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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 11. Feb.

"Raumverwaltung", ein Mythos?!

Ihr Lieben, ich lese im Forum immer wieder davon, dass Hunde "Raum einnehmen" und Menschen "Raum verwalten". Das ist für mich (insbesondere hinsichtlich der Hunde) derart abstrakt und fern jeglicher neutraler Beobachtung, dass ich versucht habe nachvollziehbare Forschungen zu dem Thema zu finden. Ich bin nicht fündig geworden und dachte mir, ich frage mal bei denen, die dies praktizieren und als nachvollziehbar empfinden. Was mir auffällt ist, dass drohenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum beanspruchen", dass liegenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum" oder gar "Besitz beanspruchen" und dass Hunden, die z.B. vor jemanden laufen oder stehen bleiben ebenso unterstellt wird, sie würden "Raum einnehmen". So gut wie nie ist dieser "Raum" definiert und all dies ist negativ besetzt. Bei Menschen fällt mir auf, dass sie körperlich und bedrohlich handeln, um ihren "Raum zu beanspruchen", dass sie mit Strafen arbeiten und dass sie regelrecht nervös zu werden scheinen, wenn ihr Hund ihren "Raum" betreten oder streitig machen könnte. Bei meiner Suche bin ich auf diese Blogartikel gestoßen: https://forsthaus-metzelthin.de/mit-hunden-leben/verwalten-hunde-raeume/ Irgendwie gibt er meine Verwirrung gut wieder und mein Glaube an diese ominöse "Raumverwaltung" schwindet nun dahin. Aber vielleicht hat ja doch jemand eine vertrauenswürdige und nachvollziehbare Quelle parat, die mich dieses "Raumdings" verstehen lässt ^^
 
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Olli
5. Jan. 22:03
Zum Thema „was Hunde untereinander“ tun, empfehle ich mal die Lektüre von Eberhard Trumler, dem Konrad Lorenz der Hunde-Verhaltensforschung: „Mit dem Hund auf Du“. Darin beschreibt er schöne Beispiele aus seinem Dingorudel: vor allen Dingen die Rolle des Vaters bei der Welpenaufzucht, fand ich ausgesprochen spannend, da er für die Etablierung der Grenzen zuständig ist. Ein schönes Beispiel war, dass er mit einem uralten Knochen oder Stock in den Zwinger kommt und den in die Mitte legt… und dann jedem Welpen auch aus der Entfernung sehr klar macht, dass der Raum um diesen „wertvollen Schatz“ von ihm beansprucht wird und sie daran nichts verloren haben! Total spannend!!!😀
Auf welcher Seite soll das sein? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nichts von Raum geschrieben hat, sondern dass er den Stock als Resource für sich beansprucht hat.
 
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Katja
5. Jan. 22:41
Auf welcher Seite soll das sein? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nichts von Raum geschrieben hat, sondern dass er den Stock als Resource für sich beansprucht hat.
Glaube, das Wort „Raum“ wurde erst später populär… das Buch ist ja aus den 70ern.

Ich fand jedenfalls den Abschnitt (wie eigentlich das ganze Buch!😀) sehr spannend und sehr lesenswert.
 
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Olli
5. Jan. 22:54
Glaube, das Wort „Raum“ wurde erst später populär… das Buch ist ja aus den 70ern. Ich fand jedenfalls den Abschnitt (wie eigentlich das ganze Buch!😀) sehr spannend und sehr lesenswert.
Das Buch ist toll - keine Frage.

Mir ging es lediglich um den 'Raum'. Wie ich schrieb, ist das reines Marketing.

Einen Hund begrenzen, Hunde trennen, Resourcen beanspruchen, etc. gab's schon zig Jahre vor der sogenannten Raumverwaltung.
 
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Dogorama-Mitglied
6. Jan. 06:05
Cordula, da muss ich dich enttäuschen 🙈 geübt habe ich das gar nicht mit ihr. Ich nutze dafür einfach ein „komm“ oder ähnliches, wo sinngemäß klar wird, dass ich weiter möchte. Es hat für Mira nicht so eine hohe Dringlichkeit wie der Rückruf, sie darf das was sie gerade tut ruhig noch zu ende machen, bzw. muss sich auf dem Weg zu mir nicht so eilen. Das sie sich ihren Weg sucht, wo sie keinen Konflikt riskiert, macht sie aus eigenen Stücken. Das ist keine Sache die wir trainiert haben. Ich würde es mehr als Kommunikation zwischen ihr und dem anderen Hund betrachten. Ich habe durch eigene Beobachtung und auch eine Story von Ursula L. gemerkt, dass sie der Rückruf in so einer Situation in eine blöde Lage bringt und lasse es deswegen.
Ich habe es ähnlich aufgebaut. Trainiert haben wir einfach 2 Kommandos wie Kirsten schon schreibt: "hier" ist das Abrufsignal und heisst schnurstracks zu mir im Vorsitz. Komm heißt sie muss sich in meine Richtung bewegen aber nicht komplett zu mir. Komm heisst bei mir ein Lobwort wenn sie sich in meine Richtung bewegt und ein folgendes "hier" wenn sies nicht tut. So hat sie (über zig wiederholungen gelernt) was Komm heißt
 
