Ich hatte eine etwas ähnliche Erfahrung mit meiner Hündin. Vor einigen Jahren hatten wir eine schlechte Erfahrung mit einem aggressiven Hund, der sie erwischt hatte. Glücklicherweise nur eine kleine Platzwunde über dem Auge, da ich schnell genug reagiert hatte. Aber ab da ging es mit meinem lieben Hund bergab, da ich nach dem Angriff anscheinend nicht gut reagiert habe.
Wie auch immer… sie hatte auch angefangen jeden Hund und „seltsamen“ Menschen von vornherein anzubellen und anzugreifen. Also kein ängstliches bellen, sondern klare verletzende Absichten mit nach vorne preschen usw. So nach dem Motto lieber direkt von vornherein in den Angriff, als sich Verteidigung zu müssen.
Irgendwann als es so schlimm wurde, bin ich mit ihr nur noch in einsamen/ruhigen Gegenden spazieren gegangen, damit sie entspannen konnte. Und danach habe ich irgendwann angefangen sie langsam zu konfrontieren. In den ruhigen Gegenden sind wir, sobald wir einem souveränen Hund begegnet sind, mit viel Abstand und nur Sichtkontakt gemütlich hinterher gelaufen. Wenns ihr zu viel wurde habe ich den Abstand vergrößert, wenn sie ruhiger wurde, haben wir uns wieder genähert.
Natürlich ist es unangenehm ungefragt Leuten hinterherzulaufen, wenn man ihre Hunde nicht kennt, deshalb habe ich es auch wirklich nur bei souveränen Hunden gemacht, die vorher Null auf Missy reagiert hatten. Oder ich habe ihr zu Hause kein Nassfutter mehr gegeben und stattdessen gab es die Mahlzeiten nur noch unterwegs beim Gassigehen als Trockenfutter. Dann standen wir irgendwo, wo gelegentlich Hunde vorbeilaufen und ich habe da mit ihr Suchspiele gespielt oder Tricks machen lassen usw und neben dem TF gab es auch hochwertigere Belohnungen und Snacks. Anfangs öfter und mit der Zeit nur noch, wenn sie besonders „brav“ geblieben ist und sich komplett nur auf mich konzentriert hat. Suchspiele, Schnüffelspiele haben ihr draußen besonders gut getan für ihre Konzentration, habe ich festgestellt.
So hat sie mit der Zeit wieder gelernt sich mehr auf mich zu konzentrieren, als auf ihre Umwelt.
Jetzt viele Monate später ist es sehr viel besser geworden. Wir können wieder „teilweise“ entspannt mit anderen Hunden spazieren gehen. Sie „erklärt“ den anderen Hunden anfangs zwar gerne noch laut und deutlich ihre Regeln und dann geht sie einfach ihren Spaziergang alleine neben den anderen Hunden oder neben mir her. Sie will keinen Kontakt zu denen, toleriert sie aber und deshalb reagiert sie nur noch, wenn ihr jemand zu nah kommt. Ich kann sie sogar schon ohne Leine mit anderen Hunden laufen lassen, solange der Abstand respektiert wird, zieht sie ihr eigenes Ding durch. Mittlerweile reagiert sie auch nicht mehr mit verletzenden Absichten, sondern nur nur ganz kurz und knapp, um ihre „Sicherheitszone“ zu bewahren. Leises Knurren, Zähne zeigen oder maximal noch kurz nachschnappen, ohne zu beißen aber, bei besonders hartnäckigen aufdringlichen Hunden.
Ich kann auch wieder mit ihr am Wochenende zur beliebten Mittagszeit zB in den Hundewald fahren und Zeit mit anderen Hunden verbringen. Sie kann dort noch nicht ganz entspannen und tapst knurrend und (leise) bellend hin und her, aber man sieht gelegentlich einen Spielversuch, also der Wille sich mit den Hunden zu verstehen scheint noch tief in ihr drin zu sein. Glücklicherweise sind die anderen Hundebesitzer in dem Hundewald sehr verständnisvoll und lassen sich von uns nicht stören. Ihre Hunde spielen freudig, wir unterhalten uns gelegentlich und meine Missy beobachtet leise meckernd die anderen Hunde beim Spielen.
Mein Vorteil, den du leider nicht hast, war, dass mein Hund wusste wie man sich „gut“ benimmt, mit anderen umgeht und das eigentlich nicht alle böse sind.
Bei Menschen reagiert sie nur noch, wenn sie direkt angesprochen wird. Mag sie gaaaaar nicht. Je besser es mit den Hunden läuft, desto besser wird es auch mit den Menschen irgendwie. Das trainiere ich nicht extra, das überträgt sich bei ihr automatisch anscheinend.
Ich sage den sich nähernden Menschen dann direkt von vornherein „sie mag keine Fremden Personen. Bitte komplett ignorieren, nicht ansprechen und ihr Zeit geben, bis sie selber den Kontakt sucht“. Und Leuten, die dann anfangen mich zu kritisieren, dass sie ein unerzogener Hund sei und als Hund sich streicheln lassen sollte, sage ich ganz einfach „ich muss auch nicht alle Menschen mögen, also muss mein Hund es auch nicht“. Den Tierarzt lässt sie alles mit sich machen, also reicht das erst mal, mehr fremde Menschen muss sie nicht an sich ran lassen.
Bei Kindern oder Erwachsenen, denen du bereits aus der Entfernung ansiehst, dass sie aufdringlich werden, schreie ich zu „sie beißt“, auch wenn sie bisher noch keine fremden Menschen gebissen hat, aber das wissen die ja nicht, dann kommen sie gar nicht erst näher. Dumme Sprüche sollte man recht schnell lernen zu ignorieren.
Du musst anfangs mit viel Geduld, Zeit, Abstand und Lob/Belohnung arbeiten, das wird nicht einfach, aber irgendwann klappts.
Vielleicht hilft dir unsere kleine Geschichte etwas weiter und gibt dir Hoffnung. Ich drücke dir die Daumen 😊