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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 11. Feb.

"Raumverwaltung", ein Mythos?!

Ihr Lieben, ich lese im Forum immer wieder davon, dass Hunde "Raum einnehmen" und Menschen "Raum verwalten". Das ist für mich (insbesondere hinsichtlich der Hunde) derart abstrakt und fern jeglicher neutraler Beobachtung, dass ich versucht habe nachvollziehbare Forschungen zu dem Thema zu finden. Ich bin nicht fündig geworden und dachte mir, ich frage mal bei denen, die dies praktizieren und als nachvollziehbar empfinden. Was mir auffällt ist, dass drohenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum beanspruchen", dass liegenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum" oder gar "Besitz beanspruchen" und dass Hunden, die z.B. vor jemanden laufen oder stehen bleiben ebenso unterstellt wird, sie würden "Raum einnehmen". So gut wie nie ist dieser "Raum" definiert und all dies ist negativ besetzt. Bei Menschen fällt mir auf, dass sie körperlich und bedrohlich handeln, um ihren "Raum zu beanspruchen", dass sie mit Strafen arbeiten und dass sie regelrecht nervös zu werden scheinen, wenn ihr Hund ihren "Raum" betreten oder streitig machen könnte. Bei meiner Suche bin ich auf diese Blogartikel gestoßen: https://forsthaus-metzelthin.de/mit-hunden-leben/verwalten-hunde-raeume/ Irgendwie gibt er meine Verwirrung gut wieder und mein Glaube an diese ominöse "Raumverwaltung" schwindet nun dahin. Aber vielleicht hat ja doch jemand eine vertrauenswürdige und nachvollziehbare Quelle parat, die mich dieses "Raumdings" verstehen lässt ^^
 
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5. Jan. 15:39
Ich verstehe die Einwände. Ich würde nicht immer auf wissenschaftliche Belege warten, wenn empirische Beobachtungen bereits vorhanden sind. Denn Wissenschaft kann nicht alles abdecken, was so zu sagen "zwischen den Zeilen" mitschwingt.
(dazu muss ich sagen: Ich kenne die genannte Schriftstellerin nicht.)

Aus meiner Ausbildung und durch Beobachtung der hündischen Kommunikation in vielen Seminaren, kann ich sagen, es gibt im Prinzip 3 Resourcen um die es in der Tierwelt geht: Individuen, Futter (stellvertretend kann dafür auch Spielzeug, Stöcke dienen) und Raum.
Das sind natürlich immer nur Erklärungs-Versuche, um es für uns Menschen verständlich, in für uns bekannte Maßstäbe zu übersetzen, da wir im Alltag bereits so weit weg sind von unserer Emphathie und instinktiven Verhalten.

Nun sind wir also beim Thema Raum (denn das nicht angerührte Katzenfutter ist Thema Futter.)
Damit sich die unterschiedlichen Individuen (hier der Hund - kann auf Pferde genau so übertragen werden) innerhalb einer Gruppe "behaupten" verwenden die Tiere ihre Kompetenzen.
Der eine kann gut den Bodyguard für die Individuen miemen (Resource Individuen), der andere kann Futter gut erjagen und verteilen und ein weiterer schützt das Revier. Das ist also die übergeordnete Sichtweise.
Innerhalb der Gruppe würde es aber auch nicht ohne Grenzen und Regeln gehen. So müssen auch innerhalb der Gruppe Grenzen aufgezeigt werden, z. B. Kann nicht jedes Gruppenmitglied die Welpenhöhle zum Schlafen benutzen und dabei die Welpen heraus schmeißen.
Du sprichst von einem einzelnen Hund, bei dir zu Hause. Schon bei zwei Hunden merkt man, wie die genannten Resourcen im Prinzip "aufgeteilt" (verwaltet) werden. Schlafplätze, die nicht durcheinander benutzt werden. Buddelkuhlen im Garten, die als Resource verwendet werden, um sich und seine Kompetenz innerhalb der Beziehungsverhandlung (allgemein hin als Spielen bezeichnet) in der Partnerschaft zu festigen. Es werden täglich die Kompetenzen vom einen und vom anderen in Frage gestellt, um die effiziente Teamarbeit im "Notfall" (Selbstverpflegung / Überleben) zu verifizieren. Bei diesem "in Frage stellen" machen die Hunde beim Menschen nicht halt. Der Mensch wird ebenfalls täglich, auf seine "Führungskompetenz" hinterfragt.
Bei diesen Beziehungsverhandlungen, werden alle Kompetenzen abgefragt: wie konsequent und durchsetzungsfähig bist du, damit du mich an der Stange halten kannst und mich für die Teamarbeit rekrutierst. Hierbei werden von den Hunden unterschiedliche Taktiken angewendet, je nach ihrer Kompetenz (Raumverwaltung, Futter Verwaltung, Individuen Abschirmung). Das heißt, sie lassen sich zum Teil tatsächlich Tricks einfallen, um zu erreichen, dass sie den anderen bewegen (und wenn es nur Abblocken oder Anhalten ist). Derjenige, der den anderen bewegt, der hat die Oberhand. Und das machen manche eben über Raum. Ein Hund der fähig ist, seine Buddelkuhle im Garten zu beanspruchen, der ist für den anderen Hund als "Revier Beschützer" in der Gruppe interessant. Soviel zum kurzen Abriss, was für einen Sinn macht das in der Hunde - /Tierwelt.

