Hallo Miriam, lässt sich der hilfreiche Ansatz deiner Züchterin hier die darstellen, dass Lena sich da vlt. was rausziehen kann?
Gruß an deinen Hübschen 😊.
Hallo liebe Elke, Grüße an dich und Jamie zurück 🤗
Gerne teile ich meine Erfahrungen nochmal genauer, allerdings würde ich jeden, der hier mitliest, bitten, das nicht als persönlichen Angriff aufzufassen. Das sind wirklich nur meine persönlichen Erfahrungen und Tipps, die uns geholfen haben. Das heißt nicht, dass das für jeden Hund und Halter die richtige Herangehensweise ist.
Außerdem wird das nun etwas länger. Erstmal muss ich erklären, was unsere Ausgangslage war und wie wir auf den für uns richtigen Weg kamen. Ansonsten machen meine Tipps leider nicht so viel Sinn. 🙈
Wer nicht so viel lesen will, geht bitte zum nächsten Beitrag, da fasse ich es ganz knapp zusammen.
Aber nun zum Punkt 😄
Als ich Koya damals zu uns holte, war ich total davon eingenommen, alles richtig machen zu wollen. Mir war bewusst, dass Elos gerne mal einen eigenen Kopf haben und die Größe zu Problemen führen kann, wenn man sie nicht konsequent erzieht. Ich war also von Anfang an sehr konsequent und auch streng mit Koya. Er zog bei uns ein, es gab eine genaue Routine, Raumverwaltung, Gehormsamkeitstraining, Leinenführigkeitstraining, Impulskontrolle, einfach alles was zu konsequentem Training dazugehörte. Anfangs lief das meiner Meinung nach super. Koya war der Musterschüler in der Hundeschule, jedes Kommando saß perfekt.
Dann fing mit 6 Monaten plötzlich „rüpliges“ Verhalten an. Vor allem nach seinem Kotabsatz rannte er wie von der Tarantel gestochen herum und sprang mich an. Damals konnte ich ihn mit dem Knie noch wegschubsen. Das machte ich ein paar Mal, dann war es weg.
Mit 10 Monaten war er dann schon deutlich größer, ich hatte mir den Fuß verletzt, so dass mein Mann mit ihm spazieren gehen musste. Eines Abends kam mein Mann von der letzten Runde mit ihm heim, hatte eine blutige Nase und Kratzspuren am Arm. Er sagte, dass er aus dem nichts ihn plötzlich ansprang, gebissen hat und ihm im Übermut eine Kopfnuss gab. Das hat mich natürlich total schockiert und uns war damals schon bewusst, dass das nicht „aus dem Nichts“ kam, aber es für uns keinen wirklichen Auslöser gab.
In der Hundeschule wurde uns gesagt, Koya wäre ein Rüpel, würde uns nicht ernst nehmen, uns kontrollieren, die Führung übernehmen und maßregeln. Uns wurde gesagt, dass wir zu lasch wären und wir zukünftig strenger sein sollten. Eine Odyssee von strengen Regeln begann und ich schäme mich heute sehr dafür, wie wir damals mit dem noch nicht ausgewachsenen jungen Hund umgegangen sind. Er durfte nur noch dort schlafen, wo wir es ihm erlaubt haben, er musste nach uns zur Tür hinaus, er durfte nicht mehr von der Leine. Futter gab es nur noch für Tricks und Kopfarbeit. Jegliches Verhalten, das unerwünscht war, wurde streng abgebrochen und gemaßregelt. Wir sollten ihm ja zeigen, dass „wir das Sagen haben und bestimmen, was richtig und falsch ist.“ Unser Problem wurde immer schlimmer, die Trainer sagten, dass das normal wäre und wir einfach nur dran bleiben müssten. Das würde Monate dauern, bis sich dieses Verhalten bessern würde.
