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Dogorama-Mitglied
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heute 14:18

"Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Hallo ihr Lieben :) Ich habe kürzlich o.g. Buch verschlungen und gleich begeistert mit dem dort aufgeführten Training begonnen. Für alle, die es nicht kennen: Es geht darum gemeinsam mit seinem Hund die Welt zu entdecken und Spuren zu suchen etc.. Quasi ein Leitfaden, wie man dem Hund zeigt nicht mehr alleine jagen zu gehen, sondern voller Freude zu kooperieren. Ich bin nun unendlich begeistert, weil erste (auch unerwartete) Erfolge schon in wenigen Tagen sichtbar wurden und wollte nun mal fragen, ob noch jemand inspiriert von diesen Methoden mit seinem Hund die Welt erkundet? Würde mich über einen Erfahrungsaustausch unheimlich freuen! Liebe Grüße
 
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Vic
23. Mai 13:54
Ich habe nochmal über deine Worte nachgedacht und ich denke im Prinzip sehen wir das beide sehr ähnlich und es unterscheidet sich nur in haarfeinen Kleinigkeiten, die in meinen Augen auch nicht so wahnsinnig ins Gewicht fallen. Nun wird hier ganz viel von Eingreifen geredet (was ich ja auch tue, kein Mensch der seinen Hund liebt, wird ihn wohl guten Gewissens ins offene Messer laufen lassen) ☺️ Ich weigere mich ja auch gar nicht gegen die Aussage, das die Leine einem kontrolliertem Rahmen entspricht, den man genau deswegen gut nutzen kann, um Zweifel abzubauen und zusammenzuwachsen. Darüber hatte ich meine Meinung auch schon geäußert. Nun gibt es aber Fälle in denen der Hund eben so oder so Entscheidungen fällt, ganz egal ob man sie nicht für gut oder vertretbar hält. Da fällt mir übrigens zu fast jedem Hund, den ich kenne eine solche Situation ein 😄 Sowohl zu Mira als auch zu Müsli, ohne da persönlich werden zu wollen. Hunde sind eben doch einfach auch Lebewesen und keine Maschinen und da kann es eben vorkommen, dass genau dieser Rahmen nicht eingehalten wird, weil wir eben nicht sämtliche äußere Einflüsse kontrollieren können. Ich denke, dass auch in solchen Notfallsituationen unser Handeln sehr stark davon bestimmt wird, wie wir unseren Hund sehen. Halten wir ihn für jemanden, der sich im Zweifelsfall immer unterzuordnen hat oder sehen wir ihn als Freund, dem wir auch dann versichern möchten, dass wir in solchen Situationen bei ihm sind und das Ganze mit ihm gemeinsam erleben und durchmachen. Ullihundler möchten ihm die volle Unterstützung garantieren und ihm es möglich leicht gestalten wollen, wieder zum geliebten Menschen zurückzukehren. Was macht das denn mit einem selbst, wenn der Hund nun entscheidet, diesen Rahmen (den du beschreibst) zu verlassen? Es erzeugt im Menschen das Gefühl von Kontrollverlust. Ein Gefühl das so einnehmend ist, das es beim Menschen eben auch emotionsgeladene Handlungen veranlasst und das Bedürfnis den Hund möglichst schnell wieder zurück in die Kontrolle zu bringen. Das sind in meinen Augen sehr schwierige Vorraussetzungen für den Hund zum Halter zurückzukehren. Wir als Menschen werden unweigerlich nach außen hin kommunizieren, wie wir uns damit fühlen, sowohl über die Körpersprache, als auch verbal, wenn wir uns entschließen etwas zu sagen. In solchen Situationen können diese haarfeinen Kleinigkeiten einen Unterschied machen. Auch wenn sich sicher niemand davon freisprechen kann, Stimme und Körpersprache nicht ganz im Griff zu haben (siehe Videos von mir 😄).
Ich würde hierauf dann doch gerne mal für eine konkrete Situation nachfragen.
Du schreibst „sehen wir ihn als Freund, dem wir auch dann versichern möchten, dass wir in solchen Situationen bei ihm sind“, das ist aber ja schlicht nicht immer umsetzbar.
Gehen wir wirklich mal in Extremsituationen und weg vom „einfachen“ Alltag.
Nehmen wir an, dein Hund versucht auf die Straße in den fließenden Verkehr zu laufen, weil auf der anderen Seite ein anderer Hund oder eine Katze etc. ist.
Wie würdest du dadrauf reagieren?
 
