Hallo Kirsten, Du hattest gefragt, wie Training im Sinne der Gefährtenschmiede und im Sinne von Ulli Reichmann für die Lagottine und mich zusammenpassen: Sehr gut. :) Bei Ulli Reichmann geht es im Kern natürlich um den Reiz „Wild und seine Fährten“, während bei der Gefährtenschmiede auch andere Reize thematisiert werden - je nach deiner Situation / deinem Hund. Kann also auch das Thema andere Hunde im Freilauf sein, ist halt individuell. Bei uns ist aber Wild & Fährten tatsächlich Reiz No. 1. Ich versuch mal mein Verständnis von Ulli Reichmann im Wesentlichen und in Kürze zusammenzufassen: nimm deinen Hund wahr, was er sieht und gerne tut, macht die Dinge gemeinsam, gib ihm Informationen (keine Kommandos!) zu Richtung / Weg, zeig Anerkennung für seine Funde & Leistungen, wenn er zu angespannt ist bei Sichtungen, vergrößere die Distanz und mach ggf ein paar Richtungswechsel. Ich beschränk‘s jetzt mal darauf und es ist ja auch recht simplifiziert dargestellt. Bei Better together von der Gefährtenschmiede geht es auch darum (wiederum hier meine Worte und Verständnis!) den Hund als kompetenten Sozialpartner wahrzunehmen, der nicht mit Kommandos gegängelt wird, sondern sich meiner Ankündigung anschließt (das kann auch Fehlversuche beinhalten). Kekse werden (wie auch bei Ulli Reichmann) nicht zur Bestechung genutzt, aber sie sind nicht verboten, wichtiger ist ehrliches Feedback (positiv wie negativ). Den optimalen Abstand zu individuellen Reizen lotet man schrittweise aus und verkürzt ihn mit der Zeit. Es gibt auch da Richtungswechsel in Form von kurzen Leinenführigkeitssequenzen, wenn der Hund sich selber etwas runterreguliert hat. Es wird viel mit der Psychologie des Hundes gearbeitet als Erklärungsansatz und das macht für mich - und vorallem die Lagottine - durchaus Sinn. Ich habe uns auch in einigen der Beispiele in Ulli Reichmann‘s Buch wiedergefunden. Ich habe tatsächlich angefangen Delia für‘s Buddeln zu loben - sie schaut mich dann innerhalb kürzester Zeit verwundert an und kommt zu mir gestürmt. Habe ich auch mal bei Pferdekötteln ausprobiert, die waren dann auch uninteressant. Langweilige Übungen auf dem Trainingsplatz findet sie genau so: langweilig, vorallem die Dinge wie Sitz, Platz, Bleib… Kann sie übrigens alles, aber ich habe inzwischen Spaß es anders zu üben. Also gibt‘s kein Sitz und Bleib, wenn das die klassische Übung sein soll. Ich warte kurz, bis sie sich hinsetzt, lasse die Leine fallen und sage „ich bin gleich wieder da“ und dann gehe ich. Klappte lustigerweise besser als die klassische Herangehensweise der anderen. (Spoiler: inzwischen ist der Vertrag Hundeschule ja auch gekündigt - mehr im „was hat euch heute genervt“ Thread) Habe ich neulich auch mal im Wald probiert, da war sie sogar ohne Leine. Wir waren mit einer Bekannten und zwei weiteren Hunden dort und wir mussten auf einen schlecht einsehbaren Weg zurückbiegen. Die Bekannte ist mit ihren Hunden stehengeblieben, ich habe Delia dort gelassen (ohne Bleib) und mit „ich geh schauen“ bin ich weggegangen um zu schauen, damit wir nicht in jemanden reinlaufen ungeplant. Sie ist dort geblieben, bis ich sie geholt habe. Sie kann weitgehend frei laufen, bei Feldern und den hier reichlich!! vorkommenden Hasen bleibt sie im Zweifel aber noch an der Schlepp. Sie geht schon mal stöbern, bleibt aber ansprechbar. Gerne läuft sie im Maisfeld parallel zu mir. Ich tue mich immer noch schwer, etwas spannendes für sie zu finden, sie ist (natürlich auch rassebedingt) sehr nasenaffin … was soll ich sagen, da habe ich so meine Mängel. ;) Aber sie findet immer was.
