Es kommt auf das Problem an, würd ich mal sagen. Es gibt Leute, die geben einen Welpen ins Tierheim, weil er zu aufdringlich und distanzlos ist. Rehpinscher, der einfach nur kuscheln und nah bei seinen Menschen sein will. Es gibt Menschen, die verkaufen ihren Gebrauchtwagen mit Hund im Kofferraum, der dann nach Tagrn mal gefunden wird. Es gibt Halter, die binden ihre ungechippten Tiere einfach vorm TH an, weil er nicht in ihre Urlaubspläne passt. Andere ziehen das an Raststätten durch und die Tiere verdursten elendig. Das ist Mist, keine Frage.
Aber diese allgemeine Geisteshaltung ›Wer seinen Hund abgibt, hat ihn nie wirklich geliebt/es eh nie versucht/hat vorher nicht nachgedacht/geht bestimmt auch mit Menschen scheiße um/‹ und so weiter, das find ich als Grundannahme auch widerlich, arrogant und wahrscheinlich haben viele, die das hier so leichtfertig von oben herab schreiben keine Erfahrung mit wirklich schwierigen Hunden.
Aber gerade die Kombination Hund-Kind, wenn es da brenzlig wird, kann ich gut verstehen, dass Eltern nicht noch den Nerv haben, da wochenlanges Training durchzuziehen. Während trainiert wird, hat man permanent die Gefahr im Hinterkopf, was ist, wenn es doch schief geht. Dazu der ganz normale Stress mit Hund und Neugeborenen, der schon allein manchen Menschen an die Grenze bringt. Und dann noch auf einem Mienenfeld hocken, weil der Hund womöglich droht, Menschen anzugreifen, weil er den Kinderwagen verteidigt, oder sogar das schreiende Kind überlegt maßzuregeln? Meinen Respekt an jeden, der das geregelt kriegt! Aber ich würde auch niemanden verurteilen, der in dieser Situation kapituliert, weil das Risiko ihm zu groß ist.
Dann Szenario 'neue Wohnung'. Nehmen wir mal folgendes Szenario an: Familienvater muss beruflich bedingt in ein Ballungsgebiet ziehen, Frau ist zuhause bei den Kindern, ohne eigenes Einkommen. Sie suchen nach einer neuen Wohnung, wo Hundehaltung erlaubt ist, finden aber nichts bis zum Stichtag. Soll der Mann nun die finanzielle Sicherheit seiner Familie riskieren und den Job schmeißen, in der Hoffnung, dass er was Neues findet, das besser zum Hund passt? Es gibt Menschen, die diese Entscheidung so treffen, aber ich finde es in solch einer Situation auch nicht verwerflich, darüber nachzudenken, dann eben den Hund abzugeben, meist übrigens SEHR schweren Herzens und mit viel Engagement bei der Suche nach einem guten Zuhause.
Ich habe mich früher auch immer über die Vorbesitzer meines Hundes echauffiert. Mit Erstbesitzer vier an der Zahl. Man wisse doch, was man sich mit einem HSH ins Haus holt. Sie wären doch vorher aufgeklärt worden. Was es bedeutet, vier, fünf Wochen mit einem Tier unter einem Dach zu leben, dass bei falscher Bewegung dazu übergeht, geliebte Menschen von mit zu attackieren, ständig auf der Hut zu sein, um dazwischengehen zu können, auch draußen erstmal mit jeder Regel infragegestellt zu werden, das komplette Sozialleben um den Hund planen zu müssen, kranke/sterbende Familienmitglieder nicht besuchen zu können, weil Hund mitnehmen absolut keine Option war und Alleinbleiben noch trainiert werden musste, Besuch über Wochen gar nicht empfangen zu können, auch heute noch nur in Kombination mit einem Aufenthalt in einer Hundepension für den Hund oder extremer Wachsamkeit und Konzentration auf meiner Seite - was das bedeutet, das begreift man erst, wenn man es erlebt. Ich mache den Vorbesitzern keine Vorwürfe mehr, auch wenn definitiv vermeidbare Fehler passiert sind.
Natürlich bedeutet ein Hund Verantwortung, er bedeutet auch Anpassung des Menschen, aber ich habe Verständnis, dass Kompromisse und Anpassung ihre Grenzen haben und werde da nicht allgemein über Menschen urteilen, die an diese Grenzen gestoßen sind. Hab ich nicht nötig, um mich als toller Mensch zu fühlen, nur weil ich meinen Hund behalten habe. Ich habe ein Umfeld und bin in einer Lebenssituation, die mir das möglich gemacht hat. Das war Glück und mein Privileg. Mehr aber auch nicht.