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Chris
6. Jan. 06:20
Hallo Steffi,
wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem Thema kann ich dir nicht liefern, muss aber sagen, dass ich das Raumdenken von Ursula Loeckenhoff für mich und meine Hündin als sehr gewinnbringend empfinde.
Falls du einen Instagram-Account hast, lohnt es sich mMn sehr, dem Kanal von Ursula L. zu folgen. Vielleicht wird in den Videos nochmal deutlicher, wie sie den Raum definiert. Sie nutzt den Begriff zum einen in der Mensch-Hund-Interaktion, aber auch um Hund-Hund-Kommunikation zu veranschaulichen.

Ich nutze diese Raumvorstellung für mich und meine Hündin während eines Spaziergangs, um eine gemeinsame Klarheit zu haben, wie weit meine Hündin abseits des Weges schnüffeln darf. Mein Beagle würde gerne stets quer durchs Unterholz. Für mich geht das aber nur mit meinem Einverständnis. Das bedeutet in der Praxis, dass der Grasstreifen neben dem Weg grundsätzlich erstmal erlaubt ist, das Unterholz aber nur selten und nur in Absprache. Ich hoffe, dass ich so irgendwann immer mehr Freiheiten gewähren kann.

Ohne dass ich diese Raumgrenze millimetergenau "verteidigen" muss, erkennt meine Hündin mein gedankliches Konstrukt. Das fasziniert mich sehr. Es bringt auch ihr Entspannung, da sie sich sonst in ein sehr hohes Erregungslevel schnüffelt.
 
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J
6. Jan. 06:24
Ich kenne das Forsthaus Metzelthin als Urlaubsgast.

Meine Freundin hatte sich dort auch ein paar Trainingsstunden gebucht.

Das sind super nette Leute, die auch einen tollen Umgang mit Hunden haben und in einer extremen Abgeschiedenheit mit viel Platz mitten im Wald sehr stressfrei leben.

Beide haben ein natürliches “Gespür” für Hunde, sodass ich glaube, sie bekommen das selbst vielleicht gar nicht mit, was genau sie alles intuitiv machen.

Leider war meine Freundin nach den Trainingsstunden nicht überzeugt, denn nicht alle Leute mit dieser Art von Leben und Intuition können nachvollziehen, dass man für Stadthunde andere Stressfaktoren bestehen und Raum sowie dessen Verwaltung vielleicht schon dadurch an Gewicht gewinnen und man insgesamt andere “Baustellen” hat.
 
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Pixel
6. Jan. 09:30
Hallo Steffi, wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem Thema kann ich dir nicht liefern, muss aber sagen, dass ich das Raumdenken von Ursula Loeckenhoff für mich und meine Hündin als sehr gewinnbringend empfinde. Falls du einen Instagram-Account hast, lohnt es sich mMn sehr, dem Kanal von Ursula L. zu folgen. Vielleicht wird in den Videos nochmal deutlicher, wie sie den Raum definiert. Sie nutzt den Begriff zum einen in der Mensch-Hund-Interaktion, aber auch um Hund-Hund-Kommunikation zu veranschaulichen. Ich nutze diese Raumvorstellung für mich und meine Hündin während eines Spaziergangs, um eine gemeinsame Klarheit zu haben, wie weit meine Hündin abseits des Weges schnüffeln darf. Mein Beagle würde gerne stets quer durchs Unterholz. Für mich geht das aber nur mit meinem Einverständnis. Das bedeutet in der Praxis, dass der Grasstreifen neben dem Weg grundsätzlich erstmal erlaubt ist, das Unterholz aber nur selten und nur in Absprache. Ich hoffe, dass ich so irgendwann immer mehr Freiheiten gewähren kann. Ohne dass ich diese Raumgrenze millimetergenau "verteidigen" muss, erkennt meine Hündin mein gedankliches Konstrukt. Das fasziniert mich sehr. Es bringt auch ihr Entspannung, da sie sich sonst in ein sehr hohes Erregungslevel schnüffelt.
Ach vielen Dank für den Hinweis auf ihren Youtube Kanal. Sehr interessant, gefällt mir sehr was sie da sagt und wie sie es erzählt.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Jan. 12:01
Ihr Lieben, ich möchte mich noch einmal für all eure Antworten bedanken!