Um es nun auf das Zusammenleben mit uns Menschen zu übertragen. Gehst du mit einem Hund in einen neuen Raum, z. B. ein neuer Garten, eine Tierarztpraxis etc. und du lässt den Hund auf eigene Faust alles erkunden, dann wird es die Hunde geben, die von ihren Kompetenzen her fähig sind, das alles zu erfassen und zu verarbeiten. Aber es wird auch die Hunde geben, die damit überfordert sind. Wenn man nun einem Hund, der damit überfordert ist, die Aufgabe überlässt diesen "Raum", hier im wahrsten Sinne des Wortes, zu erfassen, dann zeigt sich meist ein überdrehter Hund, der eben überfordert ist. Diesem Hund würde man nun als Mensch, durch Eingrenzung und Durchführung helfen. Heißt also, man muss für ihn den Raum verwalten und ihm den Weg zeigen, da er es nicht selber kann. Ein Hund, der diese Hilfe nie kennengelernt hat, ist meist "unbelehrbar" und eckt in den meisten Hundebegegnungen an, da ihm eine Rolle zugestanden wurde, die er nicht souverän ausfüllen kann, er keine Grenzen kennen gelernt hat, die er somit von einem anderen Hund auch nicht anerkennen möchte.

Anders herum, lernt man gerade einen Hund kennen, so kann man ihn, durch z. B. Öffnen und Schließen seines Raumes, mit unserer Anwesenheit/ Präsenz recht gut regulieren und führen, obwohl man noch kein Training und keine Kommandos parat hat. So fühlt sich z. B. jeder Hund (sofern kein Angsthund) eingeladen, zu einem zu kommen, sobald man vor ihm rückwärts läuft und damit den Raum vor sich, für die Begegnung, so zu sagen, öffnet. Genau so wie ein Hund das als blocken versteht, wenn der Mensch frontal vor ihm steht. Oder wenn man in der T Stellung zum Hund steht, da wird er immer aufmerksam sein, was passiert als nächstes, da dies oft als Einladung zum Folgen meiner Entscheidung steht. Da Hunde nicht anders kommunizieren können und sie es seltenst über Bellen tun, können nur solche Eingrenzung herangezogen werden. Wobei aber auch, die selbst ausgestrahlte Energie, ein sehr wichtiger Faktor ist. Denn diese kann friedlich oder aggressiv sein, die jeweils zu einem anderen Ergebnis führt. Und genau hier wird jede Wissenschaft scheitern, denn sowas wie ne Aura, die wir ausstrahlen, kann wissenschaftlich nicht erfasst werden.

Würde man jemanden, der also einen Raum verwaltet, sei es Mensch oder Hund, mit einem Satz beschreiben wollen, dann könnte sowas dazu passen: Egal wo wir hingehen, der Raum, das "Revier", gehört erst mal mir und ich weise dir deinen Platz zu, bzw. bin so gnädig, dich darin frei bewegen zu lassen.
Gleiches kann man mit Futter, Spielzeug, Gruppenmitglieder etc. formulieren.
(Vergleichbar mit dem Besuch in der eigenen Wohnung, der soll doch bitte auch nicht einfach so in jeden Raum reintiegern und jeden Schrank öffnen - geschweige denn meine Sachen anziehen oder mein Krust-Zeug (Spielzeug) anfassen, bzw den Kühlschrank (Futter) leeren. Wenn wir nicht sprechen könnten, würden wir das auch über Begrenzung - Raum Zuweisung/Verwaltung - kommunizieren.)

