicalm

Hallo zusammen! 🐾 Ich habe meine Tierschutzhündin Maya seit mittlerweile 3 Jahren und wir haben schon echt viel zusammen durchgemacht. Ich habe verschiedene Trainer mit den unterschiedlichsten Trainingsmethoden durch, habe sie gesundheitlich durchgecheckt und bin jetzt nach langem Überlegen mit meiner Trainerin bei einer Verhaltenstherapie begleitend mit SSRIs (spez. Clomicalm) gelandet. Maya ist sehr willensstark und unabhängig; sie reagiert sehr negativ auf andere Hunde und auch viele Menschen. In diesen Momenten scheint bei ihr wortwörtlich eine Leitung durchzuknallen und es gibt kein Durchdringen mehr. Sie geht in die Leine, knurrt, bellt und schnappt um sich herum (dabei hat sie auch schon ein paar Mal mich erwischt). Seit einer Weile ist daher der Maulkorb eine Pflicht. Ich würde mich sehr über Erfahrungsberichte bezüglich einer Therapie mit Clomicalm freuen - besonders, wenn eure Hunde vorher auch ein ähnliches Verhalten an den Tag gelegt haben (das ist aber kein Muss, berichtet mir gerne auch welche anderen Symptome der Grund für die Therapie waren, wie es gewirkt hat und welches Training euch begleitend empfohlen wurde) 😊 Kleines Extra: Wir haben gerade einen neuen Maulkorb bekommen, da ich ihr noch mehr Platz zum Hecheln lassen will. Wer sich auskennt darf mich gerne wissen lassen, ob der Maulkorb passt 😁
 
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Dogorama-Mitglied
19. Juli 05:24
Mich würde mal interessieren, was denn nach der medikamentösen Behandlung der Trainingsansatz sein soll?
Und was vor der Medikamentengabe denn trainiert wurde, woran man alles gescheitert ist?
 
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SandrA
19. Juli 06:37
Ich habe mich mit dem Thema Clomicalm intensiver beschäftigt, weil mir ein Trainer damals für meine Angsthündin Medikamente empfohlen hat. Ich habe das ausführlich mit meinem Tierarzt besprochen, und wir haben uns letztlich gegen eine Gabe entschieden – eine individuelle Entscheidung, keine generelle Ablehnung.

Was die Studienlage betrifft, würde ich die Aussage, es gebe „keine wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit“, so nicht stehen lassen. Es gibt durchaus klinische Studien, die in Kombination mit Verhaltenstherapie eine signifikante – wenn auch meist moderate – Besserung bei trennungsbedingten Verhaltensstörungen zeigen. Genau für diese Indikation ist Clomicalm arzneimittelrechtlich zugelassen.

Dass die Studien methodische Schwächen haben, ist absolut richtig: kleine Stichproben, subjektive Haltereinschätzungen, hoher Placeboeffekt. Und dass geringere Aktivität nicht automatisch „Entspannung“ bedeutet, sollte im Umgang mit der Wirkung unbedingt bedacht werden. Trotzdem liefert die vorliegende Evidenz eine gewisse Wirksamkeitsgrundlage. Zwar nicht spektakulär, aber auch nicht gleichzusetzen mit „nur Placebo“.

Der Einsatz bei anderen Problembereichen als Trennungsstress wäre fachlich ein sog. Off-Label-Use. Auch das ist grundsätzlich möglich, gehört aber gut - von auf diesem Gebiet erfahrenen TÄ - begleitet. Ich würde Clomicalm als mögliche Unterstützung sehen – nicht als Lösung, sondern als Werkzeug, das im richtigen Kontext hilfreich sein kann.
 
