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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Juli

"Notfall"-Reaktion bei Leinenreaktivität

Guinness ist einigen Rivalen in der Gegend gegenüber gerade eine ziemliche Popoöffnung. In den allermeisten Fällen bemerke ich seine Vorzeichen und hab das dann sehr gut im Griff, da kann ich auch ohne sonderliche Umstände normal weitergehen. Aber manchmal verpenn ich das rechtzeitige Reagieren oder es kommt jemand um ein Eck und dann mutiert er zum Monstrum, incl ganz hässliches, geiferndes Knurren. Da denkst du, der will den Anderen fressen. Ich find das derart GACK!, dass ich Probleme hab, da vernünftig darauf zu reagieren, meist werd ich dann auf Guinness ärgerlich und wir enden in einem Gerangel um Kontrolle. Ich möchte mir jetzt dafür eine Notfall-Reaktion zurechtlegen, um diesem Blödsinn entgegenzusteuern, möchte aber gleich von vorne weg "Nebenwirkungen" möglichst vermeiden - also zB wenn ich G einfach kurz nehmen und stehen bleiben würde, könnte er daraus schließen wenn er steht und geifert, geht der Rivale weg...? Habt ihr vielleicht Vorschläge, was eine sinnvolle Reaktion sein könnte, wenn er bereits ausgelöst hat?
 
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Lena
1. Juni 15:24
Ja stimmt, das wurde erwähnt. Aber keine Alternative, die ihm besser beim Regulieren hilft, oder?
Weil ich leider noch keine Alternative gefunden habe….. aber das mit den Stöcken konnte ich trotzdem nicht mehr so laufen lassen!
 
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Lena
1. Juni 15:29
Nein. Ich glaube auch nicht, dass es bei Samu mit Frustrationstoleranz getan ist. Sicher ist das auch ein Part, aber wenn er so gestresst ist, muss man erstmal da ansetzen und eine Alternative bieten. Was natürlich schwierig ist, wenn er beim Überqueren der Straße ausflippt.
Ich versuche es wie schon erwähnt ja mit Leckerlie Suche, sowohl „einfach so zwischendurch“ als präventive Maßnahme und eben auch wenn er anfängt zu springen, um das möglichst direkt umzulenken, was ja auch gut und sofort klappt.

Er ist ja gar nicht mehr so gestresst. Das ist es ja! Es ist schon 1000x besser geworden und wir haben viele entspannte Spaziergänge.
Dann kommt so eine Situation wie an der Ampel mit den anderen Hunden hinter uns und dann….. obwohl vorher wirklich alles supi war!
 
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Lena
1. Juni 15:31
Ich verstehe das und wenn die Situation schon so brisant ist, ist das womöglich auch wirklich nötig und sinnvoll... Ich kann aber nicht umhin mich zu fragen - ausdrücklich NICHT als Schuldzuweis sondern im Sinne einer Reflexion oder Analyse gemeint - wie es zu derart heftigen Reaktionen kommt - die Befürchtung, dass der eigene Hund auf einen losgehen könnte, weil ihm was nicht passt, ist ja jetzt schon im oberen, ziemlich zugespitzten Bereich der Problempyramide...
Wie Nina ja schon geschrieben hat, hab ich das so ja nicht gesagt und so wie du es beschreibst ist es auch zum Glück nicht.
 
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Lena
1. Juni 15:33
Ich verstehe, was du meinst mit der Gefahr von „Symptombekämpfung“ – das ist ein wichtiger Punkt, den man bei Frustübungen und Impulskontrolle im Hinterkopf behalten sollte. Ich habe bei Neo aber genau das Gegenteil versucht: Statt „Frustübungen“ oder isolierte Impulskontrollübungen in den Alltag einzustreuen, haben wir alltägliche, reale Situationen ritualisiert, in denen Frust und Erregung sowieso auftreten (z. B. Hundebegegnungen oder Wildsichtung). Das Ziel war nicht, Symptome zu bekämpfen, sondern Neo Werkzeuge zu geben, wie er selbst mit der Erregung oder dem Frust umgehen kann – und das im Rahmen echter Situationen. Diese Rituale waren also konkrete Hilfen in Momenten, die vorher unkontrolliert oder problematisch waren. Neo hat nicht „einfach geübt“, sondern gelernt: „Wenn ich jetzt hochfahre, gibt es ein bekanntes Muster, das mir hilft, wieder runterzukommen.“ Mir ist wichtig, dass so etwas nicht als „Training für die Prüfung“ missverstanden wird, sondern als echte Hilfe im Alltag, die den Hund unterstützt, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln.
Und genau so möchte ich das ja auch gerne machen, hab nur noch nicht die richtigen Mittel und Wege für uns gefunden….
 