Konnte ich mich halbwegs verständlich ausdrücken?
 
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Dogorama-Mitglied
5. Jan. 16:25
Gibt es wirklich klare territoriale Grenzen? Ich habe letztens einen Vortrag gehört, wo erklärt wurde, dass sich die Territorien von Straßenhunden überschneiden. Laut diesem Vortrag dient markieren auch nicht zum abstecken eines Territoriums, sondern zum Informationsaustausch. Ich weiß es wirklich nicht und bin nicht tiefer darein eingestiegen, aber haben Hunde überhaupt fest definierte Territorien? Oder eher einen Raum, wo sie eben Leben - so wie wir Menschen auch?
Das stimmt, ich weiß es auch nicht. Bei Hunden ist auch unglaublich schwer zu definieren, was “natürlich “ ist. Ich sollte nicht an Erdmaennchen denken, wenn ich über Hunde schreibe.

Auf unserem Spaziergang kam mir noch der Gedanke, dass es sich im loeckenhoffschen Sinne nicht um ein natürliches Konzept sondern um eine Methode handelt, um das Zusammenleben mit einem bzw. mehreren Hunden zu organisieren.

Ihr Buch zur Raumverwaltung habe ich nicht gelesen, bei mir liegt ihr Buch “dog walk”. Ich verstehe den Begriff von ihr als jede Form der Zuweisung von Raum, egal ob nah bei mir oder nicht, erlaubte/ tabuisierte Zonen…auch die räumliche Organisation mehrerer Hunde z.B. wer schläft wo)

Das Raumdenken scheint nur einer von mehreren Aspekten zu sein. Sie geht auch auf Ruhe (da wird der Hund auch festgebunden) und sinnvolle Auslastung ein. Weiter bin ich noch nicht gekommen.

Exkurs: Interessant fand ich die Frage, ob sich Mantrailing für einen Familienhund eignet, da dieses “Hobby” ihn zu einem Spezialisten macht.

Zum Teil finde ich das Raumdenken, so wie sie es beschreibt, durchaus sinnvoll, z.B. ganz banal, dass alle Hunde während eines Spaziergangs in der Stadt nahe bei bzw. hinter ihr laufen.

Raumverwaltung kann sicher auch situativ eingesetzt werden. Das meinte ich zuvor mit Rigidität. Mir wurde am Anfang gesagt, meine Hunde dürfen drin NUR auf ihrem Platz sein. Das ist natürlich Bullshit und war für uns eine absolute Katastrophe.
 
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Fee
5. Jan. 16:42
Raumverwaltung haben wir sowohl gezielt genutzt, als auch intuitiv angepasst.

Gezielte Nutzung war für uns das Küchenverbot. Ich hatte immer kleine Küchen und koche sehr ungern. Da wollte ich nicht auch noch den kleinen Hund um mich herum wuseln haben. Zudem hatte ich Sorge, dass sie größer wird und mir Töpfe vom Herd zieht. Gefestigt habe ich das sowohl verbal mit "Nein", "raus aus der Küche" und körperlich. Habe ihr mit dem Bein/Fuß den Weg abgeschnitten, geht bei so einem kleinen Hund schneller, als sich jedes Mal runter zu beugen.

"Raus da" nehme ich als verbales Kommando auch draußen, z.b. wenn sie in einem Dornengestrüpp schnuppern möchte.

An neuen Orten bleibt Lilly meist in einem engeren Radius, 5 bis 10 Meter und dann auch nur auf den befestigen Wegen. In einem ihr unbekannten Wald würde sie beispielsweise nur dann ins Unterholz, wenn ich vorgehe. Kommando oder Handzeichen reichen da nicht.

Ihr Kissen ist ihr Sicherheitsraum, bei Schmerzen, Unwohlsein oder einfach nur einem Ruhebedürfnis.

Gespielt wird nur im Wohnzimmer und Flur. Hat sich irgendwann so eingebürgert. Ich verwalte auch die Spielzeuge. Wenn ich ihr das Spielzeug freigeben, wird es direkt in's Wohnzimmer getragen.

