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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Juli

"Notfall"-Reaktion bei Leinenreaktivität

Guinness ist einigen Rivalen in der Gegend gegenüber gerade eine ziemliche Popoöffnung. In den allermeisten Fällen bemerke ich seine Vorzeichen und hab das dann sehr gut im Griff, da kann ich auch ohne sonderliche Umstände normal weitergehen. Aber manchmal verpenn ich das rechtzeitige Reagieren oder es kommt jemand um ein Eck und dann mutiert er zum Monstrum, incl ganz hässliches, geiferndes Knurren. Da denkst du, der will den Anderen fressen. Ich find das derart GACK!, dass ich Probleme hab, da vernünftig darauf zu reagieren, meist werd ich dann auf Guinness ärgerlich und wir enden in einem Gerangel um Kontrolle. Ich möchte mir jetzt dafür eine Notfall-Reaktion zurechtlegen, um diesem Blödsinn entgegenzusteuern, möchte aber gleich von vorne weg "Nebenwirkungen" möglichst vermeiden - also zB wenn ich G einfach kurz nehmen und stehen bleiben würde, könnte er daraus schließen wenn er steht und geifert, geht der Rivale weg...? Habt ihr vielleicht Vorschläge, was eine sinnvolle Reaktion sein könnte, wenn er bereits ausgelöst hat?
 
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Heike
22. März 11:34
Hier funktioniert die folgende „Notfallreaktion“ : Wenn „Feindhund“ plötzlich im Sichtfeld und sehr nah, weil Kreuzung, Ecke und Juri löst direkt aus mit in die Leine springen, massiv nach vorne „draufgehen“ und wütendem Gebell. Hat also das Kriegsbeil praktisch direkt ausgegraben😨 Dann blockiere ich ihn frontal, fasse gleichzeitig ins Geschirr und drehe um 180 Grad um, so dass der andere Hund möglichst sofort aus seinem Gesichts-, evtl. sogar Geruchsfeld kommt. Dann direkt ins Sitz bringen (funktioniert nur körpersprachlich in dieser Situation) und doll loben (verbal). Warten bis der andere Hund „weg“ ist. Ich währenddessen die Ruhe selbst 😜
Klingt gut muss ich echt mal versuchen.
 
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Dogorama-Mitglied
22. März 14:33
Bei uns hat sich die Variante, dass ich meine Hunde in solchen beengten Situationen hinter mich bringe, bewährt; heißt ich stehe mit dem Rücken zu ihnen. Dem zu uns ziehenden und pöbelnden Hund stehe ich frontal und durchaus drohend gegenüber. Das klappt - wie gesagt - mittlerweile überwiegend recht gut, weil wir das so zigfach in kontrollierten Hundebegegnungen trainiert haben - auch mit Signalwort. Es läuft nach wie vor nicht immer alles rund; meine größte Baustelle ist aktuell aber diejenige bei mir selbst; in das Vertrauen meinerseits insbesondere in meinen Rüden, dass er mir die Kontrolle überlässt.
Ok...hast du das eine Zeit lang bei jeder Begegnung trainiert oder in speziellen Übungseinheiten?
 
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SandrA
22. März 15:03
Ok...hast du das eine Zeit lang bei jeder Begegnung trainiert oder in speziellen Übungseinheiten?
Zunächst in speziellen Übungssituationen mit einem Hundetrainer. Durch ihn ist mir überhaupt erst bewusst und klar gemacht worden, wie sehr ich in Konfliktsituationen körpersprachlich meine eigenen Hunde bedrohe - natürlich völlig unbewusst.
Ich bin aus allen Wolken gefallen und konnte gut nachvollziehen, dass mein Verhalten meine Hunde zuweilen sehr irritiert haben muss. Daher habe ich mich für die Variante entschieden, ihnen den Rücken zuzudrehen, wenn es eng wird und wir uns nicht wegbewegen können. Das haben wir schrittweise aufgebaut und eingeübt wie eine Choreografie.
Das, was sich mir aus der Zeit am meisten eingeprägt hat, war die Aussage des Trainers, dass ich mich umdrehen kann, weil ich meinem Hund vertraue, dass er seinen Job hinter mir zu bleiben erledigt. Und das tut er, weil er mir vertraut, dass ich meinen vorne erledige.
 