Das war zwar anfangs verwirrend für mich, aber letztlich doch sehr aufschlussreich.

Langsam habe ich eine Vorstellung von dem, was die Begründerin des Konzeptes damit meinte bzw. erreichen wollte. Mir persönlich sagt dieser Umgang mit Hunden so gar nicht zu. Viel zu verkopft und eben ganz ohne wissenschaftliche Basis. Und so unnötig viel Stress, den ich wirklich nicht gebrauchen kann.

Zum Abschluss habe ich da noch ein passendes Video mit guten Gedankengängen gefunden:
https://youtu.be/zLknWvw0too?si=6coQfbBoi2Lbd8dv

Natürlich stimme ich da nicht mit allem überein, aber die grundlegende Aussage finde ich gut getroffen.

Habt ein schönes Jahr 2024 und macht's euch nicht zu kompliziert :D
 
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Kirsten
8. Jan. 12:49
Liebe Steffi,
meinst du mit der Begründerin des Konzeptes Ursula L.?

Ich verfolge ihre Inhalte schon ungefähr seitdem Mira bei mir ist. Nach meinem Empfinden ist ihre Art mit Hunden umzugehen viel weniger verkopft, als woanders.

Ich hab mir das Video von Dirk Biller angesehen und bis auf das er sinngemäß sagt „in Räumen denken ist Quatsch“ sind seine Aussagen kein bisschen widersprüchlich zur der Art wie die Frau Löckenhoff arbeitet. Denn auch bei ihr geht es nicht um den Kampf um Zentimeter oder Ressourcen. Ihr Konzept ist eben ein Mix aus all diesen Dingen die du laut eigenen Aussagen nicht mit Raumverwaltung in Verbindung bringst und bezieht eigentlich auch immer mit ein, was die Hunde an individuellen Eigenschaften mitbringen.

Ich kann die meisten deiner Aussagen hier tatsächlich vom Herzen und Verstand aus nachvollziehen. Ich empfinde bei all dem aber nicht so einen Widerspruch wie du.
Unabhängig davon ob Hunde tatsächlich in Räumen denken oder nicht, halte ich das Ganze Konzept für eine wunderbare Visualisierungshilfe für den Menschen, vor allem wenn man genau auf den Hund schaut und nicht alles pauschal auf jeden Hund münzt.

Im Kern geht es bei ihrem „Raumdenken“ viel mehr darum, sich von festen Kommandos und ähnlichem zu lösen und in den Dialog mit dem Hund zu gehen, mit all den Kompetenzen und vorhandenem Potenzial, statt ihn als Reiz-Reaktionsmaschine zu sehen.

Natürlich ist es ein bisschen lachhaft, wenn jemand nervös wird, weil er denkt, der Hund macht ihm den Raum streitig. Es hört sich eben an, als hätte jemand mal irgendwo eine bestimmte Aussage gehört und würde da versuchen etwas unreflektiert umzusetzen, oder nicht? Sowas ergibt ja eigentlich sehr häufig keinen Sinn, egal worum es geht.
 
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Sonja
8. Jan. 16:30
Ihr Lieben, ich möchte mich noch einmal für all eure Antworten bedanken! Das war zwar anfangs verwirrend für mich, aber letztlich doch sehr aufschlussreich. Langsam habe ich eine Vorstellung von dem, was die Begründerin des Konzeptes damit meinte bzw. erreichen wollte. Mir persönlich sagt dieser Umgang mit Hunden so gar nicht zu. Viel zu verkopft und eben ganz ohne wissenschaftliche Basis. Und so unnötig viel Stress, den ich wirklich nicht gebrauchen kann. Zum Abschluss habe ich da noch ein passendes Video mit guten Gedankengängen gefunden: https://youtu.be/zLknWvw0too?si=6coQfbBoi2Lbd8dv Natürlich stimme ich da nicht mit allem überein, aber die grundlegende Aussage finde ich gut getroffen. Habt ein schönes Jahr 2024 und macht's euch nicht zu kompliziert :D
Ist es nicht ein Widerspruch, Raumdenken viel zu verkopft zu empfinden, und gleichzeitig eine wissenschaftliche Basis zu fordern?

Letztendlich geht es uns allen doch darum, dass es den Hunden und uns miteinander gut geht. Bei der Frage, mit welchen Methoden man das erreichen kann, orientiere ich persönlich mich lieber an erfahrenen Hundetrainern und Hundehaltern, als an Wissenschaftlern, die für brauchbare Studien künstlich vergleichbare Bedingungen schaffen müssen. Die Wissenschaft belegt in der Regel, dass eine Theorie unter den Bedingungen der Versuchsanordnung Gültigkeit hat. Das heißt dann aber keinesfalls, dass die Theorie in unserer gelebten Praxis anwendbar ist.

Aber jedem das seine.