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Kirsten
19. Juli 07:57
In der von dir zitierten Studie gab es diese 10% Differenz bei Zerstörungsverhalten (was bei der Stichprobe ein Unterschied von 2 oder 3 Hunden ist), es gab keinen Unterschied beim Bellverhalten als Symptom der Trennungangst zwischen Clomicalm und Placebo Gruppe. In dieser Studie https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10573193/ gab es hingegen gar keinen Unterschied zwischen Clomicalm Gruppe und Placebo. Wobei die Clomicalm Hunde grundsätzlich eine geringere/gehemmte Aktivität aufwiesen. Geringere Aktivität erklärt vielleicht auch, wieso in der anderen Studie ein marginaler Anteil weniger zerstört hat, aber nicht weniger gebellt. Inaktivität ist nicht gleich Entspannung. Es ist auch wichtig darauf hinzuweisen, dass alle diese Studien auf Halter Umfragen basieren und kleine Stichproben haben. Es gibt keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz für eine Wirkung von Clomicalm, aber für Placebo-by-proxy und Verhaltenstherapie!
Danke fürs richtig stellen und konkretisieren ☺️👍
 
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Julia 🐾Nero
19. Juli 10:02
Ich habe mich mit dem Thema Clomicalm intensiver beschäftigt, weil mir ein Trainer damals für meine Angsthündin Medikamente empfohlen hat. Ich habe das ausführlich mit meinem Tierarzt besprochen, und wir haben uns letztlich gegen eine Gabe entschieden – eine individuelle Entscheidung, keine generelle Ablehnung. Was die Studienlage betrifft, würde ich die Aussage, es gebe „keine wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit“, so nicht stehen lassen. Es gibt durchaus klinische Studien, die in Kombination mit Verhaltenstherapie eine signifikante – wenn auch meist moderate – Besserung bei trennungsbedingten Verhaltensstörungen zeigen. Genau für diese Indikation ist Clomicalm arzneimittelrechtlich zugelassen. Dass die Studien methodische Schwächen haben, ist absolut richtig: kleine Stichproben, subjektive Haltereinschätzungen, hoher Placeboeffekt. Und dass geringere Aktivität nicht automatisch „Entspannung“ bedeutet, sollte im Umgang mit der Wirkung unbedingt bedacht werden. Trotzdem liefert die vorliegende Evidenz eine gewisse Wirksamkeitsgrundlage. Zwar nicht spektakulär, aber auch nicht gleichzusetzen mit „nur Placebo“. Der Einsatz bei anderen Problembereichen als Trennungsstress wäre fachlich ein sog. Off-Label-Use. Auch das ist grundsätzlich möglich, gehört aber gut - von auf diesem Gebiet erfahrenen TÄ - begleitet. Ich würde Clomicalm als mögliche Unterstützung sehen – nicht als Lösung, sondern als Werkzeug, das im richtigen Kontext hilfreich sein kann.
Möchte da gerne auf das Wort *eindeutig* in meinem Satz "es gibt keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz" hinweisen.

Die Ergebnisse sind widersprüchlich, die Stichproben sehr klein, so dass ein oder zwei Hunde schon einen prozentualen Unterschied andeuten, die methodischen Schwächen hast du auch genannt und die Serotonin Theorie als Ganzes gilt in der Humanmedizin als veraltet und überholt (so konnte in groß angelegten Meta Analysen kein Zusammenhang zwischen Serotoninleveln und Metaboliten und Auftreten von Depressionen oder anderen ähnlichen Erkrankungen festgestellt werden).
Und in der Veterinärmedizin gibt es höchstens einen Hinweis auf eine mögliche Wirksamkeit von Clomicalm, die gleichzeitig durch Studien mit gleichen Schwächen widerlegt wird.

Wenn man eine hemmende/dämfende Wirkung als hilfreich ansieht, kann man auch mit CBD Öl arbeiten. Hat genauso widersprüchliche Ergebnisse, Studien die bei Trennungsangst auf Wirksamkeit hindeuten, wobei da auch subjektive Wirksamkeit gegen objektive Wirksamkeit steht und der bei Hunden stark ausgeprägte Placebo by Proxy Effekt.
Nur sind die Nebenwirkungen bei weitem nicht so gravierend und man nutzt tatsächlich die primäre entspannende Wirkung von CBD und nicht die dämpfende Nebenwirkung von Antidepressiva.

Natürlich bleibt es die eigene Entscheidung, man sollte sie aber wie du informiert treffen können.
 