Irgendwann war ich so verzweifelt, dass ich unseren Züchtern schrieb. So konnte ich Koya nicht behalten. Wir sind dann bei ihnen vorbeigefahren, haben ihm Videos von Koyas Verhalten gezeigt und sind danach 10 Minuten spazieren gegangen. Den Spaziergang hat er dann abgebrochen, mit den Worten: „Für mich ist das eine glasklare Sache: Dein Hund liebt dich, er himmelt dich an, will dir alles recht machen, aber nichts, aber auch gar nichts, ist genug für dich. Er fragt sich, weshalb er überhaupt bei euch ist, wenn du ihn doch so überhaupt nicht ausstehen kannst“. Die Worte haben gesessen, natürlich flossen die Tränen, immerhin wollte ich das Koya niemals so übermitteln!
Er behielt Koya für eine Woche, damit ich mir ein paar Gedanken über seine Worte machen konnte, erfuhr, wie es war, wenn Koya mal nicht bei mir war. Natürlich schaute er in dieser Woche auch, ob es bei Koya im Wesen Mängel gab, ob er auch bei ihnen auffälliges Verhalten zeigte. Das war nicht der Fall, es lag also komplett an uns und nicht am Hund.
Als wir ihn wieder abholen durften, hat er mir keine konkreten Tipps gegeben, sondern mich darum gebeten, meine komplette Einstellung zu Hunden und Hundeerziehung zu überdenken. Hunde sind keine Roboter, sie haben Bedürfnisse, Ecken und Kanten, haben auch mal Flausen im Kopf. Dazu kommt, dass Koya kein Hund ist, der gerne stumpf Regeln befolgt. Er ist ein Hund, der gerne ausprobiert, erfindet, eigene Lösungen sucht, herumalbern will und eine Aufgabe braucht, bei der er selbst in Aktion und nicht Reaktion ist.
Seine „Diagnose“ war also: Fehlende Bindung und falsche Auslastung.
Eine einfache Lösung für dieses Anspringen gab es für uns also leider nicht. Wir mussten komplett alles wieder auf den Kopf stellen und quasi von 0 anfangen. Alle Regeln? Erstmal über Bord geworfen. Bei uns gibt es nun nur noch Regeln, die für unseren Hund Sinn ergeben. Er läuft vor mir aus der Tür, weil er ein Wachhund ist und sich lieber selbst in Gefahr bringt, als mich in Gefahr zu bringen.
Bei uns gibt es keinen „Chef“ mehr. Wir sind eine Familie und jedes Familienmitglied hat Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen. Koya will kuscheln? Dann darf er auf die Couch und wir kuscheln. Wenn er raus muss, dann gehen wir raus und warten nicht, bis er teilnahmslos irgendwie herumliegt, nur damit er nicht „den Spaziergang einfordert“. Natürlich darf er mir sagen, dass er sein Geschäft machen muss. Ich habe gelernt, dass es einen Unterschied zwischen lieb fragen und forderndem Verhalten gibt. Und natürlich darf mein Hund nach einem Kauartikel fragen, fragen ob er kuscheln kommen kann oder ob wir etwas zusammen unternehmen können. Ich finde es toll, dass er mir seine Bedürfnisse mitteilt! Und er findet es super, dass ich ihn lesen kann, weiß was er von mir möchte und ich ihm diese Bedürfnisse auch erfülle. Das macht mich für ihn zu einem verlässlichen Partner.
Auch ganz wichtig: Einfach mal die Kirche im Dorf lassen und gemeinsam Spaß haben. Ich habe das Gehorsamkeitstraining erstmal komplett sein gelassen, wir haben erstmal nur Dinge gemacht, die ihm und mir Spaß gemacht haben. Wir haben ganz viel gespielt, gekuschelt, sind zusammen gerannt, haben rumgeblödelt und rumgealbert. Korrekturen habe ich mir erstmal komplett verkniffen. Bis heute korrigiere ich Verhalten kaum, weil es dafür auch keine Notwendigkeit mehr gibt.