Draußen wird an festen Orten gespielt, die auch damit besetzt sind. Beispielsweise: die Wiesen neben dem Spielplatz zum Ballspielen, die Wiesen davor zum Training. Räumlich "getrennt" sind Wiesen und Spielplatz durch Wege und in der jeweiligen Situation bewegt sie sich innerhalb dieser Grenzen. Wenn ich kein Situationsaufhebe-Kommando gebe, werden die Grenzen nicht überschritten bzw. per Blickkontakt nach meinem ok gefragt.

Ansonsten sind draußen natürlich die Straßen Grenzen, da wird gewartet, bis frei ist.

Meine Tante hat in ihrem Haus u.a. eine offene Holztreppe und unten direkt Fliesenboden. Ihr Doodle darf aus Gelenkschutzgründen nicht diese Treppe nehmen und sie hat ihr das auch körperlich beigebracht; sich in den Weg gestellt bzw. mit einem Kindergitter.

Ich empfinde die Raumverwaltung also nicht negativ. Für uns ist sie sogar sehr praktisch.

Bei Lilly habe ich darüber hinaus ja das Gefühl, dass ihrem vom Grund her unsicheren Charakter solche festen (Raum)Regeln sehr helfen.
 
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Dogorama-Mitglied
5. Jan. 16:53
Hey ihr Lieben! Gestern war ich ehrlich etwas erschlagen von den Kommentaren. Ein paar Fragen nochmal vorweg: Wie genau wird der zu verwaltende oder einzunehmende Raum definiert? Welche Methoden wurden genutzt, um festzustellen und zu belegen, dass Hunde in Räumen denken? Wie kam es überhaupt zu der Idee, dass dem so sein könnte? Kann es sein, dass das doch eher menschliches Denken ist und Hunden nur zugeschrieben wird? Denn die meisten Beispiele hier lassen mich schließen, dass Menschen bestimmte Dinge nicht wollen und den Hunden durch verschiedene Methoden zeigen. Meinem Empfinden nach werden hier auch verschiedene Dinge vermischt. Räumliches Denken, die Einteilung von Zimmern und die Individualdistanz sind ja alles Dinge, die klar definiert sind und die ich persönlich nicht in Verbindung mit der mir noch immer unverständlichen Raumverwaltung bringe. Manche schreiben ja, dass sie selbst beobachten konnten, wie Hunde Räume schaffen. Was genau wurde denn da beobachtet? Splitten zum Beispiel fällt unter deeskalatives Verhalten. Dazu gibt es viele Beobachtungen und Erkenntnisse. Kann es sein, dass ausschließlich Menschen eigens definierte Räume verwalten und Hunde dies gar nicht tun? Menschen setzen (räumliche) Grenzen, Menschen definieren bestimmte (ortsspezifische) Regeln, Menschen zeigen Hunden, was sie von ihnen wollen. Oftmals sind das ja dann erlernte Verhaltensweisen durch z.B. Wiederholungen oder gezieltes Training. Hunde hingegen kommunizieren im Moment. Sie zeigen, wann ihnen etwas zu viel oder zu nah ist, sie zeigen, wann sie etwas für sich haben wollen, wann sie sich wohlfühlen etc. Sie teilen ihre Bedürfnisse direkt mit und leben viel mehr im Hier und Jetzt, als wir Menschen es tun. Hunde verknüpfen Orte durch Erfahrungen mit Tätigkeiten, sie sind aber dabei oft von uns Menschen abhängig. Hunde schlafen an einem selbstgewählten Platz, weil sie sich dort wohl und sicher fühlen und es bequem ist. Sie folgen interessanten Düften und achten dabei nicht primär auf existierende Begrenzungen. Es fällt mir jetzt noch schwerer dies zu verstehen, weil hier so viele verschiedene Erklärungen kamen und es da keine klaren Übereinstimmungen zu geben scheint. Irgendwie finde ich den Begriff auch total schräg. Das klingt so gehoben nach deutscher Bürokratie und überhaupt nicht nach Hunden, nach Denkweisen oder nach Erkenntnissen. Ich habe auch nach der hier erwähnten Autorin gegoogelt und mir sind einige Formulierungen direkt aufgefallen. "Ursula Löckenhoff denkt in Räumen[...]" "Sie bietet, neben der normalen Betreuung, auch einen Boot Camp Aufenthalt für Hunde mit Erziehungsdefiziten [...]" "Ursula Löckenhoff hat ein eigenes Konzept entwickelt, Hunde über Räume erfolgreich zu führen. Ihr Raumkonzept ist ein Wechselspiel von Freiraum geben und Grenzen setzen." "Raumdenken® in der Hundeerziehung" Kennt ihr dieses ®? Das steht für eine eingetragene Handelsmarke. Damit wird geistiges Eigentum gekennzeichnet... Also z.B. eine Sache, die sich eine Person ausgedacht hat. Als ich das erblickt habe, wurde ich skeptisch und als ich dann noch ein wenig gelesen habe, fand ich von der Autorin, die sich dieses Konzept ausgedacht hat keinen Hinweis darauf, dass Hunde in Räumen denken würden. Alles, was online zu finden ist, deutet darauf hin, dass sie selbst auf diesem Wege denkt und aufgrund ihrer Überzeugung mit Hunden entsprechend interagiert. All dies spricht nicht für wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gibt schließlich auch zig Bücher darüber, wie man das Alphatier für seinen Hund darstellt und über Rangordnungen im Haushalt. Trotz dessen, dass der Ursprung dessen seit Jahrzehnten widerlegt ist. Ich finde total okay, dass eine Person ein Konzept entwickelt und andere daran teilhaben lässt. Mich stört aber nun ehrlich, dass viele glauben, dass das so alles Fakt ist und dass da so vieles vermischt zu werden scheint. Vielleicht hilft es manchen, einen guten Zugang zum Hund zu finden oder verständlicher ihm wichtige Grenzen mitzuteilen. Aber am Ende basiert das eben nicht auf Wissenschaft oder Verhaltensforschung. Es basiert auf eine Idee einer Person, welche weitergetragen wurde. Ich wage stark zu bezweifeln, dass Hunde durch unser menschliches Handeln tatsächlich Verständnis für unsere Vorstellung diverser Räume entwickeln. Sie halten lediglich durch Erfahrungen und/oder Training Grenzen ein bzw. führen ein bestimmtes Verhalten aus oder eben nicht aus. Wie seht ihr das? Klingt meine Vermutung naheliegend? Würdet ihr übereinstimmen, dass es ein menschliches Konzept ist und es keine Grundlage dafür gibt, dass Hunde in Räumen denken?
Hallo Steffi,

