Und da ist wieder das, was ich mit schwammig oder unscharf meine.
Macht ist eben nicht gleich Machtmissbrauch, sie entsteht nicht durch autoritären Führungsstil und verschwindet nicht durch einen weniger autoritären Führungsstil.
Dem Begriff Führung wohnt inne, dass auf der einen Seite Leute sind, die eine Richtung vorgeben und auf der anderen Leute, die dieser Vorgabe folgen (sollen).
Damit ergibt sich unweigerlich ein Machtgefälle im Sinne der Gewichtung der Meinungen und Entscheidungen.
Sobald das nicht mehr so ist, gibt es keinen Führer mehr, sondern Leute, die zufällig oder durch basisdemokratischen Beschluss in die selbe Richtung gehen.
Wenn ein Lebewesen nicht als eigenverantwortlich gilt, sondern jemand anders für dessen Handlungen die Verantwortung übernimmt, ist das die exakte Bedeutung von Unmündigkeit.
Und jemand stärken kann man auch wieder nur aus der Position des Stärkeren heraus, was wiederum ein Machtgefälle konstituiert.
Nochmal - ich finde es theoretischcinkorrekt und praktisch problematisch, Entscheidungsmacht mit grobem Machtmissbrauch gleichzusetzen und im Umkehrschluss aus der Abwesenheit eklatanten Machtmissbrauches echte Gleichberechtigung oder Willensfreiheit abzuleiten.
Wieso du in diesem Zusammenhang Religion, Esoterik und Romantik ins Spiel bringst, kann ich nicht recht nachvollziehen.
Es geht für mich um die korrekte Beurteilung von Beziehungsstrukturen, das hat imho überhaupt nicht mit Esoterik etc zu tun...?
Die Behauptung, dass jede Form von Führung zwingend ein Machtgefälle im Sinne asymmetrischer Entscheidungsmacht impliziere, ist soziologisch, entwicklungspsychologisch und führungstheoretisch nicht haltbar.
Moderne Konzepte sozialer Führung – z. B. aus der systemischen Pädagogik, Psychologie oder eben der kooperativen Mensch-Tier-Beziehung – zeigen, dass Verantwortungsübernahme sehr wohl ohne dominante Kontrolle möglich ist.
Übrigens: Ich habe an keiner Stelle Macht mit Machtmissbrauch gleichgesetzt – das wäre eine unzulässige Verkürzung.
Ich kritisiere nicht Macht an sich, aber ein Führungsverständnis, das Verlässlichkeit über Kontrolle erzeugt und auf strukturelle Überordnung statt auf Beziehung setzt.
Das ist ein Unterschied – nicht nur sprachlich, sondern ethisch wie funktional.
Neo ist für mich kein „Objekt der Durchsetzung“, sondern ein kommunikativer Partner.
Wenn er in schwierigen Situationen (etwa bei Hundebegegnungen) auf meine Idee nicht einsteigen kann, bringt Druck gar nichts – es kostet nur Verbindung. Und davon habe ich früher sicher einiges eingebüßt.
Ich frage heute aber nicht: Wie setze ich mich durch?, sondern: Was fehlt ihm, damit er folgen kann?
Manchmal ist es einfach ein besseres Timing. Und manchmal ist die beste Lösung, es heute zu lassen.
Führung heißt für mich gemeinsam tragfähige Antworten zu finden.
Das ist anspruchsvoll und zeitintensiv.
Wenn Neo heute auf engem Raum Hundebegegnungen aushalten kann, mit einem Ohr bei mir, dann nicht, weil ich mich durchgesetzt habe – sondern weil wir einen Weg gefunden haben, der für uns beide funktioniert.
Edit: Was ich mit Esoterik oder Romantik meinte, war eine ironisch gespickte Abgrenzung zu einer wissenschaftlich fundierten Sicht auf Beziehung und Führung: Es geht mir um reale, nachvollziehbare Prozesse, nicht um mystische oder ideologisch gefärbte Verbundenheit.