Ich finde die Diskussion um die Rutenfrage echt spannend und hab dazu auch mal ein bisschen recherchiert und nachgelesen. Gerade im Zusammenhang mit sozialer Kommunikation und Emotionen gibt es da interessante Differenzierungen.
In The Domestic Dog beschreiben Bradshaw & Casey (2007), dass eine hoch getragene Rute z. B. Selbstsicherheit, Durchsetzungsfähigkeit oder soziale Präsenz anzeigen kann – etwa beim Imponieren, bei Statussignalen oder beim Erkunden von Neuem. Das ist nicht automatisch gleichzusetzen mit Aufgeregtheit im Sinne von Nervosität oder Kontrollverlust.
Wörtlich heißt es:
“High tail carriage, especially if held stiffly, is one of the clearest visual signals of a dog’s confidence or assertiveness […]”
(Bradshaw & Casey, in: Serpell (Hrsg.), The Domestic Dog, Cambridge University Press, 2007)
Die Bezeichnung „Präsenz“ ist in dem Zusammenhang übrigens verhaltensbiologisch unproblematisch – solange man damit kein menschliches Innenleben in Hunde projiziert, sondern ein beobachtbares Ausdrucksverhalten meint: „Hier bin ich, ich weiß das – und du sollst das auch wissen.“
Also ein sicher, ruhig oder bestimmend auftretender Hund, der mit Körpersprache signalisiert, dass er da ist, sich seiner Wirkung bewusst ist und nicht weicht. So ein Hund ist aktiviert im Sinne von klarer sozialer Kommunikation – aber nicht erregt im Sinne von Nervosität oder Überforderung.
Genauso wenig sicher lässt sich sagen, dass die tief getragene Rute pauschal als Gegenpol bzw. als „nicht erregt“ interpretiert werden kann – etwa in Situationen, in denen ein Hund bewusst keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen will, sich konzentriert heranarbeitet oder sich eher entzieht. Auch das passt eher dazu, dass die Rutenhaltung kontextabhängig ist und eben Teil des Ausdrucksverhalten, kein Absolutwert.
Ein kleiner Einschub noch zum Begriff „Erregung“:
Natürlich ist jeder Hund, der aufmerksam erkundet oder sozial präsent agiert, physiologisch aktiviert – da bin ich ganz bei Joe. Erregung ist in diesem Sinne messbar, z. B. über Herzfrequenz oder Hormonlevel.
Aber das bedeutet eben nicht automatisch Aufgeregtheit im Sinne von innerer Unruhe, Stress oder Kontrollverlust. Auch ein sicher auftretender Hund mit klarer Körpersprache hat ein erhöhtes Aktivierungsniveau – ist aber nicht dysreguliert.
Insofern liegen die Positionen hier eigentlich gar nicht so weit auseinander: Entscheidend ist, ob man unter „erhöhter Erregung“ eine biologisch messbare Aktivierung versteht oder schon ein Verhalten mit emotionalem Ungleichgewicht. Letzteres war im Ursprung mMn gar nicht zwingend gemeint – wird in der Diskussion aber offenbar unterschiedlich geframet.