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Dogorama-Mitglied
22. März 15:08
Mein heutiges Beispiel: Ich war mit der Kleinen am Strand spazieren und üben. Den Rückweg hab ich über den oben liegenden Weg gemacht. Vor mir ging eine Frau mit zwei großen Mischlingen, beide an der Leine, einer rechts, einer links. Sie ging ca. 30 m vor mir. Plötzlich schossen vom Strand kommend zwei Hunde, ein weißer Schäferhund und ein etwas kleinerer Mischling auf sie zu. Da sie keine Hand frei hatte wegen ihrer angeleinten Hunde, hatte sie dann aus der Not heraus nach dem Schäferhund getreten (nicht getroffen, war auch nicht beabsichtigt, es war nur ein „in die Richtung treten“). Natürlich suboptimal, aber was sollte sie sonst machen. Letztlich zogen beide Hunde ab. Ich hatte ja nun die gleiche Richtung und dachte an Umkehr, anderen Weg - weil einmal mag so ein abblocken gut gehen, beim zweiten Mal kann der Reiz ja noch höher sein, außerdem war ich nur mit einem Hund unterwegs. Letztlich dachte ich: nö, ich lass mich doch nicht vertreiben. Außerdem könnte man ja vielleicht (VIELLEICHT) erwarten, dass die Halter auch dazulernen und ihre Hunde vielleicht bei sich behalten oder so. Ich Dummerchen. Es kam also so, wie es kommen musste: als ich an der Stelle vorbei kam schoss der Schäferhund auf uns zu, und ja, wie befürchtet lies er sich nicht so gut abwimmeln wie kurz zuvor. Es handelte sich übrigens um eine Hundeschulgruppe von drei Mensch-Hund-Teams, die auf einer Wiese zwischen Strand und Weg trainierten. Ich hatte zuerst verbal geblockt, null Wirkung. Dann hab ich meinen Weg deutlich von „weiter geradeaus“ auf „frontal auf den Schäferhund zu“ geändert und ihn mit Körper, ausgestreckter Hand und einem „hau ab!!!“ gestoppt. Kaisa an der kurzen Leine hat alles mitgemacht. Zu ihr zu schauen hatte ich keine Zeit und keine Nerven. Aber sie hat mich zu null in meinem Tun behindert. Und sie konnte haargenau unterscheiden, wen ich meinte. Dass das Blocken den anderen Hunden galt und ICH mich gekümmert hatte, dass das mein Ding war. Zwischendurch hatte sie gewufft, also einfach nur ein leises „Wuff, Wuff!“ Darauf hab ich mit meinem ganz neutral gesprochenen „wir gehen weiter“ reagiert. Also letztlich ist die Situation doch ziemlich entspannt abgelaufen, nach meinem „hau ab!“ war ich die anderen Hunde los. Spannend war an der ganzen Sache die totale Untätigkeit der Halterinnen und der Trainerin. Es wirkte, als warteten sie auf mehrere Situationen, um verschiedene Varianten des Blockens zu studieren 😂. So, nun zu deiner Frage „was tun“. Also zum einen: dass das Blocken den eigenen Hund mit offensiv werden lässt und dass das unbedingt kontraproduktiv sein muss, das kann ich nicht bestätigen. Ich würde an deiner Stelle dieses offensive blocken üben. Indem du einfach mal zackig die Richtung auf andere Hunde zu änderst, und dann bevor sich G. steif macht sogleich wieder abwendest. Dass er dieses „drauf zu“ einfach lernt, dass du das machst. Und dass das dein Ding ist, er damit Nix weiter zu tun hat, als unbeteiligt dabei zu sein. Ist doch ein Klacks 😉. Bei uns funktioniert das echt gut.
Bei mir wär Guinness in dieser Situation mit allergrösster Wahrscheinlichkeit auch ohne Leine gewesen und damit hätte es von vorne weg schon keinen Grund zum Blocken gegeben 😉

Bei meinen bisherigen Versuchen was zu "regeln", hat Guinness sich immer zum mitregeln aufgefordert gefühlt.
Und nicht weil er denkt ich kann das nicht - das hat er ja mehrfach erlebt, dass ich das sehrwohl kann - sondern weil er generell sehr schnell in Aufregung und Aktion versetzt ist und man sich rund um ihn sehr wohldosiert verhalten muss, um ihn nicht übermäßig zu aktivieren.