Klappt alles? Nein, das wäre gelogen. Neulich ist sie einer Katze hinterher, die am Maisfeld auftauchte und ich war nicht schnell genug. Aber nach 30 sec war sie wieder da und wir haben dann erstmal zusammen Kekse gegessen. Sorry dennoch an die Katze, tut mir leid! Raschelnde und fliegende Blätter sind mit unser größtes Problem, da üben wir aber dran und es wird auch Stück für Stück besser. Wir sind ja auch erst am Anfang von BT.
Sorry für den langen Eintrag.
Bezüglich Leckerchen und Kommandos kann ich auf Carols Text verweisen. Ich finde, sie hat das ziemlich gescheit beschrieben.
Ich versuche es nochmal mit meinen Worten zu ergänzen, obwohl ich das sicher nicht so toll kann, wie es die Bücher oder eine von den Trainerinnen wiedergeben würden und mein Text arg abgespeckt/ zusammengefasst dargestellt ist und weniger auf die Hintergründe eingeht.
Im Kern geht es weniger (oder gar nicht, höhö) darum ein ganz spezifisches Verhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt herauszuarbeiten(, wie z.B. eine Anzeige, Warten, Stoppen, Zurückgehen, usw. wobei das Endergebnis durchaus so aussehen kann, besonders wenns für den Hund einfach so passt). Es dreht sich weniger um den perfekten Zeitpunkt (im Vergleich zum präzisen Clickertraining) oder das eine passende Verhalten, dass besonders hervorgehoben werden soll, zumal wir von den ganzen inneren Vorgängen des Hundes ja auch nur einen sehr kleinen Anteil mitbekommen. Hier wird quasi gar nicht „on Point“ gearbeitet, sondern die Philosophie bewegt sich weit weg vom gezielten Formen des Hundes.
Vermittelt werden soll ihm das Gefühl, dass er gut so ist, wie er ist (Stichwort Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit).
Kekse gibt’s zum Runterfahren, gegen Ungeduld in Wartezeiten, zum Wohlfühlen, als Einfach-So-Geschenke und weniger um den Fluss des Hundes (absichtlich oder unabsichtlich) zu unterbrechen. Sie werden also nach Möglichkeit nicht so eingesetzt, dass der Hund immer wieder rausgerissen wird aus seiner Welt, sondern so dass er sich mit der Keksgabe wohlfühlt ohne in innere Konflikte zu geraten.
Es geht um das Verändern von Emotionen, statt gezielter Verhaltensvorgaben (bzw. -kontrolle) und lässt dem Hund damit Raum Lösungen zu finden die funktional zu der Situation passen, auch auf seiner Gefühlsebene. Es wird nicht versucht den Hund zu „beheben“, wieder richtig zu machen, ihn für den Menschen zurecht zu biegen.
Die Methoden die sich in den Büchern befinden sind direkt anwendbar ohne vorheriges trainieren, soweit sie vom Menschen verstanden werden und zum Hund passen. (Beispiel: Hand-Hoch-Spiel bei einem Hund der im früheren Leben geschlagen wurde, ist ggf. nicht so der Burner und sollte an den Hund angepasst werden).
Die Dinge werden weniger trainiert, sondern ergeben sich aus der Situation heraus. Weniger Fokus aufs Problem, mehr aufs gemeinsame Erleben und Wohlfühlen. Mensch und Hund lernen gemeinsam voneinander. Der Hund zeigt seine Welt und sein Mensch achtet drauf, dass durch Einflüsse der Menschenwelt keine Schäden entstehen, weder für den Hund noch für andere.
Soweit erstmal die Gedanken zur Philosophie und zum Training. Gegen den Clicker an sich oder freundliches Training spricht genau nichts. Niemand ist böse, weil er trainiert oder einen Clicker verwendet oder passt dadurch nicht rein.
Nur je länger ich dabei bin, desto vorsichtiger bin ich mit systematischer Verhaltensmanipulation im sozialen Miteinander geworden, weil ich mir zunehmend Gedanken ums Drumherum mache.
Was macht das mit meinem Hund?
Ich mein jetzt nicht Tricks, zur Spaß an der Freude und losgelöst von aufregenden Situationen, sondern Dinge die das Leben mittendrin betreffen.