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Moana
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Anzahl der Antworten 23
zuletzt 20. Mai

Tierschutzhund mit (Leinen)Aggression

Hallo zusammen, haben seit zwei Monaten eine Hündin aus dem Tierschutz, die fast 3 Jahre alt ist. Zu Hause ist sie ein sehr lieber und verkuschelter Hund. Der Rückruf klappte bereits von Anfang an, ohne dass wir es konkret trainiert hätten. Auch auf andere sowohl körpersprachliche Signale als auch verbale Kommandos wie „Nein“ „Decke“ etc. reagiert sie total gut. Sie ist auch überhaupt nicht scheu, sondern sehr neugierig und ist, als wir sie gerade neu hatten, sofort in jeden Raum gelaufen, um alles zu erkunden. Menschen gegenüber ist sie grundsätzlich extrem aufgeschlossen. Nun jedoch zu dem „Problem“. Draußen ist sie wie ausgewechselt. Sie scannt die Umgebung immer extrem, zieht sehr stark ab der Leine und ist völlig angespannt und wenn sie auch nur einen Hund in der Ferne sichtet, fängt sie an zu kläffen und lässt sich nicht beruhigen. Nach Einschätzung der Hundetrainerin ist das wohl auf ihre Straßenhundvergangenheit zurückzuführen. Sie wäre wohl ein Vermeidertyp und wir durch uns und die Leine auf Gassirunden jetzt in Situationen gebracht, in die sie sich nicht begeben würde und reagier dann dementsprechend. Als Übung sollen wir jetzt immer einen großen Bogen um Hunde machen, uns mal einfach nur mit ihr irgendwo hinsetzen, sie an der Brust halten und ihr sozusagen Sicherheit vermitteln. Denn laut Trainerin muss sie lernen uns zu vertrauen, da sie aktuell wohl denkt, sie hätte die Verantwortung für uns und müsse alles für uns regeln. Das extrem belastende dabei ist, dass wir noch einen Ersthund haben, der gar keine Probleme bereitet, aber sich von ihrem Verhalten ansteckend lässt. Daher sollen wir auch immer getrennt Gassi gehen, da er sich sonst ihr schlechtes Verhalten abguckt. Mit unserem Ersthund versteht sie sich total gut, genauso mit Hunden von Freunden. Wir trainieren jetzt bereits seit ca 5 Wochen mit ihr und sehen bisher leider keinerlei Besserung. Manchmal haben wir den Eindruck, dass sich ihr Verhalten eher verschlimmert. Da der nächste Trainertermin erst in 4 Wochen ist, hier meine Frage: Hat jemand ähnliche Erfahrungen oder kann vielleicht Tipps geben, wie wir damit umgehen sollen/können? Vielen Dank euch!
 
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Dicki
19. Mai 22:28
Hei, ich hatte das Problem auch. Mein Ersthund war super entspannt, abrufbar, immer ohne Leine usw. und dann kam Casper, ein Podengo aus Portugal oder wie ich immer sagte, der Rocker vom Süden. Caspar hat sogar Mülltonnen auf dem Bürgersteig ausgebellt wenn die abends rausgestellt wurden während wir unterwegs waren und wieder nach Hause kamen. Die Trainerin sagte ebenfalls mit Leckereien trainieren, das hat Casper draußen gar nicht interessiert. Der hat nicht mal daran geschüffelt. Ich war sogar mit Käse, Leberwurst, Würstchen und ChickenNuggets unterwegs. Nix. Erst als ich an mir gearbeitet habe, selber nicht mehr nervös wurde wenn ich einen Hund o.ä.gesehen habe, einfach ganz normal weitergegangen bin, ohne an dem Leinenzug was zu ändern, meinen Schritt zu verändern o.ä.trotzdem wenig Abstand genommen habe aber ohne das er ws bemerken sollte wenn ein Hund kam oder irgendwas neu bzw. anders war, hat es funktioniert. Aber es hat auch 9-10 Monate gedauert. Geduld und Ruhe sind meiner Meinung nach die Lösung. Ich war damals alleinerziehend mit 2 Hunden, Gassigehen getrennt wäre mir bei 3 Runden (Podengo braucht ordentlich Auslauf) gar nicht möglich gewesen... Fazit: Wurde Caspar nervös, wurde ich umso ruhiger, bin aufrecht ohne mit ihm zu sprechen weitergegangen und wie schon viele geschrieben haben, habe auch ich ruhige Strecken gewählt. Nach etwas mehr wie 1 Jahr konnte er ohne Leine laufen wenn er nicht abhauen konnte am Deich z.B. oder Strand etc. (musste immer alles erkunden) . Nach ca. 5 Jahren immer leinenfrei. Ich drücke die Daumen, wünsche Dir starke Nerven und freue Dich über jeden Fortschritt und gebe euch beiden Zeit. LG
 