Man kann ihn schon in relativ neutralen Situationen schwer davon überzeugen, dass ihn Dinge nichts angehen - er denkt zB nach wie vor immer Mal wieder, dass telefonierende Leute mit ihm reden, fühlt sich von Blickkontakt zum Hinlaufen aufgefordert, steckt den Kopf in jedes offene Kellerfenster und kriegt den langen Hals um ja über jede Hecke und um jede Ecke gucken zu können.

Wie oft ich zu dem Hund sag "das geht dich nix an" oder "lass die Leute in Ruhe".
Jenseits davon, ihn dauerhaft im strengen Gehorsam zu halten, ist das zwar moderierbar, aber nicht abzustellen...das ist halt seine Art.

Ihn also davon zu überzeugen, dass es ihn gerade dann nix angeht, wenn ich in Abwehr gehe, stell ich mir echt schwierig vor...

Aber ich werde es mal austesten und versuchen, ob das machbar ist.
 
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Dogorama-Mitglied
22. März 15:12
Zunächst in speziellen Übungssituationen mit einem Hundetrainer. Durch ihn ist mir überhaupt erst bewusst und klar gemacht worden, wie sehr ich in Konfliktsituationen körpersprachlich meine eigenen Hunde bedrohe - natürlich völlig unbewusst. Ich bin aus allen Wolken gefallen und konnte gut nachvollziehen, dass mein Verhalten meine Hunde zuweilen sehr irritiert haben muss. Daher habe ich mich für die Variante entschieden, ihnen den Rücken zuzudrehen, wenn es eng wird und wir uns nicht wegbewegen können. Das haben wir schrittweise aufgebaut und eingeübt wie eine Choreografie. Das, was sich mir aus der Zeit am meisten eingeprägt hat, war die Aussage des Trainers, dass ich mich umdrehen kann, weil ich meinem Hund vertraue, dass er seinen Job hinter mir zu bleiben erledigt. Und das tut er, weil er mir vertraut, dass ich meinen vorne erledige.
Das ist bei mir sehr ähnlich, ich wende mich da auch gegen Guinness und massregle ihn...

Ich muss da wohl wirklich Alternativen überlegen.
 
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Julia 🐾Nero
22. März 17:10
Wie kommst du darauf, dass Guinness keine Korrektur kennt? Der wird tatsächlich recht häufig korrigiert, zB weil er bei Aufregung zum Vorziehen neigt und ich ihn da, neben Stehenbleiben, Durchatmen und etwas Entspannen, auch körperlich ausbremse. Er kennt auch geschnappt und festgehalten und gezogen und herumgeschoben und geschubst und angestupst zu werden. Genauso wie ich kenne von ihm gezogen und geschubst und gestupst und mit der Pfote geangelt oder auf mich draufgestiegen zu werden. Manches davon entspringt Genervtheit und wäre definitiv verzichtbar, grundsätzlich find ich aber schon, dass zu Kommunikation auch körperliche Interaktion und Angreifen gehört. Was aber trotzdem nicht heisst, dass ich das als erste Wahl im Trainingsansatz empfehlen würde, weil es immer bedeutet, dass zuerst ein Fehler erlaubt oder provoziert werden muss, damit man korrigieren kann. Das find ich nicht ideal, imho sollte schon bevorzugt versuchen werden, die Fehler zu vermeiden und aktiv durch Alternativen zu ersetzen.
Hm ich probiere es noch mal zu formulieren und dann akzeptiere ich einfach, dass ich mich schlecht artikulieren und nicht verständlich erklären kann.