ich verstehe deine Zweifel und finde es berechtigt, dass du kritisch hinterfragst. Es stimmt, dass viele Konzepte in der Hundeerziehung oft menschliche Denkweisen auf Hunde projizieren. Tatsächlich basieren viele populäre Methoden mehr auf individuellen Ideen als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Beim Thema "Raumdenken" bei Hunden ist es in meinen Augen wichtig, zwischen dem menschlichen Konzept des Raumdenkens und dem natürlichen Verhalten von Hunden zu unterscheiden. Hunde nutzen zwar Raum in ihrer Kommunikation und Interaktion, aber das ist nicht unbedingt vergleichbar mit unserem komplexen Verständnis von Raum. Ihre Raumwahrnehmung ist eher instinktiv und situativ, basierend auf ihrem unmittelbaren Umfeld und Erfahrungen.
Das Konzept des "Splittens", das ich schon mal erwähnte und du nochmal angesprochen hast, ist in meinen Augen ein gutes Beispiel dafür, wie Hunde Raum in ihrer Körpersprache nutzen. Es ist eine Form der Kommunikation, die darauf abzielt, Spannungen zu reduzieren, aber es ist kein bewusstes "Denken in Räumen", wie wir Menschen es verstehen.
Die Idee, dass Hunde in ähnlichen Raumkonzepten wie Menschen denken, könnte tatsächlich mehr eine menschliche Interpretation sein. Hunde reagieren auf ihre Umgebung und auf das Training, das sie erhalten, aber dies bedeutet nicht unbedingt, dass sie ein menschenähnliches Verständnis von Räumen oder Grenzen haben.
Deine Skepsis und dein Wunsch nach klaren, wissenschaftlich fundierten Konzepten sind in der Hundeerziehung sehr für mich völlig verständlich.

