Ich würde hierauf dann doch gerne mal für eine konkrete Situation nachfragen.
Du schreibst „sehen wir ihn als Freund, dem wir auch dann versichern möchten, dass wir in solchen Situationen bei ihm sind“, das ist aber ja schlicht nicht immer umsetzbar.
Gehen wir wirklich mal in Extremsituationen und weg vom „einfachen“ Alltag.
Nehmen wir an, dein Hund versucht auf die Straße in den fließenden Verkehr zu laufen, weil auf der anderen Seite ein anderer Hund oder eine Katze etc. ist.
Wie würdest du dadrauf reagieren?
Kirsten hat das Wesentliche schon geschrieben, wenn Gefahr droht, ist die Leine dran.
Geht der Hund hinter Wild her, zweifle ich auch den angeblich perfekten Rückruf an. Ich habe es oft genug erlebt, dass der Rückruf, der sonst super funktioniert hat (weil man nah genug am Hund war, den richtigen Moment erwischt hat, ...), bei wegrennendem Wild völlig ins Leere läuft. Es gibt zu viele Dinge, die passen müssen, damit es klappt.
Deshalb verfolge ich lieber den Weg, dem Hund das erwünschte Verhalten bezüglich Wild beizubringen. Stehen bleiben, beobachten, vorstehen, Sitz, Platz sind alles Möglichkeiten, ohne dass der Hund das Jagen komplett abbrechen muss. Es gibt mir die Möglichkeit, zum Hund zu gehen, und ihn zu sichern, bevor wir irgendwann die Jagdsequenz beenden.
Ich habe aber noch ein anderes Beispiel aus der Praxis, auf das ich den Ulliweg übertragen habe: Nala's Kot fressen.
Nala, nimmersatter Labbi, läuft wie ein Staubsauger herum, und schnappt sich mit Vorliebe herumliegenden Kot. Wir haben sie jetzt fast 3 Jahre und alle möglichen Traingsansätze durch. Es ist möglich, ohne Kotfressen mit ihr zu gehen, wenn man sie die ganze Zeit beobachtet und beim leisesten Anzeichen das Schnüffeln unterbricht, meistens beanspruche ich die Stelle dann für mich.
Wenn sie im Freilauf ist, wird naturgemäß der Abstand zu ihr größer. Bekomme ich nicht mit, dass sie großes Interesse zeigt, hat sie schnell was im Maul.
Das einzige, was dann hilft, ist, den Kot im Maul zu ignorieren, und sie so fröhlich-freundlich wie möglich zu mir zu rufen. Wenn ich Glück habe, hat sie noch nicht geschluckt, dann können wir ein wiederum fröhliches Tauschgeschäft machen.
Jeder Anflug von Ärger, jedes scharfe Wort, jeder Kommandoton bewirkt nur, dass sie die Distanz vergrößert und so schnell wie möglich schluckt.
Unser langfristiger Weg ist das Anzeigen von Fressbarem. Im Garten zeigt sie mir schon zuverlässig jeden Kothaufen an (sehr praktisch vor dem Rasen mähen), das müssen wir nun noch auf Spaziergängen festigen. Sie hat Spaß an dieser Aufgabe, dadurch ist es für sie wohl auch ein akzeptabler Weg. Seit wir das trainieren, sehe ich ihr Interesse an den Kothaufen als etwas, was ihr extrem wichtig ist, arbeite mit ihr daran, wie sie sich dabei verhalten soll, und kämpfe nicht mehr dagegen. Dadurch fällt es mir sehr viel leichter, dabei ruhig und fröhlich zu bleiben.