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Lena
1. Juni 15:36
Die Ursache für das anspringen ist Respekt. Er soll keine Angst haben. Aber soviel Respekt das wenn er was dummes macht es für ihn blöd ist. Noch ein kleiner tip wenn er sich dann zurück genommen hat sofort wieder weich sein und ihn loben und mit Futter belohnen.
Nein, das ist nicht die alleinige Ursache. Das trägt dazu bei, dass er in gewissen Situationen keinen ausreichenden Respekt hat. Aber warum ist das in diesen Situationen so? Weil es zu stressig für ihn ist. So sehe ich das zumindest.
Weil hätte Samu grundsätzlich keinen Respekt vor mir, dann würde vieles ganz anderes aussehen..
 
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Lena
1. Juni 15:38
Wenn etwas an einem anderen Ort nicht klappt, hab ich doch nicht automatisch einen Fehler gemacht.. es ist eben nur noch nicht generalisiert.
Ich verstehe deine gesamte Aussage und die Zusammenhänge nicht so wirklich..
 
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Lena
1. Juni 15:39
Na da fallen mir schon Dinge ein Versuche ich aber zu vermeiden. Hier in der Nachbarschaft wohnt ein Boarder Collie und die beiden sind sich nicht freundlich gesinnt. Weil der Boarder vom drei Meter hohen Balkon runter böbelt. Und auf Dicke Hose macht. Und in dem Moment habe Ruckzuck einen Frust Hund der das dann auch deutlich zeigt.
Mir fällt da bei Samu leider so gar nix ein….

Vielleicht liegt das aber auch daran, dass er Frust eigentlich doch ziemlich gut aushalten kann bzw nicht so leicht zu frustrieren ist?!? ..und wir das eigentlich gar nicht trainieren müssen.. 🤷🏽‍♀️
 
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Jörg
1. Juni 17:31
Mir fällt da bei Samu leider so gar nix ein…. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass er Frust eigentlich doch ziemlich gut aushalten kann bzw nicht so leicht zu frustrieren ist?!? ..und wir das eigentlich gar nicht trainieren müssen.. 🤷🏽‍♀️
Hat er jemanden außer dir denn er super toll findet. Lass ihn nicht hin. Ruckzuck entsteht Frust. Frust kannst du dann erzeugen wenn du etwas nimmst was er normalerweise immer darf und ihm wichtig ist. Das ist von Hund zu Hund allerdings unterschiedlich bei dem einen kann es Futter sein beim nächsten Spielzeug bei anderen Sozialkontakte. Da gibt's nichts pauschales.
 
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Julia 🐾Nero
1. Juni 17:36
Mir fällt da bei Samu leider so gar nix ein…. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass er Frust eigentlich doch ziemlich gut aushalten kann bzw nicht so leicht zu frustrieren ist?!? ..und wir das eigentlich gar nicht trainieren müssen.. 🤷🏽‍♀️
Kann es denn sein, dass Samu gar kein Impuls- und Frustrationsthema hat so wie du selber schreibst, sondern latent "unzufrieden" ist?

Macht ihr denn eine sinnvolle Beschäftigung? Einen Sport? Irgendwas wo er sich ausleben und verwirklichen kann? Was seine Stärken fördert und er richtig Spaß hat?

Es wirkt bei euch alles sehr strukturiert und "austrainiert". Mit austrainiert meine ich das Maximum, das man durch Training erreichen kann.
Vielleicht ist das einzige was fehlt eine erfüllende Aufgabe?
Nur so als Gedanke.

Mangelnden Respekt vermute ich irgendwie gar nicht. Aber ist auch nur ein "Gefühl", das ich durch viele Beiträge in unterschiedlichen Threads bekommen habe. Eigentlich ist er ein echt feiner Kerl!
 