Liebe Grüße 🙂
 
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5. Jan. 16:58
Raumverwaltung haben wir sowohl gezielt genutzt, als auch intuitiv angepasst. Gezielte Nutzung war für uns das Küchenverbot. Ich hatte immer kleine Küchen und koche sehr ungern. Da wollte ich nicht auch noch den kleinen Hund um mich herum wuseln haben. Zudem hatte ich Sorge, dass sie größer wird und mir Töpfe vom Herd zieht. Gefestigt habe ich das sowohl verbal mit "Nein", "raus aus der Küche" und körperlich. Habe ihr mit dem Bein/Fuß den Weg abgeschnitten, geht bei so einem kleinen Hund schneller, als sich jedes Mal runter zu beugen. "Raus da" nehme ich als verbales Kommando auch draußen, z.b. wenn sie in einem Dornengestrüpp schnuppern möchte. An neuen Orten bleibt Lilly meist in einem engeren Radius, 5 bis 10 Meter und dann auch nur auf den befestigen Wegen. In einem ihr unbekannten Wald würde sie beispielsweise nur dann ins Unterholz, wenn ich vorgehe. Kommando oder Handzeichen reichen da nicht. Ihr Kissen ist ihr Sicherheitsraum, bei Schmerzen, Unwohlsein oder einfach nur einem Ruhebedürfnis. Gespielt wird nur im Wohnzimmer und Flur. Hat sich irgendwann so eingebürgert. Ich verwalte auch die Spielzeuge. Wenn ich ihr das Spielzeug freigeben, wird es direkt in's Wohnzimmer getragen. Draußen wird an festen Orten gespielt, die auch damit besetzt sind. Beispielsweise: die Wiesen neben dem Spielplatz zum Ballspielen, die Wiesen davor zum Training. Räumlich "getrennt" sind Wiesen und Spielplatz durch Wege und in der jeweiligen Situation bewegt sie sich innerhalb dieser Grenzen. Wenn ich kein Situationsaufhebe-Kommando gebe, werden die Grenzen nicht überschritten bzw. per Blickkontakt nach meinem ok gefragt. Ansonsten sind draußen natürlich die Straßen Grenzen, da wird gewartet, bis frei ist. Meine Tante hat in ihrem Haus u.a. eine offene Holztreppe und unten direkt Fliesenboden. Ihr Doodle darf aus Gelenkschutzgründen nicht diese Treppe nehmen und sie hat ihr das auch körperlich beigebracht; sich in den Weg gestellt bzw. mit einem Kindergitter. Ich empfinde die Raumverwaltung also nicht negativ. Für uns ist sie sogar sehr praktisch. Bei Lilly habe ich darüber hinaus ja das Gefühl, dass ihrem vom Grund her unsicheren Charakter solche festen (Raum)Regeln sehr helfen.
Genau so ist das "gedacht", gerade für unsichere Hunde hilfreich.
Bei charakterstarken Hunden ein Mittel, sich in seiner Durchsetzungsfähigkeit als Führungsposition und Entscheidungsträger vorzustellen/ein zu bürgern.
Aber wenn ein Raum, wie bei deiner Tante, baulich durch ein Gitter begrenzt wird, dann wird das vom Hund nicht als Raumverwaltung verstanden, da keine "imaginäre" Grenze durchgesetzt wird. In dem Fall wäre Raumverwaltung, wenn der Hund verstanden hat, dass die Treppe von deiner Tante beansprucht wird, also ihr gehört und der Hund diesen "Besitzanspruch" akzeptiert und nicht in Frage stellt. Bauliche Begrenzungen sind eine verpasste Möglichkeit, sich für den Hund als Führungswesen zu etablieren.
 
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5. Jan. 17:00
Hallo Steffi, ich verstehe deine Zweifel und finde es berechtigt, dass du kritisch hinterfragst. Es stimmt, dass viele Konzepte in der Hundeerziehung oft menschliche Denkweisen auf Hunde projizieren. Tatsächlich basieren viele populäre Methoden mehr auf individuellen Ideen als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Beim Thema "Raumdenken" bei Hunden ist es in meinen Augen wichtig, zwischen dem menschlichen Konzept des Raumdenkens und dem natürlichen Verhalten von Hunden zu unterscheiden. Hunde nutzen zwar Raum in ihrer Kommunikation und Interaktion, aber das ist nicht unbedingt vergleichbar mit unserem komplexen Verständnis von Raum. Ihre Raumwahrnehmung ist eher instinktiv und situativ, basierend auf ihrem unmittelbaren Umfeld und Erfahrungen. Das Konzept des "Splittens", das ich schon mal erwähnte und du nochmal angesprochen hast, ist in meinen Augen ein gutes Beispiel dafür, wie Hunde Raum in ihrer Körpersprache nutzen. Es ist eine Form der Kommunikation, die darauf abzielt, Spannungen zu reduzieren, aber es ist kein bewusstes "Denken in Räumen", wie wir Menschen es verstehen. Die Idee, dass Hunde in ähnlichen Raumkonzepten wie Menschen denken, könnte tatsächlich mehr eine menschliche Interpretation sein. Hunde reagieren auf ihre Umgebung und auf das Training, das sie erhalten, aber dies bedeutet nicht unbedingt, dass sie ein menschenähnliches Verständnis von Räumen oder Grenzen haben. Deine Skepsis und dein Wunsch nach klaren, wissenschaftlich fundierten Konzepten sind in der Hundeerziehung sehr für mich völlig verständlich. Liebe Grüße 🙂
👍 Super beschrieben.
 
