Zunächst: ich habe keine ultimative Lösung, nur Gedanken, die mir beim Lesen gekommen sind. Schau, was davon auf Eure Situation passen könnte.
Dein Hund ist noch sehr jung. Er muss zwar in Euer Leben integriert werden, aber
- erst, wenn er bei Euch angekommen ist
- erst, wenn er Vertrauen zu Euch hat
- Es wird immer wieder Situationen geben, wo er langsam dran gewöhnt werden muss
Wahrscheinlich zielt der Rat des Trainers in diese Richtung, wobei ich 6-7 Monate zu lang finde.
Das Alter ist auch der Grund für die nachlassende Aufmerksamkeit. Gut, dass Du die Spaziergänge dann abbricht, denn Dein Hund wäre mit einer Fortsetzung überfordert. In der relativ kurzen Zeit Eurer gemeinsamen Gänge passiert so viel, dass er das erst mal verarbeiten muss.
Mein erster Gedanke beim Lesen war, dass Du dem Hund vielleicht zu viel Aufmerksamkeit schenkst. Schaust Du ihn ständig an, während Ihr geht, sprichst Du mit ihm? Oder hat er auch schon gelernt, einfach mitzulaufen, wenn Du Deinen Weg gehst? Also Du gehst los, den Hund locker an der Leine, schaust wo Du hinläufst und nicht auf den Hund.
Und nun die gegenteilige Überlegung: wenn Deine Freundin ihren Hund anspricht, ist das für Deinen Hund interessanter als Du. Vielleicht ist es auch zu wenig, was Du mit ihm machst.
Du merkst, wie schwierig die Beurteilung der Situation ist, obwohl Du schon viele Informationen gegeben hast.
Wenn Dein Hund voraus oder neben Euch läuft, scheint er zufrieden zu sein. Läuft er hinten, will er nach vorne, entweder voraus laufen oder zur Gruppe aufschließen (?).
Das kenne ich von unseren Labbis auch. Beide können sich kaum noch auf Leinenführigkeit konzentrieren, wenn mein Mann mit den anderen 2 Hunden voraus läuft. Benny möchte immer ganz vorne laufen.
Es gibt Hunde, die sich gerne an die Spitze setzen, und welche, die lieber hinterher trotten.
Zusammen Spazierengehen heißt für die meisten Hunde, in einer geschlossenen Gruppe gehen, je jünger, desto näher bei den anderen.
Ihr wollt so eine Gruppe werden, lebt es aber nicht vor. Als Gruppe / Gemeinschaft müsste jeder mit jedem kommunizieren, so wie es sich aus der Situation heraus ergibt. Aktuell haltet Ihr Frauen künstlich Abstand.
Es ist richtig, dass Ihr Euch auf die Hunde konzentriert und sie nicht über das Quatschen vergesst. Aber die Hunde sollten eher aus den Augenwinkeln beobachtet werden, während Ihr quatscht. Das würden die Hunde besser verstehen.
Wenn Dein Hund die Aufmerksamkeit Deiner Freundin sucht, lass ihn ruhig. Sie muss dann entscheiden, ob sie ihn ignoriert, blockt, oder beachtet und auf ihn ein geht, wieder situationsbedingt.
Insgesamt: sei geduldiger mit Deinem Kleinen. Was Du beschreibst ist ein sehr junger Hund, der schon viel gelernt hat. Es ist OK, wenn manche Sachen Zeit brauchen. Gib ihm die Zeit, die er braucht, entschleunige das Training, lass den Hund Hundekind sein und Spaß haben, dann kriegt Ihr das bestimmt hin.
Hallo Sonja,
Danke, dass du dir so viel Zeit für eine ausführliche Antwort genommen hast und auch so viele „Richtungen“ erwähnt hast.
Ich würde sagen, er ist gut angekommen und vertraut uns im Moment eher zu viel als zu wenig.
Er ist nicht der „probierwelpe“, sondern gehört eher zur Kategorie Beobachter.
Der Trainer ist in vielen Bereichen gut und feinfühlig, gehört aber zu den Vertretern von „nicht ansehen, nicht ansprechen, nicht anfassen“ von allen, die seiner Meinung nach nicht die Hauptbezugsperson sind. Ich möchte den Trainer nicht wechseln, bin aber in diesem Bereich anderer Auffassung - besonders wenn man den Hund mit zur Arbeit nehmen kann, sollte er nicht verwirrt reagieren, wenn er von fremden angesehen, angesprochen oder angefasst wird, denn man hat nicht immer die Augen beim Hund.
Beim Aufbau der Leinenführigkeit habe ich tatsächlich viel nach ihm geschaut. Inzwischen sind wir aber so weit, dass ich nur noch mit Worten lobe und auch nur noch gelegentlich, wenn er direkt neben mir ist und mit Blick „fragt“, ob er vorbeikann bzw. vor mir langsamer wird, bis ich wieder auf seiner Höhe bin (was ich beides im leinenradius meine).
Wo ich das selber so schreibe, kann es auch sein, dass ich irgendwie unbewusst das vorn/neben laufen belohnt habe und er es vielleicht nicht direkt auf mich bezieht sondern dann auch auf die Gruppe bzw. Ich gar nicht erkannt habe, dass er uns schon als „Gruppe“ wahrnimmt.
Ich bin draußen schon sehr auf ihn konzentriert, das stimmt. Insgesamt spielt er bei uns eine wichtige Rolle, ist aber im Alltsg auch bereit (außer eben beim spazieren mit der Freundin und Ihrem Hund), kurz geduldig zu sein bzw. auch etwas nicht zu dürfen.
Ich werde das mal versuchen, etwas weniger „aufgebaut“ zu testen, also mit normalem Abstand zueinander, vermutlich hast du recht, dass es ihm durch unser etwas seltsames Verhalten schwer fallen muss, zu verstehen, was jetzt überhaupt „richtig“ wäre und ihn die Situation dann ggf. überfordert.
Da es im Freilauf perfekt funktioniert und diese Probleme da gar nicht auftauchen, kann ich dort vielleicht auch versuchen, ihn immer mal kurz anzuleinen und so diese Momente „einzufangen“.
Ich danke dir ganz herzlich für die Denkanstöße.