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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 17. Dez.

"Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Hallo ihr Lieben :) Ich habe kürzlich o.g. Buch verschlungen und gleich begeistert mit dem dort aufgeführten Training begonnen. Für alle, die es nicht kennen: Es geht darum gemeinsam mit seinem Hund die Welt zu entdecken und Spuren zu suchen etc.. Quasi ein Leitfaden, wie man dem Hund zeigt nicht mehr alleine jagen zu gehen, sondern voller Freude zu kooperieren. Ich bin nun unendlich begeistert, weil erste (auch unerwartete) Erfolge schon in wenigen Tagen sichtbar wurden und wollte nun mal fragen, ob noch jemand inspiriert von diesen Methoden mit seinem Hund die Welt erkundet? Würde mich über einen Erfahrungsaustausch unheimlich freuen! Liebe Grüße
 
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Das
6. Nov. 05:58
Danke für das Teilen Deiner Perspektive und sehr spannenden Gedanken☺️ Ich finde den Vergleich mit der Katze tatsächlich sehr treffend. Denn es stimmt, dieses Verhalten steckt ja tief drin und solche Momente sind dann eigentlich keine „Rückschritte“, sondern Gelegenheiten, die Emotion sichtbar zu machen, statt sie einfach „wegzutrainieren“. Also schon im besten Sinne eine wertvolle Erfahrung.☺️ Den Gedanken mit der hohen Emotion finde ich spannend – wobei ich sagen muss, dass das bei Neo ziemlich sicher dazu geführt hätte, dass er mich sofort „aus dem Spiel nimmt“ und selbst die Führung übernimmt. Ich glaube, genau da liegt der Unterschied, dass es nicht darum geht, nicht emotional zu sein, sondern authentisch zu bleiben, ohne sich zu verlieren. Wenn ich hochfahre, darf das ruhig spürbar sein – alles andere wäre für mich schräg. Aber ich bleibe dabei in der Form, habe mich im Griff - ich fühle mit, aber ich fliege nicht mit. In dem Sinne bin ich ganz bei Babs – dieses ruhige, vorgelebte Verhalten hat Wirkung, sofern es echt bleibt. Andererseits finde ich deine Sichtweise eines gemeinsamen Runterfahrens durchaus reizvoll. Vielleicht ist das ja auch so ein Moment, in dem Verbindung entsteht – wenn beide aufgeregt sind, aber einer den Weg zurück in die Ruhe eröffnet, nicht über Kontrolle, sondern eben über geteilte Erfahrung.
Da empfehle ich dir Thomas Baumann und sein Video bei YouTube mit dem Thema Co-Regulation.

https://youtu.be/r73011ctd_I?si=7SK9aLJzu7pUjUU3
 
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SandrA
6. Nov. 06:47
Da empfehle ich dir Thomas Baumann und sein Video bei YouTube mit dem Thema Co-Regulation. https://youtu.be/r73011ctd_I?si=7SK9aLJzu7pUjUU3
Danke dir ☺️ Ich kann mit Baumann sehr viel anfangen☺️ Das Video kenne ich aber noch nicht und schaue es mir später in Ruhe an🙏
 
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SandrA
6. Nov. 06:54
Kurzes Update:
Es hat übrigens offenbar nicht so sehr nachgewirkt (also im negativen Sinne) - sie war - wie bereits gewohnt - noch recht angespannt am Gehege, war aber ansprechbar und ließ sich sehr gut umorientieren. Vor der offenen Stalltür ist sie an der Schlepp gesichert, aber nach einem ersten niggeligen Schauen, kaute sie genüsslich auf ner Rinde rum, während vor ihrer Nase das wütende Gezeter um das beste und einzig wahre Körnchen bei den Damen entbrannte 😂
 
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Kirsten
6. Nov. 07:00
Kurzes Update: Es hat übrigens offenbar nicht so sehr nachgewirkt (also im negativen Sinne) - sie war - wie bereits gewohnt - noch recht angespannt am Gehege, war aber ansprechbar und ließ sich sehr gut umorientieren. Vor der offenen Stalltür ist sie an der Schlepp gesichert, aber nach einem ersten niggeligen Schauen, kaute sie genüsslich auf ner Rinde rum, während vor ihrer Nase das wütende Gezeter um das beste und einzig wahre Körnchen bei den Damen entbrannte 😂
Ach schau mal an 🤩
Klein Ivy ist jetzt schon ziemlich fantastisch, bin gespannt, was die Zukunft bringt.
 