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Kirsten
23. Mai 14:33
Ich würde hierauf dann doch gerne mal für eine konkrete Situation nachfragen. Du schreibst „sehen wir ihn als Freund, dem wir auch dann versichern möchten, dass wir in solchen Situationen bei ihm sind“, das ist aber ja schlicht nicht immer umsetzbar. Gehen wir wirklich mal in Extremsituationen und weg vom „einfachen“ Alltag. Nehmen wir an, dein Hund versucht auf die Straße in den fließenden Verkehr zu laufen, weil auf der anderen Seite ein anderer Hund oder eine Katze etc. ist. Wie würdest du dadrauf reagieren?
Mein Hund ist an einer Straße mit fließendem Verkehr mit einer Leine gesichert. Immer! Nicht ausschließlich deswegen, weil es ein Hund ist, der ordentlich Jagdverhalten mit sich bringt, aber auch zum ganz großen Teil deswegen.

Genau dafür ist die Leine doch da. Um in gefährlichen Situationen abzusichern, das kein Unglück passiert. Es geht nicht darum jeglichen sinnvollen Verstand über Bord zu schmeißen.

Nun kann ich mit der Leine verhindern, dass der Hund sich überfahren lässt und dann die Situation ganz normal angehen, wie ich es ohne die Straße eben auch tun würde.

Wenn wir aber nun genau von meiner Hündin reden, dann sprechen wir da von einer Hündin, die im Normalfall bei einer Katze nicht von jetzt auf gleich nach vorne schießt, sondern zuvor Anzeigeverhalten zeigt (das dem Menschen eine gute Möglichkeit gibt mit Interesse einzusteigen!), auf das ich entsprechend reagieren kann. Im Normalfall werde ich nicht von plötzlichem Jagdverhalten überrascht, auch wenn das natürlich vorkommen kann.
Da kann ein „Hui, das war aber spannend, nun gehen wir ein paar Kekse snacken.“ kommen, ein Richtungswechsel, das Rückverfolgen der Spur, beobachten der Katze, oder ein bedauerndes „Da können wir nicht hinterher.“ was auch immer der Hund und die Situation eben zulässt.

Doro hat es vor einigen Posts schon geschrieben, dass nicht das oberste Ziel die Leinenfreiheit ist. Aber sie kann sich eben ergeben, wenn alles passt.

Ich verstehe, dass Extremsituationen immer ein Thema sind. Sie erzeugen starke Emotionen und Bilder im Kopf.
Das Fundament einer Beziehung bildet sich doch aber in der Regel beim normalen Hundehalter nicht in Extremsituationen 😄

Genau deswegen gibt es die Notfallstrategien bei Ulli, (wie bei vielen anderen Trainern auch,) meist hinten. Weil Menschen eben,… naja menschlich handeln und es im Übermut gerne drauf ankommen lassen und Notfallstrategien zu häufig missbrauchen.
Dann funktionieren sie irgendwann nicht mehr.
Der wichtige Kram wird überflogen und sich an dem festgeklammert, was man tun kann, wenn alle Stricke reißen.
 
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Kirsten
23. Mai 14:51
Ich hab ja schon Videos gepostet, aber um eine Vorstellung zu geben, das ist meine Hündin aktuell am Wild.

Ihr ist es nicht egal, aber das sie gelernt hat ruhig zu beobachten, kam nicht dadurch, dass ich ständig versuche sie abzulenken. Oder Befehle gebe. Oder mich an eine Landstraße ohne Leine mit Tempo 100 stelle und darauf hoffe, dass vielleicht ein Reh vorbeikommt und ganz viel Vertrauen darin habe, dass sie nicht abhaut.