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SandrA
1. Juni 17:52
Ich hab ja auch schon geschrieben, dass ich glaube, dass es eine Kombi aus Stress und Frust ist, den Samu dann eben an mir ablässt, weil er sich nicht vernünftig selbst regulieren kann. Wenn er gestresst ist, kann er Frust nicht mehr gut aushalten. So in der Art wirkt es auf mich. Ich versuche deshalb auch in genau diese Richtungen zu trainieren, also Impulskontrolle, Frustrationstoleranz und Stressregulation/Stressabbau. Nur habe ich leider noch nicht wirklich was passendes zum Stressabbau bei Samu gefunden.. Um mich auf die von dir genannten Dinge zu beziehen: - Freilauf is nicht drin, da Leinenpflicht (Listenhund) - Spur nachgehen (die vom anderen Hund?) mach ich manchmal, aber meist zieht er dann zu sehr, aber ich Probier es immer mal wieder, ob er das auch ruhig machen kann bzw dann ruhiger wird, klappt aber nicht so wirklich.. - schütteln, scharren (und Knurren) macht Samu wenn dann von sich aus, wüsste nicht wie ich das freigeben könnte..? - Körperkontakt ist für ihn bisher zumindest nicht das richtige in stressigen Momenten Hast du dann vorgegeben was er tun soll oder nur Freigabe und er wählt selbst die Variante zum Stressabbau?? Nach einer Katzenbegegnung lass ich Samu manchmal Leckerlies jagen. Obwohl ich da nicht mal den Eindruck hab, dass er gestresst oder frustriert ist.. Wenn er mich anspringt, dann ist er davor auch nicht gestresst! Zumindest nicht sichtbar.. Kein hecheln, keine weit aufgerissenen Augen, etc. Früher war das ständig so, schon länger aber kaum noch.
Ich kann gut nachvollziehen, was du beschreibst – bei Neo ist es ähnlich.

Zu deiner Frage: Ich habe ihn genau beobachtet und festgestellt, dass er Stress unter anderem durch Schütteln, Scharren und Knurren abbaut. Diese von ihm ausgehenden Handlungen habe ich gezielt ritualisiert, indem ich eine Freigabe darauf gelegt habe. Er bleibt dadurch in Kontakt mit mir, und ich signalisiere ihm: „Ich sehe deine Anspannung und gebe dir Raum, dich runterzufahren.“ Das schafft Vertrauen und erleichtert es ihm, wieder in Balance zu kommen.

Körperkontakt als Entspannung war bei Neo ein längerer Prozess. Ich habe das kleinschrittig, zB über gemeinsame Balanceübungen auf wackeligem oder rutschigem Untergrund, aufgebaut – so wurde Körperkontakt für ihn zur haltgebenden Ressource, statt zur zusätzlichen Belastung. Das hat uns beiden geholfen, in fordernden Situationen mehr Stabilität hineinzubringen.

Was mir bei Neo auch aufgefallen ist: Diese „unsichtbaren“ Stresszeichen, die du bei Samu beschreibst, kenne ich von ihm andersherum. Er wirkt nach außen hin oft zunächst phlegmatisch oder stoisch, als wäre er völlig entspannt. Tatsächlich ist das aber häufig ein Vorzeichen dafür, dass er Anspannung in sich hineinschluckt – bis es irgendwann zu einer plötzlichen Eskalation kommt. Kein sichtbares Hecheln oder Aufreißen der Augen, sondern eher ein „Ich halte das jetzt aus“ – bis das Fass überläuft. Das erfordert viel Aufmerksamkeit, weil es so leicht zu übersehen ist.

Dein Ansatz mit dem Leckerchenspiel nach Katzenbegegnungen ist aus meiner Sicht ein sehr gutes Beispiel. Damit gibst du Samu nach einer potenziell aufregenden Situation einen klaren Kanal, um Spannung abzubauen, bevor sie sich aufstaut. Im Prinzip ist das ähnlich wie die Freigabe oder das Jagdspiel bei Neo – du hilfst ihm, aus der Erregung wieder herauszufinden.

Zum Thema Frust: Ich finde deine Beobachtung absolut schlüssig, dass es bei Samu vermutlich nicht um gezieltes „Frusttraining“ geht. Vielmehr scheint Frust bei ihm in Verbindung mit einem hohen Stresslevel aufzutreten. Das Ziel sollte also eher sein, den Stresspegel insgesamt zu senken und ihm zur richtigen Zeit passende Ventile zur Spannungsregulation anzubieten.

Ich finde es übrigens großartig, wie genau du Samus Verhalten beobachtest. Mit dieser Aufmerksamkeit wirst du sicher passende Strategien finden, die ihm helfen, Stress abzubauen. 😊