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Fee
5. Jan. 17:26
Genau so ist das "gedacht", gerade für unsichere Hunde hilfreich. Bei charakterstarken Hunden ein Mittel, sich in seiner Durchsetzungsfähigkeit als Führungsposition und Entscheidungsträger vorzustellen/ein zu bürgern. Aber wenn ein Raum, wie bei deiner Tante, baulich durch ein Gitter begrenzt wird, dann wird das vom Hund nicht als Raumverwaltung verstanden, da keine "imaginäre" Grenze durchgesetzt wird. In dem Fall wäre Raumverwaltung, wenn der Hund verstanden hat, dass die Treppe von deiner Tante beansprucht wird, also ihr gehört und der Hund diesen "Besitzanspruch" akzeptiert und nicht in Frage stellt. Bauliche Begrenzungen sind eine verpasste Möglichkeit, sich für den Hund als Führungswesen zu etablieren.
Danke dir für deine Gedanken und die Erläuterung.

Zu dem Beispiel bei meiner Tante: sie hat das Gitter zeitweise genutzt, inzwischen ist es wieder abmontiert und durch die körpersprachliche und verbale Begrenzung weiß Hund, dass sie diese Treppe nicht nutzen darf. Das Gitter war im ersten Jahr als zusätzliche Sicherheit, als Hund alleine daheim blieb.
Schätze, da habe ich mich etwas undeutlich ausgedrückt.
 
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5. Jan. 20:25
Danke dir für deine Gedanken und die Erläuterung. Zu dem Beispiel bei meiner Tante: sie hat das Gitter zeitweise genutzt, inzwischen ist es wieder abmontiert und durch die körpersprachliche und verbale Begrenzung weiß Hund, dass sie diese Treppe nicht nutzen darf. Das Gitter war im ersten Jahr als zusätzliche Sicherheit, als Hund alleine daheim blieb. Schätze, da habe ich mich etwas undeutlich ausgedrückt.
Passt, war nur gerade gut, um an einem konkreten Beispiel die Raumverwaltung zu beschreiben.
Würde beim Garten genauso funktionieren, da aber hier auch Nachbarn und andere Menschen /Tiere /Reize vorhanden sind, wäre ich hier auch immer bei einem Zaun als 100%ige Variante. Oder ich wäre zu 100% immer mit draußen und entsprechend aufmerksam um alles zu regeln und die Grenze immer wieder aufs Neue zu bestärken.
 
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Sonja
5. Jan. 20:34
Aus einem anderen Thread:
"Zusätzlich laufe ich in stressigen Situationen einfach vor meiner Hündin, sodass sie etwas ausgebremst wird."
Das ist Raumverwaltung in der Praxis.
 
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Katja
5. Jan. 21:33
Zum Thema „was Hunde untereinander“ tun, empfehle ich mal die Lektüre von Eberhard Trumler, dem Konrad Lorenz der Hunde-Verhaltensforschung: „Mit dem Hund auf Du“.
Darin beschreibt er schöne Beispiele aus seinem Dingorudel: vor allen Dingen die Rolle des Vaters bei der Welpenaufzucht, fand ich ausgesprochen spannend, da er für die Etablierung der Grenzen zuständig ist.
Ein schönes Beispiel war, dass er mit einem uralten Knochen oder Stock in den Zwinger kommt und den in die Mitte legt… und dann jedem Welpen auch aus der Entfernung sehr klar macht, dass der Raum um diesen „wertvollen Schatz“ von ihm beansprucht wird und sie daran nichts verloren haben!
Total spannend!!!😀