Es kommt dadurch, dass ich mich bemühe mir genau für diese Dinge Zeit zu nehmen und sie gemeinsam anzugehen. Sie mit meiner Hündin zu genießen und zu begrüßen, einfach weil es unheimlich viel Spaß machen kann. Und wenn es zu viel für meine Terrierdame wird, dann fange ich nicht an überzustrapazieren, sondern wir bringen Abstand rein und machen eine nette Pause. Und bei diesen Dingen ist sie in der Regel mit der Leine gesichert, weil weder ich noch mein Hund unfehlbar sind.

Ich hoffe, das ist bei all der Theorie, über die gesprochen wurde, etwas praxisnäher.
 
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Kirsten
23. Mai 15:22
Bei den Schweinen war früher übrigens Miras erste Idee, mithilfe eines Steins über den Zaun zu gehen und drauf zu kloppen.

Das war zwar noch vor meiner Ullizeit, aber ich denke, es ist nachvollziehbar, dass ich das nicht hätte laufen lassen können. Natürlich war in dem Moment auch eine Leine dran. Mit ein wenig Abstand und Zuschauen konnte Mira feststellen, dass auf dem Boden zu Schnorcheln und zu Grunzen kein an sie gerichtetes, aggressives Verhalten ist 🐷
 
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Sonja
23. Mai 16:48
Ich würde hierauf dann doch gerne mal für eine konkrete Situation nachfragen. Du schreibst „sehen wir ihn als Freund, dem wir auch dann versichern möchten, dass wir in solchen Situationen bei ihm sind“, das ist aber ja schlicht nicht immer umsetzbar. Gehen wir wirklich mal in Extremsituationen und weg vom „einfachen“ Alltag. Nehmen wir an, dein Hund versucht auf die Straße in den fließenden Verkehr zu laufen, weil auf der anderen Seite ein anderer Hund oder eine Katze etc. ist. Wie würdest du dadrauf reagieren?
Kirsten hat das Wesentliche schon geschrieben, wenn Gefahr droht, ist die Leine dran.
Geht der Hund hinter Wild her, zweifle ich auch den angeblich perfekten Rückruf an. Ich habe es oft genug erlebt, dass der Rückruf, der sonst super funktioniert hat (weil man nah genug am Hund war, den richtigen Moment erwischt hat, ...), bei wegrennendem Wild völlig ins Leere läuft. Es gibt zu viele Dinge, die passen müssen, damit es klappt.
Deshalb verfolge ich lieber den Weg, dem Hund das erwünschte Verhalten bezüglich Wild beizubringen. Stehen bleiben, beobachten, vorstehen, Sitz, Platz sind alles Möglichkeiten, ohne dass der Hund das Jagen komplett abbrechen muss. Es gibt mir die Möglichkeit, zum Hund zu gehen, und ihn zu sichern, bevor wir irgendwann die Jagdsequenz beenden.