Ich belohne jedes Verhalten, das gewünscht ist, sofort und richtig deutlich mit Lob, Leckerchen, Lächeln und/oder Körperkontakt. Ich warte also nicht, bis Koya an der Leine zieht, sondern belohne so lange die Leine locker ist. Ich warte nicht darauf, dass Koya langweilig ist und er anfängt, Stöckchen zu knabbern, sondern bleibe mit ihm in der Interaktion, spreche mit ihm, lass ihn Leckerlies jagen, renne mit ihm, einfach alles, was ihm gefällt. Ich sage dazu „Ich gebe ihm Ideen, bevor er selbst auf dumme Ideen kommt“.
Wenn er etwas doof findet, dann lassen wir das eben und ich zwinge ihn nicht dazu, nur weil ich möchte, dass er das tut. Wenn er links laufen will, dann laufen wir eben auch mal links. Wenn er wo schnüffeln will, dann darf er eben auch mal schnüffeln. Ich rufe ihn nicht ohne Sinn zurück, einfach nur, weil ich will, dass er zurückkommt.
Ich zeige und sage ihm immer wieder, wie sehr ich ihn mag, ich gehe auf seine Bedürfnisse ein, versuche diese so gut es geht zu erfüllen.
Wir gehen seitdem auch gemeinsam ins Mantrailing. Dort hat er gelernt, dass es völlig in Ordnung ist, auch mal selbst die Führung zu übernehmen, weil er manche Dinge einfach besser kann als ich. Als Team führt mal der eine und dann auch mal der andere. ☺️
Heute ist auch seine Nervosität weg, er hat keinen Durchfall mehr. Ist wieder Musterschüler, Streber und Kuschelbär. Das Fehlverhalten, seine Nervosität und auch der Durchfall kamen also einfach von der fehlenden Bindung zu mir.
Diesen einen Tipp gibt es also leider nicht, sondern der Ursprung des Problems liegt im Umgang im Alltag miteinander und an den oft viel zu hohen Ansprüchen an Hund und Halter. Auch im Austausch hier auf Dogorama habe ich ein paar Leute kennengelernt, die ähnliche Hunde haben. Hunde die keine Ruhe und Sicherheit davon erhalten, Kommandos befolgen. Das sind Hunde, die selbstbewusst und selbständig denken und agieren. Diese Hunde kann man nur Gewissheit in einen Gehorsam bringen. Dinge, die für sie keinen Sinn ergeben, werden sie nicht befolgen und sie lassen sich auch nicht im Willen brechen, sondern wehren sich, wenn es unfair wird. Oftmals sind das urtypische Hunde, HSH oder auch Terrier. Samu passt da auch ins Bild, finde ich.
Einen Notfalltipp habe ich mir aber erarbeitet. Immerhin dauert es eine Weile bis sich eine gute Bindung aufbaut: Wenn Koya gesprungen ist, habe ich nicht geschimpft, ich habe nicht geschrien, habe ihn nicht korrigiert oder ihn gar körperlich oder körpersprachlich gemaßregelt. Ich habe seine Aufmerksamkeit auf ein Leckerchen gelenkt, ruhig und liebevoll mit ihm gesprochen und ihn langsam mit dem Leckerchen auf den Boden geführt. Dabei hat es auch geholfen, mit ihm zusammen runter zu gehen, also in die Hocke zu gehen, so dass wir beide auf Augenhöhe waren. Sobald er unten war, bekam er das Leckerchen und wir machten sofort darauf wieder positive Dinge.
Und nein, damit habe ich nicht sein Springen belohnt, sondern ihm gezeigt, dass ich seinen Hilfeschrei (und nichts anderes ist dieses Anspringen und Beißen) verstanden habe und wir nun den Reiz, der seinen Stress ausgelöst hat, beenden, uns entfernen oder mit etwas Positivem ausgleichen.
Ich hoffe das war ein bisschen hilfreich, auch wenn ich keinen konkreten Tipp habe. 😢