Die Selbstreflexion und Veränderung des eigenen Verhaltens kann ja genauso gut über Beziehungs-analyse und -arbeit erfolgen.
Als anektodisches Beispiel, wenn ich von einer engen und "guten" Bindung mit meinem Hund ausgehe, entbindet es mich nicht davon an meinem Verhalten zu arbeiten, weil ich von einer problematischen Beziehung ausgehe, für die primär ich verantwortlich bin.
Das zeigt sich unter anderem dadurch, dass Nero bei der Sitterin ein vorbildlicher Traumhundstreber ist, weil die Beziehung dort trotz fehlender Bindung einfach top ist.
Ob man die Probleme der Bindung oder Beziehung zuschreibt ist für die Selbstreflexion und Arbeit an sich selbst erst mal nicht entscheidend glaube ich, solange man Probleme erkennt und konstruktive Lösungen sucht.
Das Ding ist ja, streng nach Bowlby wären die Probleme die ich habe nicht mal durch mich verschuldet, sondern durch den Bindungstyp meines Hundes mit seiner Hauptbezugsperson in seiner ersten Familie.
Das könnte mich genauso von Verantwortung entbinden, wenn man wollte.
Ich sage jetzt nicht, dass das deine Position ist, denn du hast ja erklärt, dass du eh von einer weiterentwickelten Version der Theorie ausgehst.
Aber grundsätzlich ist die Theorie spannend und ich werde mich ein bisschen mehr damit beschäftigen.
Bowlby ist ja auch eine anerkannte und fundierte Theorie, die trotz Kritik Ansehen findet und weiterentwickelt als Grundlage für das Verständnis der frühkindliche Entwicklung dient.
Im Gegensatz zum Beispiel zu der Archetypen-Theorie, die keinerlei nationale oder internationale Anerkennung unter Kynologen oder Verhaltensforschern findet und mehr oder minder "frei erfunden" von einer Frau ist, die viel Geld damit macht.
Aber weil es eine Theorie ist und in einem Buch steht hat er für viele Anhänger einen großen Wahrheitsgehalt.
Dennoch schwören viele Hundehalter darauf, dass sie positive Veränderungen aufgrund dieser Theorie herausarbeiten konnten und das kann ihnen keiner absprechen.
Hm, vielleicht kam das etwas falsch rüber - ich meine überhaupt nicht, dass jeder die Bindungstheorien kennen muss, um selbstreflektiert an seinen Beziehungsmustern zu arbeiten.
Was ich meine ist, wenn man schon im Zusammenhang mit Ratschlägen "Bindung" ins Spiel bringt, sollte man sich vielleicht mal ansehen, was die Hintergründe dieses Begriffes sind, weil die Beobachtungen und Theorien dazu Schlaglichter auf sensible und leicht übersehbare Ursache-Wirkungs-Verwebungen werfen.
Ich sehe auch kein "entweder Beziehung oder Bindung", in meinem Verständnis beschreibt die Bindungstgeorie eine spezielle Art bzw "Unterkategorie" von Brziehung - nämlich eine asymmetrische Beziehung, in der ein Partner weitumfänglich vom anderen abhängig ist.
Gerade diese Art von Beziehung ist naturgemäss extrem anfällig für Belastungen, internen Störungen, Unklarheiten, Inkonsistenzen, Missverständnisse, oft auch ungewollten und unbemerkten Übergrifgigkeiten.
Da nehm ich mich ganz explizit mit rein, dafür bin ich sehr anfällig und finde deshalb den Nasenstüber, den man von solchen Ausarbeitungen wie den Bindungsmodellen bekommt, auch so wertvoll.
Und aus dem selben Grund meckere ich immer rein, wenn von den "gleichberechtigten" Beziehungen "auf Augenhöhe" geschwärmt wird.
Solange der Hund sich nicht selbst verpflegen und weitestgehend kommen und gehen und tun und lassen kann was er will, ist das schlicht nicht existent.
Und anzunehmen es wäre so, macht einen blind für die Machtposition und Entscheidungsgewalt, die man über das Lebewesen hat.
Wohlwollend zu Gewähren ist halt einfach nicht das Selbe wie Gleichberechtigung herzustellen.