Ich habe aber noch ein anderes Beispiel aus der Praxis, auf das ich den Ulliweg übertragen habe: Nala's Kot fressen.
Nala, nimmersatter Labbi, läuft wie ein Staubsauger herum, und schnappt sich mit Vorliebe herumliegenden Kot. Wir haben sie jetzt fast 3 Jahre und alle möglichen Traingsansätze durch. Es ist möglich, ohne Kotfressen mit ihr zu gehen, wenn man sie die ganze Zeit beobachtet und beim leisesten Anzeichen das Schnüffeln unterbricht, meistens beanspruche ich die Stelle dann für mich.
Wenn sie im Freilauf ist, wird naturgemäß der Abstand zu ihr größer. Bekomme ich nicht mit, dass sie großes Interesse zeigt, hat sie schnell was im Maul.
Das einzige, was dann hilft, ist, den Kot im Maul zu ignorieren, und sie so fröhlich-freundlich wie möglich zu mir zu rufen. Wenn ich Glück habe, hat sie noch nicht geschluckt, dann können wir ein wiederum fröhliches Tauschgeschäft machen.
Jeder Anflug von Ärger, jedes scharfe Wort, jeder Kommandoton bewirkt nur, dass sie die Distanz vergrößert und so schnell wie möglich schluckt.
Unser langfristiger Weg ist das Anzeigen von Fressbarem. Im Garten zeigt sie mir schon zuverlässig jeden Kothaufen an (sehr praktisch vor dem Rasen mähen), das müssen wir nun noch auf Spaziergängen festigen. Sie hat Spaß an dieser Aufgabe, dadurch ist es für sie wohl auch ein akzeptabler Weg. Seit wir das trainieren, sehe ich ihr Interesse an den Kothaufen als etwas, was ihr extrem wichtig ist, arbeite mit ihr daran, wie sie sich dabei verhalten soll, und kämpfe nicht mehr dagegen. Dadurch fällt es mir sehr viel leichter, dabei ruhig und fröhlich zu bleiben.
 
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Kirsten
23. Mai 17:00
Kirsten hat das Wesentliche schon geschrieben, wenn Gefahr droht, ist die Leine dran. Geht der Hund hinter Wild her, zweifle ich auch den angeblich perfekten Rückruf an. Ich habe es oft genug erlebt, dass der Rückruf, der sonst super funktioniert hat (weil man nah genug am Hund war, den richtigen Moment erwischt hat, ...), bei wegrennendem Wild völlig ins Leere läuft. Es gibt zu viele Dinge, die passen müssen, damit es klappt. Deshalb verfolge ich lieber den Weg, dem Hund das erwünschte Verhalten bezüglich Wild beizubringen. Stehen bleiben, beobachten, vorstehen, Sitz, Platz sind alles Möglichkeiten, ohne dass der Hund das Jagen komplett abbrechen muss. Es gibt mir die Möglichkeit, zum Hund zu gehen, und ihn zu sichern, bevor wir irgendwann die Jagdsequenz beenden. Ich habe aber noch ein anderes Beispiel aus der Praxis, auf das ich den Ulliweg übertragen habe: Nala's Kot fressen. Nala, nimmersatter Labbi, läuft wie ein Staubsauger herum, und schnappt sich mit Vorliebe herumliegenden Kot. Wir haben sie jetzt fast 3 Jahre und alle möglichen Traingsansätze durch. Es ist möglich, ohne Kotfressen mit ihr zu gehen, wenn man sie die ganze Zeit beobachtet und beim leisesten Anzeichen das Schnüffeln unterbricht, meistens beanspruche ich die Stelle dann für mich. Wenn sie im Freilauf ist, wird naturgemäß der Abstand zu ihr größer. Bekomme ich nicht mit, dass sie großes Interesse zeigt, hat sie schnell was im Maul. Das einzige, was dann hilft, ist, den Kot im Maul zu ignorieren, und sie so fröhlich-freundlich wie möglich zu mir zu rufen. Wenn ich Glück habe, hat sie noch nicht geschluckt, dann können wir ein wiederum fröhliches Tauschgeschäft machen. Jeder Anflug von Ärger, jedes scharfe Wort, jeder Kommandoton bewirkt nur, dass sie die Distanz vergrößert und so schnell wie möglich schluckt. Unser langfristiger Weg ist das Anzeigen von Fressbarem. Im Garten zeigt sie mir schon zuverlässig jeden Kothaufen an (sehr praktisch vor dem Rasen mähen), das müssen wir nun noch auf Spaziergängen festigen. Sie hat Spaß an dieser Aufgabe, dadurch ist es für sie wohl auch ein akzeptabler Weg. Seit wir das trainieren, sehe ich ihr Interesse an den Kothaufen als etwas, was ihr extrem wichtig ist, arbeite mit ihr daran, wie sie sich dabei verhalten soll, und kämpfe nicht mehr dagegen. Dadurch fällt es mir sehr viel leichter, dabei ruhig und fröhlich zu bleiben.
Wie schön 🥰 Ein tolles Beispiel dafür, wie sich eigene Strategien entwickeln lassen, wenn man der Grundgedanke angekommen ist und verinnerlicht wurde.