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Babs
6. Nov. 07:04
Auch Dir, Kirsten, vielen Dank für deine Gedanken – du hast das wieder sehr fein aufgedröselt☺️. Ich glaube nun auch, dass es weniger um Rückschritt oder Fortschritt geht und finde deine Sichtweise, dass etwas Neues erst einmal eingeordnet werden muss, total passend. Dieser Einordnungsprozess sieht wohl manchmal chaotischer aus, als er vielleicht ist 😅 Ja, Ivy war im Ausnahmezustand – das trifft’s schon ganz gut. Nicht im Sinne von Panik, sondern sie war einfach komplett drüber, nicht mehr erreichbar, kein Ohr, keine Nase, nichts. Da lief wirklich nur noch das Stammhirn 🙈 Interessanterweise kann sie, wenn sie einmal runtergefahren ist, aber erstaunlich gut abschließen. Es wirkt dann wirklich, als sei da ein Haken dran – sie scheint das nicht lange nachzutragen. Trotzdem finde ich den Hinweis mit den Nachwehen wichtig, weil ich weiß, dass solche Momente im Nervensystem Spuren hinterlassen, auch wenn sie nach außen wieder „normal“ wirkt. Ganz vermeiden lässt sich der Kontakt hier allerdings nicht – die Hühner wohnen ja bei uns im Garten. Also geht’s für mich eher darum, die Begegnungen ruhig und kontrollierbar zu gestalten. Keine Trainingssituation im eigentlichen Sinne, sondern kleine gemeinsame Beobachtungsmomente. Ich bleibe bei ihr, begleite die Spannung mit, und wir regulieren gemeinsam, statt dass sie allein mit der Überforderung bleibt.
Wie war die Nacht? Hat Ivy geträumt?

Noch mal zu der Situation selber. Sie war für alle Energiegeladen, insb. für das Huhn und es gibt Hunde, die in diese Energie mit einsteigen. Du hast da was wichtiges angesprochen. Die Selbstregulation. Und ich finde es bewundernswert, wie schnell sie sich mit ihren 5 Monaten wieder runterfahren konnte. Da habt ihr den richtigen Helferknopf gefunden 😉👍. Es ist ja auch für den Mensch nicht einfach, ruhig zu bleiben und es bedarf manchmal der eigenen Selbstregulation. Auch das ist vorleben der ehrlichen Gefühlswelt.

Ich selber habe 1 goldene Regel. Nicht bewerten, sondern beobachten und nichts reininterpretieren. Was zeigt mein Hund? Daraus folgend dann: Wie kann ich ihm helfen oder auch, wie kann ich seine Stärken unterstützen/fördern?

Hunde leben im hier und jetzt und reagieren/handeln IN der Situation. Was und wie es hängen bleibt, zeigt die Zukunft.
 
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Sonja
6. Nov. 08:02
Der Gedanke, mit hoher Emotion einzusteigen, und dann gemeinsam runterzuregulieren, stammt von Nadine mit Wayne. Mich fasziniert dieser Weg, seit ich das erste Mal davon gelesen habe.
Ich versuche ab und zu, das auf Ella anzuwenden, aber für uns ist es anscheinend nicht der richtige Weg, wie ich vorhin gerade wieder gemerkt habe.

3 Rehe hielten sich in dem Feld auf, das an unser Grundstück grenzt. Ella war im Garten. Hat die Rehe gesehen und losgeschriehen. Die Rehe sind daraufhin ein ganze Weile kreuz und quer durchs Feld gehüpft. Also nicht panisch und schnell abgehauen, sondern 3 Hüpfer nach links, stehen geblieben und geschaut / gelauscht, 5 Hüpfer nach rechts, stehen geblieben ...
Ella wurde zwar leiser, aber war weiterhin höchst erregt.
Ich habe mich dann mit ihr über die Rehe gefreut (es war echte Freude über die Rehe und die Trainingsmöglichkeit), dabei habe ich Dynamik in meiner Stimme mitklingen lassen. Freudentänze wären bei mir nicht authentisch.
Ella ist am Zaun auf und ab gelaufen, auf dieselbe Art wie die Rehe. Rehe schauen, leise winselnd, am Zaun zur Seite gerannt, stehen geblieben, Rehe geschaut ...
Ich konnte sie auf die Art nicht abholen.

