Gestern waren wir im Café. Über unseren Tisch hinweg kam eine Krähe eingeflogen, landete zunächst auf der Rückenlehne eines Stuhls zwischen unserem Tisch und dem Nachbartisch. Das wurde von mir kommentiert mit den Worten „ach, eine Krähe, die hab ich auch gesehen.“
Krähe hüpfte dann auf den Nachbartisch, checkte die Lage, was auf dem Geschirr noch brauchbar war. Pickte sich ein Kaffeesahnebecherchen, positionierte es so, dass sie es aufhacken und die Milch trinken konnte. Ab dem Moment habe ich gefilmt.
Nach dem Schwenk auf Kaisa ging es mit der Krähe so weiter, dass sie sich das nächste Kaffeesahnebecherchen schnappte und damit auf den Boden vor unseren Tischen flog, dort wieder den Becher positionierte, aufhackte, trank.
Mein Bein im Video dient ganz klar nicht als eine Schranke, sondern war bereits seit längerer Zeit über das andere Bein übergeschlagen und am Tisch-Gestänge bequem abgestellt.
Kaisa hat ohne jegliche Ermahnung, Kontrolle, Druck oder Zwang einfach nur die Krähe in ihrem Tun beobachtet.
Früher wären durchaus Gläser umgefallen, hätten sich Menschenknie und Hundekopf gestoßen und hysterisches Gekläff hätte ein gemütliches Kaffeetrinken abrupt beendet.
Das aktive Suchen und Zeigen von Reizen, dann das Aushalten üben der Reize an Ort und Stelle ist tatsächlich unser Weg der Wahl geworden.
Ich hab sogar mittlerweile fast den Eindruck, dass Kaisa diesen Weg als sinnvoll angenommen hat - denn auf unsere Art hat sie auf eine recht lange Zeit die Gelegenheit, vom anderen Tier zu profitieren. Ja, sie darf nicht hinterher, sie darf nicht hetzen. Lange schnuppern und gucken zu können scheint aber auch ein zumindest kleiner Ersatz zu sein.
Ich kann mich Kirsten und Sonja nur anschließen – das Verhalten deiner beiden Hunde in der Situation find ich total super 👍🏻 🥰 und sehr aufschlussreich für die Frage, wie sich Selbstregulation mit der Zeit entwickeln kann. ☺️
Das wirkte eben nicht wie „zurückgehalten“, sondern wie aktives Teilnehmen am Geschehen – ohne eskalierende Handlung. Für mich ein schönes Beispiel dafür, dass Beobachten, Warten, Aushalten ein eigenständiger, sinnvoller Modus werden können.
Wir hatten gestern einen ganz ähnlichen Moment: Ein Reh stackste keine 20 Meter entfernt über die Wiese – beide Hunde angespannt, aber noch kontrolliert. Als es dann plötzlich lossprang, ist vor allem Neo impulsiv in die Leine gesprungen, hat gebellt, war ziemlich aufgedreht – Rehe sind einfach Endgegner.
Ich bin stehen geblieben, habe gewartet, bis er sich umdreht, und dann ruhig bestätigt. Das umdrehen erfolgt in zunehmend kürzeren Abständen und stellt für mich schrittweise Erfolge dar. Joona springt mittlerweile nicht mehr in die Leine - seit sie allerdings altersbedingt kaum mehr hört, bellt sie wieder vermehrt - Körperkontakt bringt sie aber recht gut runter.
Wichtig ist, die Begegnungen verlaufen ohne Drama, kein hektisches Eingreifen meinerseits und eben keine Kontrollillusion.
Mir geht es inzwischen viel mehr darum, solche Szenen gemeinsam durchzustehen, ohne dass die Hunde sich völlig verlieren. Das ist für uns wirklich ein Perspektivwechsel und seitdem wirkt vieles einfach harmonischer.
Vielleicht ist das tatsächlich der Punkt: dass der Hund lernt, dass Aushalten, Beobachten und bei sich bleiben etwas bringt – weniger als Ersatzhandlung, vielmehr als Teil einer selbstregulierten Strategie.