Was an dem schnappen, festhalten, ziehen, schieben und schubsen war für G denn eine verständliche Korrektur?
Also wusste er warum du so handelst und was er stattdessen machen soll?

Vereinfachtes Beispiel: Hund zieht und ich schubse ihn. Woher soll mein Hund wissen, warum ich ihn jetzt plötzlich schubse? Ich habe es die letzten 5 Meter auch nicht gemacht. Vielleicht will ich ja sogar, dass er stärker zieht und strafe ihn für zu wenig Einsatz.
Zweiter Punkt, nachdem ich den Hund geschubst habe, woher soll er denn jetzt wissen, was ich eigenlich von ihm will?
Will ich, dass er stehen bleibt oder weiter geht oder sitzt usw.

Das ist der Unterschied zwischen den Hund sinnbefreit strafen und sinnvoll korrigieren. Eine Korrektur wird so aufgebaut, dass der Hund sofort weiß, wofür er korrigiert wird und was er hätte machen sollen bzw jetzt tun soll.
Das erfordert einen für den Hund verständlichen Aufbau, Wiederholungen, reizarme Umgebung usw bevor man es im echten Leben anwenden kann.

Nehmen wir an mein Hund pöbelt und ich rucke an der Leine? Weiß er denn wieso ich rucke und was soll er denn tun, wenn ich rucke? Vielleicht rucke ich, weil er zu wenig pöbelt? Und was soll er denn jetzt machen? Aufhören, stärker pöbeln, hinter mich gehen, neben mich gehen? Was will ich denn eigentlich?
Das vernachlässigen sehr viele Menschen und die Strafen haben keinen Lernerfolg oder es wird noch schlimmer, weil Fehlverknüpfungen entstehen.

Ich habe ja auch oft und heftig an meinem Hund rummanipuliert und es hat nie irgendwas gebracht. Weil es einfach keine Struktur hatte und unverständlich war.

Jetzt wurde die Korrektur zum ersten Mal so aufgebaut, dass mein Hund zu 100% versteht was er falsch gemacht hat und was er stattdessen machen soll.
Und die Korrektur ist in der Intensität ein Bruchteil vom dem, was ich vorher eingesetzt habe. Und die Häufigkeit des Einsatzes sinkt auch kontinuierlich.
Mehr braucht es aber gar nicht mehr, weil es einfach so sitzt und viele würden es gar nicht mal mehr Korrektur nennen, sondern irgendeinen Euphemismus vorziehen, wie Impuls o.ä.
Ich bleibe beim Wort Korrektur, weil ich aus eigener Erfahrung überzeugt davon bin, dass es eine wertvolle Lernkomponente ist und ich mich nicht hinter schöneren Worten verstecken will, sondern zu dieser Meinung stehe.
 
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Julia 🐾Nero
22. März 17:24
Das klingt in der Theorie richtig super. Und jetzt sagst du mir bitte noch, wie "Guinness hinter dir" klappen soll bei einem Hund, der findet, dass wenn der Aff sich kümmert heisst das wir beide kümmern uns. Er weiss absolut, dass ich mir Respekt und Raum verschaffen kann, das erlebt er ja durchaus an sich selbst und ich hab als er kleiner war auch Hunde von ihm vertrieben und zwar so, dass die froh waren, ihrerseits auf Abstand gehen zu können. Er ist aber so absolut nicht der Typ, der wenn er ärgerlich ist hinter jemandem Schutz suchen will. Jede räumliche, körperliche Offensive sieht er als Aufforderung, gemeinsam mit mir zu handeln. Ganz anders übrigens ohne Leine und wenn er irritiert anstatt ärgerlich ist, da kommt er sehrwohl zu mir und beschwert sich (auch über Rivalen), aber auch da führe ich ihn auf Distanz und nicht in die Offensive, weil er sonst raufen würde. Er ist definitiv nicht zu feige für eigenständiges Vertreiben und Kommentkämfe und obwohl ich das als zum Repertior gehörend betrachte, will ich es nicht befördern oder bestärken.
Also dass der Hund hinter einem bleibt ist keine Selbstverständlichkeit und erfordert viel, viel Übung.
Zunächst müsstet ihr das einstudieren, dass er hinter dich geht (mit Luring geht das glaube ich echt gut).
Also ein "Hinter" Kommando sozusagen.
Erst wenn das sitzt würde ich das Hinter Kommando in Situationen trainieren, in denen nix aufregendes los ist.
Beispiel Fußgänger kommt, und der Hund muss hinter mich gehen.