Dann habe ich ruhig mit ihr geredet, also nicht beruhigend, sondern mich immer noch gefreut, aber mit ruhiger Stimme und Stimmung. Dabei die Rehe beobachtet, Ella nur mit der Stimme "eingefangen", nicht berührt und nur kurz aus den Augenwinkeln angeschaut. Daraufhin ist sie bei mir geblieben, hat mich sogar ein Mal zwischendurch angeschaut. Ihre Erregung sank langsam.
Ich habe dann nach kurzer Zeit gesagt " jetzt gehen wir wieder rein", da ist sie sofort mit mir mit gekommen. Bei unseren Aufstehen sind die Rehe endgültig abgehauen, aber sie waren nicht mehr so nah, und Ella war tatsächlich inzwischen auf mich fokussiert.
Für uns ist der ruhige Weg der erfolgreichere.
 
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Nadine
6. Nov. 08:17
Der Gedanke, mit hoher Emotion einzusteigen, und dann gemeinsam runterzuregulieren, stammt von Nadine mit Wayne. Mich fasziniert dieser Weg, seit ich das erste Mal davon gelesen habe. Ich versuche ab und zu, das auf Ella anzuwenden, aber für uns ist es anscheinend nicht der richtige Weg, wie ich vorhin gerade wieder gemerkt habe. 3 Rehe hielten sich in dem Feld auf, das an unser Grundstück grenzt. Ella war im Garten. Hat die Rehe gesehen und losgeschriehen. Die Rehe sind daraufhin ein ganze Weile kreuz und quer durchs Feld gehüpft. Also nicht panisch und schnell abgehauen, sondern 3 Hüpfer nach links, stehen geblieben und geschaut / gelauscht, 5 Hüpfer nach rechts, stehen geblieben ... Ella wurde zwar leiser, aber war weiterhin höchst erregt. Ich habe mich dann mit ihr über die Rehe gefreut (es war echte Freude über die Rehe und die Trainingsmöglichkeit), dabei habe ich Dynamik in meiner Stimme mitklingen lassen. Freudentänze wären bei mir nicht authentisch. Ella ist am Zaun auf und ab gelaufen, auf dieselbe Art wie die Rehe. Rehe schauen, leise winselnd, am Zaun zur Seite gerannt, stehen geblieben, Rehe geschaut ... Ich konnte sie auf die Art nicht abholen. Dann habe ich ruhig mit ihr geredet, also nicht beruhigend, sondern mich immer noch gefreut, aber mit ruhiger Stimme und Stimmung. Dabei die Rehe beobachtet, Ella nur mit der Stimme "eingefangen", nicht berührt und nur kurz aus den Augenwinkeln angeschaut. Daraufhin ist sie bei mir geblieben, hat mich sogar ein Mal zwischendurch angeschaut. Ihre Erregung sank langsam. Ich habe dann nach kurzer Zeit gesagt " jetzt gehen wir wieder rein", da ist sie sofort mit mir mit gekommen. Bei unseren Aufstehen sind die Rehe endgültig abgehauen, aber sie waren nicht mehr so nah, und Ella war tatsächlich inzwischen auf mich fokussiert. Für uns ist der ruhige Weg der erfolgreichere.
Rein stimmlich einsteigen hilft dem Wayne auch nicht. Wayne ist ein Hund, der sich viel über Bewegung reguliert und statisch schlecht mit Stress klarkommt.
Ich steige also zwar stimmlich situativ durchaus auf hoher Erregung ein (wodurch er in der Situation deutlich ansprechbarer ist als wenn ich ihn mit ruhiger Stimme anspreche), muss ihm dann aber auch ein Ventil bieten, über das er gemeinsam mit mir ein wenig Energie loswerden kann. Bei uns ist das oft unser "Turn", der ähnlich ist wie das Handhochspiel, und anschließendem Leckerli Kegeln mit nach und nach weniger Dynamik. Aber auch gemeinsam ein Stück rennen hilft hier enorm - zb wenn überraschend eine Katze neben dem Weg hinter einem Busch sitzt und die Erregung bei wayne explosionsartig steigt, bekomme ich ihn mit dynamischer Ansprache und dann gemeinsamem rennen, wobei wir schnell los rennen und dann gemeinsam langsamer werden.
Bei einem spielmotivierten Hund könnte man auch zergeln etc.
 
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Kirsten
6. Nov. 08:45
Sonja, ich mache das ja auch ab und an so ähnlich, wie du es beschreibst.

Bei Mira habe ich festgestellt, für manche Situationen kann das ein Gamechanger sein, in anderen komplett deplatziert und sogar kontraproduktiv. Ich habe schon (bei meinem Hund) ein grobes Gefühl davon, wann es passen kann und wann nicht, aber ich könnte das jetzt nicht gut für jemand anderes beschreiben.