Hihi. Tatsächlich gibt es das auch schon so unter 4K-Strategie. Eins der K’s steht für 💩. Über den Rest könnt ihr ja mal nachdenken 🤢🤭 ich glaube, das überlasse ich lieber der Fantasie.

Die K‘s die der Hund findet, werden jubelnd gelobt und noch eine Schippe drauf gelegt, damit nicht mehr ungesehen verschlungen, sondern angezeigt wird und getauscht werden kann.
 
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Dogorama-Mitglied
23. Mai 19:18
Nein, dazu würde ich nicht raten, darum geht es auch gar nicht. Die Liebe zu, die gegenseitige Bindung, die Kommunikation mit und Förderung von sowie die Erziehung von Kind und Hund sind komplett anders, da es sich um unterschiedliche Spezies handelt mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten, Entwicklungen und Lebenswegen. Einen Hund nimmt man auf bzw. kauft ihn, damit er für immer bei einem bleibt, versorgt ihn gut und erzieht ihn so, dass er in das eigene Leben passt...in unserem Fall einen Welpen ohne besondere Aufgabe als Familienhund. Ein Jäger, Schäfer, Polizist..hat bestimmt andere Erziehungsansätze als ich und wählt eine andere Rasse. Der Hund kommt schnell in die Pubertät und lebt, wenn es gut läuft, ca. 14 bis 16 Jahre. Häufig ist ein Hund auch bereits erwachsen, wenn er zum Halter kommt. Ein erwachsener Mensch ist für sich selber verantwortlich und kann eine eigene Familie gründen. Mein Kind ist jetzt 14 und die Aufgabe für uns als Eltern ist auf der einen Seite von Anfang an leichter, weil gleiche Spezies und daher ein ganz anders Verständnis, tiefe Liebe und Bindung. Auf der anderen Seite schwieriger, weil viel mehr Verantwortung, damit wir unserem Sohn alles mitgeben, was er später braucht. Vergleiche zwischen Welpen und Säugling/Kleinkind habe ich nie gezogen.
Ist deine Sichtweise.
Ich kenne viele Leute, die sowohl Kinder als auch Hunde haben und immer wieder Parallelen beschreiben.
Nur weil das Kind irgendwann in die Eigenständigkeit entlassen wird, heisst das nicht, dass es in der Zeit davor keine Ähnlichkeiten gibt.
 
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Vic
23. Mai 19:52
Mein Hund ist an einer Straße mit fließendem Verkehr mit einer Leine gesichert. Immer! Nicht ausschließlich deswegen, weil es ein Hund ist, der ordentlich Jagdverhalten mit sich bringt, aber auch zum ganz großen Teil deswegen. Genau dafür ist die Leine doch da. Um in gefährlichen Situationen abzusichern, das kein Unglück passiert. Es geht nicht darum jeglichen sinnvollen Verstand über Bord zu schmeißen. Nun kann ich mit der Leine verhindern, dass der Hund sich überfahren lässt und dann die Situation ganz normal angehen, wie ich es ohne die Straße eben auch tun würde. Wenn wir aber nun genau von meiner Hündin reden, dann sprechen wir da von einer Hündin, die im Normalfall bei einer Katze nicht von jetzt auf gleich nach vorne schießt, sondern zuvor Anzeigeverhalten zeigt (das dem Menschen eine gute Möglichkeit gibt mit Interesse einzusteigen!), auf das ich entsprechend reagieren kann. Im Normalfall werde ich nicht von plötzlichem Jagdverhalten überrascht, auch wenn das natürlich vorkommen kann. Da kann ein „Hui, das war aber spannend, nun gehen wir ein paar Kekse snacken.“ kommen, ein Richtungswechsel, das Rückverfolgen der Spur, beobachten der Katze, oder ein bedauerndes „Da können wir nicht hinterher.“ was auch immer der Hund und die Situation eben zulässt. Doro hat es vor einigen Posts schon geschrieben, dass nicht das oberste Ziel die Leinenfreiheit ist. Aber sie kann sich eben ergeben, wenn alles passt. Ich verstehe, dass Extremsituationen immer ein Thema sind. Sie erzeugen starke Emotionen und Bilder im Kopf. Das Fundament einer Beziehung bildet sich doch aber in der Regel beim normalen Hundehalter nicht in Extremsituationen 😄 Genau deswegen gibt es die Notfallstrategien bei Ulli, (wie bei vielen anderen Trainern auch,) meist hinten. Weil Menschen eben,… naja menschlich handeln und es im Übermut gerne drauf ankommen lassen und Notfallstrategien zu häufig missbrauchen. Dann funktionieren sie irgendwann nicht mehr. Der wichtige Kram wird überflogen und sich an dem festgeklammert, was man tun kann, wenn alle Stricke reißen.
Das Beispiel war vielleicht blöd gewählt.
Mir geht es einfach um eine Situation, die ein schnelles Handeln/eine schnelle Reaktion vom Menschen erfordert um eben schlimmeres zu verhindern.
Gerne können wir auch folgendes Beispiel nehmen: Spaziergang am Waldrand, ganz allein, keine Gefahr weit und breit, Hund läuft frei, Reh springt aus dem Wald und läuft davon, Hund will hinterher.