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Nadine
20. Mai 10:26
Danke dir! Habe gesehen, dass du fünf Hunde hast?! Wie hast du (oder trainierst aktuell auch immer noch) das dann mit Mable und den anderen Hunden trainiert? Wir gehen halt aktuell echt getrennt Gassi, weil unser Ersthund sich ihrer Anspannung total annimmt und auch vom Verhalten her ganz anders ist wenn er mit ihr unterwegs ist oder wir nur mit ihm alleine gehen. Es ist halt leider extrem zeitfressend entweder doppelt Gassi gehen zu müssen und auch super schade immer getrennt gehen zu müssen, weil man ja eigentlich gerne zusammen die Runde macht
Die anderen Hunde sind ihre Vorgänger gewesen 🙏❤️ aktuell leben bei uns Mable und Mogli😊 Mable hat 5 Jahre in schlechter Haltung gelebt und nichts kennen gelernt, daher reagierte sie so ungestüm. Wir gehen manchmal getrennt. Aber eher selten. Wir haben lange trainiert und es ist sehr viel besser geworden als früher. Socialwalks haben da auch zu beigetragen. Sie trifft regelmäßig ihre Besties und damit ist sie fein. Wir zwingen ihr fremde Begegnungen nicht auf. Sie geht lieber dann wieder in eine andere Richtung. Du kannst hier ja ein Treffen versuchen zu organisieren. Mit souveränen ruhigen hunden, die einfach ohne Kontakt mit euch spazieren gehen. Das wird sicherlich auch helfen.
 
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Alina
20. Mai 20:48
Ich bin seit 1,5 Jahren am Pöbeln mit meinem Tierheimhund dran und mittlerweile an einem Punkt, wo ich sagen kann, dass die meisten Tage gut laufen und das verbleibende Pöbeln sehr häufig einen guten Grund hat (z.B. recht eng und der andere fängt an). Das dauert. Es gibt langfristig zwei Strategien eine Hundebegegnung zu meistern: stehen bleiben und den Hund vorbeilassen oder selber (schnell) vorbeigehen. Letztendlich muss der Hund beides lernen, weil es manchmal ja nicht anders geht, aber jeder Hund hat eine Präferenz und die kann sich je nach Trainingsstand auch ändern. Aktuell sind wir z.B. wieder in einer stehen bleiben Phase. Nach Möglichkeit bleiben wir also stehen, Hund ins Sitz, ich stehe zwischen ihm und dem anderen Hund und halte ihn am Griff vom Halsband fest. Anfang des Jahres viel ihm Vorbeigehen leichter als Abzuwarten, allerdings wird der Abstand auch stetig kleiner, weil er es gut hinbekommt. Zu wissen was dem Hund leichter fällt, hilft euch dann auch weiter. Ansonsten schaut mal nach der 3-3-3 Regel. Euer Hund ist noch in der Eingewöhnung im neuen Zuhause. Das heißt nicht, dass ihr nicht trainieren sollt, aber neben dem Training passiert an der Stelle auch noch viel. Ansonsten führt Tagebuch (es reicht auch wöchentlich oder monatlich) in dem ihr den aktuellen Stand beschreibt oder auf Video aufnehmt. Manchmal hat man das Gefühl einen großen Rückschritt gehabt zu haben, der im Vergleich zum Anfang aber trotzdem ein Riesengroßer Fortschritt ist. Ich bin außerdem ein ganz ganz großer Fan von Ruhetagen. Auch wenn es erstmal nach wenig aussieht, ist das für den Hund enorm anstrengend. Ich mache Max. alle zwei Tage etwas das andere Hunde oder viele Hundebegegnungen involviert und die anderen Tage geht es „nur“ in den Wald/aufs Feld. Am Anfang habe ich an den Pausentagen auch jede Begegnung absolut gemieden, damit der Hund richtig runterfahren kann und es war damals auch eher 1 Tag Training 2-3 Tage Pause. Und recht zeitnah nach der Übernahme habe ich 2 Wochen lang jede Hundebegegnung gemieden und bin einfach einen anderen Weg gegangen, wenn ein Hund kam. In der Zeit habe ich mich darauf konzentriert, dass wir uns gut kennenlernen, die Anfänge der Leinenführigkeit (er hat gezogen wie ein Ochse) und einfach Spaß miteinander haben. Der darf auch nicht zu kurz kommen. In den zwei Wochen konnte er komplett runterfahren und sein Cortison (Langzeitstresshormon) komplett abbauen und somit den allgemeinen Stressspiegel senken. Da kann ich nur zu raten, allerdings solltet ihr das dann mit eurem Trainer absprechen und den nächsten Termin dann etwas nach hinten schieben. Was mir noch geholfen hat, war die eigene Erwartungshaltung runterzuschrauben. Stand letztes Jahr war: er wird nie pöbelfrei sein, mit fremden Hunden spazieren gehen wird nichts, wenn Abstand andere Straßenseite klappen würde wäre wunderbar und er kann nicht mit in den Stall kommen. Das einzugestehen war schwer und da war ich auch geknickt, aber ich konnte dann wesentlich offener mit seinen Fortschritten sein. Und rate mal, wer in den letzten zwei Monaten zweimal mit im Stall war und mittlerweile auf ganz breiten Fuß+Radwegen Hunde vorbeilaufen lässt. Also so etwas nicht komplett aufgeben, aber auch keine falschen Hoffnungen haben. Und wenn man es aufgegeben hat und es dann doch klappt, ist die Freude umso größer. Bei Suko sind es übrigens auch ausschließlich fremde Hunde und Hundebegegnungen mit fremden Hunden. Mit bekannten Hunden ist er freundlich/verträglich, möchte aber dennoch lieber in Ruhe gelassen werden.