Tendenziell eher dort, wo Ruhe vorleben alleine nicht weiterhilft, keinen Einstieg für die Mira bietet um sie abzuholen, weil sie selbst zunächst emotional zu sehr entfernt davon ist, sich Formen von Co-Regulation annehmen zu können.

Bei der Situation, die Sandra beschreibt, kam es mir nicht in den Kopf, weil sie eh im Moment höchster Erregung mit dem Huhn beschäftigt war. Später im Stall hätte es von meinem Gefühl her auch nicht mehr gut gepasst und vermutlich eher zu mehr Irritation geführt. Also zumindest, wenn ich mir vorstelle, ich wäre mit der Mira in der Situation gewesen und sie hätte so reagiert. Wie es bei anderen aussieht, kann ich natürlich nicht sagen.

Falls da jemand weiteres berichten kann, würde es mich brennend interessieren.
 
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Das
6. Nov. 09:05
Ich mache es, wenn ich's richtig gelesen habe umgekehrt.😅

Wenn mein Hund bei Wildsichtung in hoher Erregung ist, spreche ich mein Lob ganz ruhig und sanft aus. Ich möchte ihn situativ nicht noch mehr pushen.
Wenn er zu mir kommt, lobe ich schon mehr, wenn er meine alternativ Belohnung annimmt wie den Dummy hetzen, bring ich richtig Dynamik in meine Stimme und gestik, lasse das aber zum Abschluss auch abklingen, zum wieder runterkommen.

Das beschreibt Ines Scheuer Dinger in einem ihrer Bücher.
Aus einem hitzigen Dummy Spiel, nicht einfach abrupt den Dummy wegpacken und weitergehen. Während der Hund noch mittendrin ist und der Hund noch nicht runterkam.
Das kann nur Frust schüren und könnte sich woanders entladen.
 
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SandrA
6. Nov. 09:13
Wie war die Nacht? Hat Ivy geträumt? Noch mal zu der Situation selber. Sie war für alle Energiegeladen, insb. für das Huhn und es gibt Hunde, die in diese Energie mit einsteigen. Du hast da was wichtiges angesprochen. Die Selbstregulation. Und ich finde es bewundernswert, wie schnell sie sich mit ihren 5 Monaten wieder runterfahren konnte. Da habt ihr den richtigen Helferknopf gefunden 😉👍. Es ist ja auch für den Mensch nicht einfach, ruhig zu bleiben und es bedarf manchmal der eigenen Selbstregulation. Auch das ist vorleben der ehrlichen Gefühlswelt. Ich selber habe 1 goldene Regel. Nicht bewerten, sondern beobachten und nichts reininterpretieren. Was zeigt mein Hund? Daraus folgend dann: Wie kann ich ihm helfen oder auch, wie kann ich seine Stärken unterstützen/fördern? Hunde leben im hier und jetzt und reagieren/handeln IN der Situation. Was und wie es hängen bleibt, zeigt die Zukunft.
Ja, die Nacht war ruhig. Kein wildes Träumen, kein Gewusel, sie hat wirklich tief und fest geschlafen. Das und auch ihr Verhalten heute Morgen haben mich ehrlich ziemlich beeindruckt😅

Deine goldene Regel gefällt mir sehr ☺️Dieses „nicht bewerten, sondern beobachten“ klingt erstmal simpel, ist aber zentral. Das hat Neo mich gelehrt und ich merke auch bei Ivy, dass das hilft – sie zeigt mir, was gerade da ist, und ich versuche, es einfach stehen zu lassen, ohne sofort etwas „draus zu machen“. (Gelingt na klar nicht immer🙈)

Und ja, diese Selbstregulation ist für mich im Moment das eigentlich Faszinierende. Sie fährt sich wirklich erstaunlich schnell wieder runter, ganz anders als Neo. Und es ist so hilfreich dass sie das zulässt, dass da jemand mit ihr bleibt, statt dass sie allein aushalten „muss“.

Ich selbst war in der Situation gar nicht aufgeregt – eher frustriert, weil ich dieses Huhn ewig nicht gefunden habe 😅 und einfach nur erleichtert, als ich es schließlich im Baum hocken sah und ich es mit einem Griff zu packen bekam. Vielleicht hat auch das geholfen: kein Drama im Gemüt, sondern Durchatmen und Erleichterung😅