Es geht mir gar nicht um Leinenfreiheit sondern um diesen Moment, wo der Hund etwas tut was der Mensch unterbinden muss/sollte und wie darauf reagiert wird.

Du hast natürlich recht, dass es auch sehr viele Situationen gibt, die sich vorab ankündigen und wodurch man dann natürlich die Möglichkeit hat, frühzeitig reagieren zu können.

Beobachten und sich gemeinsam Zeit dafür nehmen finde ich zum Beispiel auch super. Das erscheint mir auch extrem sinnvoll, das ist allerdings ja kein spezieller UR-Ansatz sondern dazu wird generell oft geraten
 
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Sonja
23. Mai 20:44
Das Beispiel war vielleicht blöd gewählt. Mir geht es einfach um eine Situation, die ein schnelles Handeln/eine schnelle Reaktion vom Menschen erfordert um eben schlimmeres zu verhindern. Gerne können wir auch folgendes Beispiel nehmen: Spaziergang am Waldrand, ganz allein, keine Gefahr weit und breit, Hund läuft frei, Reh springt aus dem Wald und läuft davon, Hund will hinterher. Es geht mir gar nicht um Leinenfreiheit sondern um diesen Moment, wo der Hund etwas tut was der Mensch unterbinden muss/sollte und wie darauf reagiert wird. Du hast natürlich recht, dass es auch sehr viele Situationen gibt, die sich vorab ankündigen und wodurch man dann natürlich die Möglichkeit hat, frühzeitig reagieren zu können. Beobachten und sich gemeinsam Zeit dafür nehmen finde ich zum Beispiel auch super. Das erscheint mir auch extrem sinnvoll, das ist allerdings ja kein spezieller UR-Ansatz sondern dazu wird generell oft geraten
Mich stört bei der Fragestellung, dass mit der Wortwahl "unterbinden" schon automatisch eine Richtung vorgegeben wird. Ich verbinde damit die Vorstellung eines Kommandos, das unbedingt befolgt werden muss, wie Joe Cool es auch beschrieben hat, aber auch verbieten, abbrechen.
Ein Rückruf soll doch etwas Positives sein. Klassisch wird dafür ein Superleckerli verwendet, damit der Hund es auf jeden Fall reizvoller findet, zum Halter zu kommen.