Ich hab nämlich den Fehler gemacht, dass ich neben mir gehen immer nur bei Hundebegegnungen einfordern wollte.
Erst als ich angefangen habe ihn einfach mal an einer Mülltonne ins Fuß zu nehmen, oder bei Menschen (die ihm ja eh egal sind) ist es so flüssig geworden, dass es bei Hundebegegnungen überhaupt in Frage kam. (dadurch dass ich es immer nur in Hundebegegnungen gemacht hatte, hatte er Fuß auch mit Aufregung und gleich passiert was verknüpft. Ich habe ihn selber schon in Pöbelstimmung gebracht)

Naja, dann würde ich G einfach ab und an ins "Hinter" nehmen wenn freundliche Hunde vorbeigehen.

Und als allerletzte Schritt kommt das "Hinter" beim Pöbler.
Das dauert natürlich Wochen und erfordert tägliche kleine Einheiten bis es richtig gut sitzt.
 
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Nina &
22. März 17:26
Hm ich probiere es noch mal zu formulieren und dann akzeptiere ich einfach, dass ich mich schlecht artikulieren und nicht verständlich erklären kann. Was an dem schnappen, festhalten, ziehen, schieben und schubsen war für G denn eine verständliche Korrektur? Also wusste er warum du so handelst und was er stattdessen machen soll? Vereinfachtes Beispiel: Hund zieht und ich schubse ihn. Woher soll mein Hund wissen, warum ich ihn jetzt plötzlich schubse? Ich habe es die letzten 5 Meter auch nicht gemacht. Vielleicht will ich ja sogar, dass er stärker zieht und strafe ihn für zu wenig Einsatz. Zweiter Punkt, nachdem ich den Hund geschubst habe, woher soll er denn jetzt wissen, was ich eigenlich von ihm will? Will ich, dass er stehen bleibt oder weiter geht oder sitzt usw. Das ist der Unterschied zwischen den Hund sinnbefreit strafen und sinnvoll korrigieren. Eine Korrektur wird so aufgebaut, dass der Hund sofort weiß, wofür er korrigiert wird und was er hätte machen sollen bzw jetzt tun soll. Das erfordert einen für den Hund verständlichen Aufbau, Wiederholungen, reizarme Umgebung usw bevor man es im echten Leben anwenden kann. Nehmen wir an mein Hund pöbelt und ich rucke an der Leine? Weiß er denn wieso ich rucke und was soll er denn tun, wenn ich rucke? Vielleicht rucke ich, weil er zu wenig pöbelt? Und was soll er denn jetzt machen? Aufhören, stärker pöbeln, hinter mich gehen, neben mich gehen? Was will ich denn eigentlich? Das vernachlässigen sehr viele Menschen und die Strafen haben keinen Lernerfolg oder es wird noch schlimmer, weil Fehlverknüpfungen entstehen. Ich habe ja auch oft und heftig an meinem Hund rummanipuliert und es hat nie irgendwas gebracht. Weil es einfach keine Struktur hatte und unverständlich war. Jetzt wurde die Korrektur zum ersten Mal so aufgebaut, dass mein Hund zu 100% versteht was er falsch gemacht hat und was er stattdessen machen soll. Und die Korrektur ist in der Intensität ein Bruchteil vom dem, was ich vorher eingesetzt habe. Und die Häufigkeit des Einsatzes sinkt auch kontinuierlich. Mehr braucht es aber gar nicht mehr, weil es einfach so sitzt und viele würden es gar nicht mal mehr Korrektur nennen, sondern irgendeinen Euphemismus vorziehen, wie Impuls o.ä. Ich bleibe beim Wort Korrektur, weil ich aus eigener Erfahrung überzeugt davon bin, dass es eine wertvolle Lernkomponente ist und ich mich nicht hinter schöneren Worten verstecken will, sondern zu dieser Meinung stehe.
Du hast das gut und für mein Empfinden sehr verständlich erklärt.
Ich habe es bei Bokar ähnlich gemacht. Angefangen habe ich bei Hunden, die ihn nicht stark getriggert haben und wo genug Abstand war. Hat er fixiert, hab ich ihn verbal korrigiert und dann gewartet, ob er von sich aus ein anderes Verhalten anbietet. Wendete er den Blick ab oder fing an zu schnüffeln, habe ich ihn belohnt. Das hat er schnell verstanden. Nun hatten wir grade vor ein paar Tagen einen seiner Feinde getroffen und selbst da hat es funktioniert. Er war zwar aufgeregt, aber kein Vergleich mehr zu den vorigen Malen.