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SandrA
19. Juli 13:15
Möchte da gerne auf das Wort *eindeutig* in meinem Satz "es gibt keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz" hinweisen. Die Ergebnisse sind widersprüchlich, die Stichproben sehr klein, so dass ein oder zwei Hunde schon einen prozentualen Unterschied andeuten, die methodischen Schwächen hast du auch genannt und die Serotonin Theorie als Ganzes gilt in der Humanmedizin als veraltet und überholt (so konnte in groß angelegten Meta Analysen kein Zusammenhang zwischen Serotoninleveln und Metaboliten und Auftreten von Depressionen oder anderen ähnlichen Erkrankungen festgestellt werden). Und in der Veterinärmedizin gibt es höchstens einen Hinweis auf eine mögliche Wirksamkeit von Clomicalm, die gleichzeitig durch Studien mit gleichen Schwächen widerlegt wird. Wenn man eine hemmende/dämfende Wirkung als hilfreich ansieht, kann man auch mit CBD Öl arbeiten. Hat genauso widersprüchliche Ergebnisse, Studien die bei Trennungsangst auf Wirksamkeit hindeuten, wobei da auch subjektive Wirksamkeit gegen objektive Wirksamkeit steht und der bei Hunden stark ausgeprägte Placebo by Proxy Effekt. Nur sind die Nebenwirkungen bei weitem nicht so gravierend und man nutzt tatsächlich die primäre entspannende Wirkung von CBD und nicht die dämpfende Nebenwirkung von Antidepressiva. Natürlich bleibt es die eigene Entscheidung, man sollte sie aber wie du informiert treffen können.
Absolute Zustimmung, solche Entscheidungen sollten fundiert getroffen werden und wenn Medikamente im Spiel sind, sollte eine engmaschige fachtierärztliche Begleitung selbstverständlich sein.

Ich teile viele deiner Einwände zur Studienlage. Auch die Kritik an der überholten Serotoninthese ist aus der Humanmedizin bekannt und trifft einen berechtigten Punkt.

Mir war nur wichtig zu betonen, dass eine gewisse Evidenz vorhanden ist, die auf einen moderaten Nutzen bei gezieltem Anwendungsgebiet hinweist. Deshalb existiert ja auch die arzneimittelrechtliche Zulassung von Clomicalm. Das heißt nicht, dass es zuverlässig wirkt oder bedenkenlos einsetzbar wäre. Die Studienlage ist widersprüchlich – aber eben nicht inexistent.

Der Vergleich mit CBD-Öl ist hinsichtlich Studienqualität und Unsicherheiten nachvollziehbar. Daraus folgt aber mMn nicht automatisch, dass CBD die bessere oder risikoärmere Alternative wäre – dafür fehlt es schlicht an belegter Überlegenheit. Auch CBD kann helfen, aber wie bei jedem Mittel sollte eine individuelle Indikation sowie differenzierte Abwägung erfolgen. Ein zusätzliches Problem bei CBD-Öl ist die ungenaue Dosierbarkeit. Die Konzentrationen schwanken je nach Produkt und Hersteller stark, Deklarationen sind oft unzuverlässig und in vielen Fällen ist der CBD-Gehalt so gering, dass therapeutisch wirksame Dosen in der Praxis kaum realisierbar sind. Hinzu kommt, dass das, was auf dem Etikett steht, nicht immer mit dem Inhalt übereinstimmt. Das erschwert eine kontrollierte Anwendung massiv und macht eine objektive Beurteilung von Wirkung und Nebenwirkung häufig zum Glücksspiel.
 
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Sascha
19. Juli 19:07
Hallo Michelle. Allem Anschein nach hast du einen Herdenschutzmix, Kangal oder Schäferhund Anteil. Aber das müssten die Hundetrainer auch erkannt haben. Diese Hunde sind so gezüchtet, dass sie immer ein Stück eigenständig handeln. Wie habt ihr Begegnungen trainiert? Sollte sie mit Abstand im Sitz bleiben? Ansonsten sind Abstände ein großes Thema es sollte immer genug Abstand bleiben. Sie fühlt sich sonst stark getriggert. Auch neigen diese Hunde stark zum territorialem Verhalten. Auf festen Runden gehen die auch steil wenn andere kommen. Der Maulkorb ist schon ein vernünftiger, er scheint nur das Blickfeld einzuengen.