Soweit ich den Ulliweg bisher verstanden habe, trainiert man dem Hund bestimmtes Verhalten für Rehbegegnungen an. Wie schon geschrieben Stehen bleiben, Anzeigen, Beobachten. Für die Dauer des Trainings ist (Schlepp-) Leine Pflicht, wie bei jedem Training für solche Situationen. Danach wird der Hund dem Reh eben nicht mehr hinterherlaufen.
Der Ulliweg ist ja nicht frei von Training, eher im Gegenteil. Man trainiert aber Dinge, die der Hund eh gerne tut, statt sich etwas auszudenken, auf das der Hund von sich aus eher nicht käme.
 
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Kirsten
23. Mai 20:51
Das Beispiel war vielleicht blöd gewählt. Mir geht es einfach um eine Situation, die ein schnelles Handeln/eine schnelle Reaktion vom Menschen erfordert um eben schlimmeres zu verhindern. Gerne können wir auch folgendes Beispiel nehmen: Spaziergang am Waldrand, ganz allein, keine Gefahr weit und breit, Hund läuft frei, Reh springt aus dem Wald und läuft davon, Hund will hinterher. Es geht mir gar nicht um Leinenfreiheit sondern um diesen Moment, wo der Hund etwas tut was der Mensch unterbinden muss/sollte und wie darauf reagiert wird. Du hast natürlich recht, dass es auch sehr viele Situationen gibt, die sich vorab ankündigen und wodurch man dann natürlich die Möglichkeit hat, frühzeitig reagieren zu können. Beobachten und sich gemeinsam Zeit dafür nehmen finde ich zum Beispiel auch super. Das erscheint mir auch extrem sinnvoll, das ist allerdings ja kein spezieller UR-Ansatz sondern dazu wird generell oft geraten
Hund will hinterher oder Hund geht einfach hinterher? 😄

Im ersten Fall würde ich davon ausgehen, dass du ähnliche Situationen schon einige Male (angeleint) durchgemacht hast, wenn du den Hund dort ableinst. Das du schon ein Gefühl dafür bekommen hast, was für euch taugt und was nicht und das die meisten Dinge die dir für die Zusammenarbeit dienlich erscheinen ausreichend in Fleisch und Blut übergegangen sind, um sie intuitiv zu benutzen. Ansonsten wird es wohl kaum funktionieren und du hast verloren.
Meine Hündin beobachtet sehr gerne, da würde ich schauen, ob es für sie in Frage kommt, dass fliehende Reh zu beobachten, oder ob die Dynamik zu sehr triggert und es dafür zu nah ist.
Muss sie in Bewegung bleiben würde ich einen Richtungswechsel vorschlagen und dabei nicht am Tempo sparen, also zum Wild hin, aber eben nicht auf direktem Weg, (damit es fliehen kann). Dann entgegengesetzt auf die Rehspur schicken, sobald es möglich ist.

Hab ich zum Glück noch nicht am Reh testen müssen, aber bei einem Eichhörnchen ist mir das so ähnlich passiert, als es einen Meter vor uns über den Weg geflitzt ist 😅 Wir sind hier aber auch mittlerweile einigermaßen gut Eichhörnchen erprobt und ich habe Mira über die Gegenspur wieder zurück auf den Weg bekommen.
Aus dieser Situation kann ich bestätigen, was die Ulli schreibt.
Nämlich das Hunde in dieser Hochstimmung sehr empfänglich für die Signale ihrer Jagdpartner sind. Da funktioniert erstaunlicherweise einiges, was man nicht für möglich halten würde, wenn man denn wirklich auch einsteigt und nicht mit einem Fuß auf der Bremse bleibt.

Beim Reh sind wir (vermutlich) nicht soweit, deswegen bin ich lieber vorsichtig und leine an, statt mich eben hinterher zu ärgern. Mit mir würden sehr sicher die Nerven durchgehen.


Wenn der Hund schon abgedüst sein sollte ist der Drops da noch was zu machen ohnehin gelutscht.
Dann bleibt nur noch Anfeuern und an der Jagd verbal beteiligen und sobald sich ein günstiger Moment ergibt eben wieder eins der Signale wie Handhoch oder Richtungswechsel anzubringen. Durch gute Stimmung bei dir kannst du zumindest eine frühzeitiges Zurückkehren erleichtern.