Bei anderen Hunden muss ich inzwischen nichts mehr sagen, da fixiert er nicht mehr, guckt nur kurz und wendet von sich aus dann meistens den Blick ab.

Zurückblickend muss ich sagen, dass wir in den letzten Wochen wirklich einen unheimlichen Sprung nach vorne gemacht haben. Zwischendurch war ich schon wirklich manchmal mit den Nerven runter und merkten schon bevor wir überhaupt losgegangen sind, wie mein Puls stieg. Jetzt bin ich viel entspannter und das merkt er natürlich auch.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
22. März 17:37
Bei mir wär Guinness in dieser Situation mit allergrösster Wahrscheinlichkeit auch ohne Leine gewesen und damit hätte es von vorne weg schon keinen Grund zum Blocken gegeben 😉 Bei meinen bisherigen Versuchen was zu "regeln", hat Guinness sich immer zum mitregeln aufgefordert gefühlt. Und nicht weil er denkt ich kann das nicht - das hat er ja mehrfach erlebt, dass ich das sehrwohl kann - sondern weil er generell sehr schnell in Aufregung und Aktion versetzt ist und man sich rund um ihn sehr wohldosiert verhalten muss, um ihn nicht übermäßig zu aktivieren. Man kann ihn schon in relativ neutralen Situationen schwer davon überzeugen, dass ihn Dinge nichts angehen - er denkt zB nach wie vor immer Mal wieder, dass telefonierende Leute mit ihm reden, fühlt sich von Blickkontakt zum Hinlaufen aufgefordert, steckt den Kopf in jedes offene Kellerfenster und kriegt den langen Hals um ja über jede Hecke und um jede Ecke gucken zu können. Wie oft ich zu dem Hund sag "das geht dich nix an" oder "lass die Leute in Ruhe". Jenseits davon, ihn dauerhaft im strengen Gehorsam zu halten, ist das zwar moderierbar, aber nicht abzustellen...das ist halt seine Art. Ihn also davon zu überzeugen, dass es ihn gerade dann nix angeht, wenn ich in Abwehr gehe, stell ich mir echt schwierig vor... Aber ich werde es mal austesten und versuchen, ob das machbar ist.
Wenn du dich an Leinenpflicht hältst, dann wäre dein Hund heute auch angeleint gewesen 😉

Was mir in deiner Antwort ganz besonders aufgefallen ist, das ist der Satz „wie oft ich zu dem Hund sag „das geht dich nix an“ …..“ usw.
Es geht einher mit SandrAs Beschreibung, dass sie mit ihren Hunden eine Choreografie einstudiert hat. Dem Unterschied zwischen „auf den Hund einreden“ und „Dinge einfach tun“.
SandrAs Beschreibung ihrer Choreografie interpretiere ich ähnlich wie ich mich verhalte mit Hund oder Hunden in bestimmten Situationen.
Ich rede dann überhaupt nicht mehr mit den Hunden. Ich verhalte mich eher so, als wären sie gar nicht da, ich agiere dann einfach. Von den Hunden erwarte ich dann „einfach“, dass sie aufpassen, was ich tue und mir folgen, sprich sich komplett an mir orientieren. Das einzige, was dann meinen Mund verlässt in Richtung meiner Hunde, das sind die Worte „wir gehen weiter“, aber das ist kein Kommando, das ist einfach nur eine Beschreibung, was ich tue. Mindset, wie es auch gerne mal heißt. Falls jemand mitliest und weiß was ich meine, bin ich für weitere erklärende Worte dankbar, ich kann’s grad nicht besser beschreiben.
Es ist tatsächlich „einfach“ eine Änderung meines Verhaltens gewesen: ich gebe keine Kommandos, nix Leckerlies, wir bleiben nicht stehen, ich stelle mich nicht in den Weg oder die Blickrichtung.
Wir gehen weiter. Aufrecht.
SandrAs Choreografie stelle ich mir gerade irgendwie ähnlich vor. Zumal sie ja auch etwas durch ihren Körper, ihre Haltung auszustrahlen scheint, wie sie das in ihrem Beitrag beschrieben hat. Und damit auf ihren Hund „wirkt“.
@SandrA: korrigiere mich bitte, wenn ich da was total falsch verstanden habe.
 
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Nina &
22. März 17:51
Wenn du dich an Leinenpflicht hältst, dann wäre dein Hund heute auch angeleint gewesen 😉 Was mir in deiner Antwort ganz besonders aufgefallen ist, das ist der Satz „wie oft ich zu dem Hund sag „das geht dich nix an“ …..“ usw. Es geht einher mit SandrAs Beschreibung, dass sie mit ihren Hunden eine Choreografie einstudiert hat. Dem Unterschied zwischen „auf den Hund einreden“ und „Dinge einfach tun“. SandrAs Beschreibung ihrer Choreografie interpretiere ich ähnlich wie ich mich verhalte mit Hund oder Hunden in bestimmten Situationen. Ich rede dann überhaupt nicht mehr mit den Hunden. Ich verhalte mich eher so, als wären sie gar nicht da, ich agiere dann einfach. Von den Hunden erwarte ich dann „einfach“, dass sie aufpassen, was ich tue und mir folgen, sprich sich komplett an mir orientieren. Das einzige, was dann meinen Mund verlässt in Richtung meiner Hunde, das sind die Worte „wir gehen weiter“, aber das ist kein Kommando, das ist einfach nur eine Beschreibung, was ich tue. Mindset, wie es auch gerne mal heißt. Falls jemand mitliest und weiß was ich meine, bin ich für weitere erklärende Worte dankbar, ich kann’s grad nicht besser beschreiben. Es ist tatsächlich „einfach“ eine Änderung meines Verhaltens gewesen: ich gebe keine Kommandos, nix Leckerlies, wir bleiben nicht stehen, ich stelle mich nicht in den Weg oder die Blickrichtung. Wir gehen weiter. Aufrecht. SandrAs Choreografie stelle ich mir gerade irgendwie ähnlich vor. Zumal sie ja auch etwas durch ihren Körper, ihre Haltung auszustrahlen scheint, wie sie das in ihrem Beitrag beschrieben hat. Und damit auf ihren Hund „wirkt“. @SandrA: korrigiere mich bitte, wenn ich da was total falsch verstanden habe.
Ich glaube, es ist gar nicht so sehr der Satz "wir gehen weiter". Natürlich kennen deine Hunde diesen Satz, aber viel wichtiger ist das, was du dabei ausstrahlst. In dem Moment, wo du diese Worte sagst und selbst davon überzeugt bist, dass ihr einfach weitergeht, ändert sich deine ganze Körpersprache dahingehend.

Wenn du dir z.B. abends immer sagst "ich habe furchtbare Angst im Dunkeln", dann wird ein aufmerksamer Mensch sicher schnell erkennen, dass du genau das auch ausstrahlst. Du gehst nicht mehr so aufrecht, du wirst verkrampfter usw.

Ich merke das selbst oft, wie sehr die eigenen Gedanken die Körperhaltung bzw. die Ausstrahlung verändern. Positiv wie negativ.