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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Juli

"Notfall"-Reaktion bei Leinenreaktivität

Guinness ist einigen Rivalen in der Gegend gegenüber gerade eine ziemliche Popoöffnung. In den allermeisten Fällen bemerke ich seine Vorzeichen und hab das dann sehr gut im Griff, da kann ich auch ohne sonderliche Umstände normal weitergehen. Aber manchmal verpenn ich das rechtzeitige Reagieren oder es kommt jemand um ein Eck und dann mutiert er zum Monstrum, incl ganz hässliches, geiferndes Knurren. Da denkst du, der will den Anderen fressen. Ich find das derart GACK!, dass ich Probleme hab, da vernünftig darauf zu reagieren, meist werd ich dann auf Guinness ärgerlich und wir enden in einem Gerangel um Kontrolle. Ich möchte mir jetzt dafür eine Notfall-Reaktion zurechtlegen, um diesem Blödsinn entgegenzusteuern, möchte aber gleich von vorne weg "Nebenwirkungen" möglichst vermeiden - also zB wenn ich G einfach kurz nehmen und stehen bleiben würde, könnte er daraus schließen wenn er steht und geifert, geht der Rivale weg...? Habt ihr vielleicht Vorschläge, was eine sinnvolle Reaktion sein könnte, wenn er bereits ausgelöst hat?
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 15:32
Nur kurz am Rande: Das was ihr hier beschreibt ist Beziehung, nicht Bindung. Bindung wird ausschließlich im Falle einer Trennung sichtbar/erkennbar. Bei der Beziehung geht es u. a. um Vertrauen und Respekt. Ein Hund kann eine sehr gute Bindung zu einem Menschen haben, aber gleichzeitig eine schlechte Beziehung zu ihm. Der Hund kann seinem Menschen bei Trennung hinterher trauern, obwohl er ihm nicht vertraut und vielleicht sogar Angst vor ihm hat.
🤔...

Kannst du das vielleicht näher erklären?

Was hat Bindung mit Trauer zu tun?
Was genau soll eine "sehr gute" Bindung sein?
Und wie könnte ein Hund die zu einem Menschen haben, vor dem er Angst hat?
 
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SandrA
12. Juni 15:35
Ja, da kann ich mit, wobei ich die Handfütterung als gegebenenfalls beziehungsfördernd bezeichnen würde (sofern der so Gefütterte das als angenehm empfindet oder die die Etablierung einer Kontaktaufnahme unterstützt). Die Bindungsentwicklung ansich sehe ich wie gesagt nicht ursächlich mit Fütterung verknüpft, ich denke, dass auch zu Bezugspersonen, die nie Nahrung zur Verfügung stellen, die selben Bindungsarten entstehen können. Soweit ich informiert bin, geht es bei Bindung vorrangig darum, ob die Bezugspersonen als verlässlicher, sicherer Rückhalt und Anlaufstelle beim Explorieren empfunden werden. Das kann doch auch der Opa sein, auch wenn der nicht ein Mal das Essen auf den Tisch stellt, oder...?
Da sind wir uns ja sogar einig: Füttern allein erzeugt keine Bindung. Nur lohnt sich ein Blick darauf, was Fütterung in einem bindungsrelevanten Kontext leisten kann.

Die Harlow-Versuche zeigten, dass reine Bedürfnisbefriedigung (Milch) eben nicht ausreicht, um sichere Bindung entstehen zu lassen. Entscheidend war, dass das Affenbaby Nähe suchte, Beruhigung, Körperkontakt – also Regulation.
Fütterung eingebettet in genau solche regulierenden Fürsorgeinteraktionen, kann sie sehr wohl bindungsfördernd wirken.

In der Mensch-Hund-Beziehung kann Fütterung oft genau diese Rolle spielen: Sie wird sozial vermittelt, begleitet durch Sprache, Nähe, Sicherheit. Sie kann – wie in gut angeleiteten Handfütterungssettings – ein Kanal für Responsivität und Beziehungsgestaltung sein. Natürlich ist das kein Automatismus. Aber pauschal zu sagen, Füttern sei für Bindung irrelevant, wird dieser hochgradig kontextabhängigen Interaktion schlicht nicht gerecht.

Auch der Opa, der nicht füttert, wird nicht trotzdem zur sicheren Basis – sondern weil er durch andere fürsorgliche Handlungen verlässlich verfügbar ist. Das Prinzip bleibt denk ich dasselbe.
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 15:36
Es ging beim Harlow Experiment nicht darum, die Stoffmutter als vollwertigen Bindungspartner zu sehen, sondern zu zeigen, dass Bindung über reine Versorgung hinausgeht und auch Schutz, Wärme und soziale Nähe umfasst. Dass das Hungerstillen dabei hinter dem Bedürfnis nach Sicherheit zurücksteht, ist unbestritten. Aber daraus abzuleiten, Füttern habe keinen ursächlichen Einfluss auf Bindungsbildung, greift zu kurz. Bindung entsteht in einem komplexen Geflecht sozialer Interaktionen, zu denen wiederholte, verlässliche Fürsorgehandlungen gehören – und Füttern ist ein zentrales, evolutionär verankerteres Ritual, das soziale Nähe und Vertrauen fördert. Gerade bei domestizierten Hunden, lässt sich diese Komponente nicht ausklammern. Die „starre Entweder-Oder-Logik“ sehe ich eher bei der Aussage, Füttern habe nichts mit Bindung zu tun – das war nämlich Ausgangspunkt meiner Kritik. Deine spätere Differenzierung bestätigt ja, dass Fütterung sehr wohl Einfluss auf Beziehungsebenen hat, wenn auch nicht alleinige Ursache der Bindung ist. Zur Frage der verlässlichen Nahrung: Ein verlässliches Umfeld, das auch Versorgung sichert, ist sicherlich förderlich für sichere Bindung. Umgekehrt ist aber auch klar: Fehlt diese Versorgung dauerhaft, werden andere Bindungskomponenten und Verhaltensweisen stark belastet – das sehen wir etwa bei Hunden in schlechten Haltungssituationen oder misslungenen Sozialisationen. Bindung ist also immer multikausal, kontextabhängig und entsteht nicht im luftleeren Raum – Fütterung ist dabei eben ein integraler Baustein.
Würdest du dann sagen, dass zu einer Bezugsperson, die nicht als (verlässlicher) Nahrungsversorger fungiert, keine sichere Bindung entstehen kann?

Also zB wenn Kind/Hund nicht von der Person verköstigt werden oder die Person wegen prekärer Verhältnisse nur eingeschränkt Nahrung beschaffen kann?

Edit: das hatte sich mit deiner vorigen Antwort überschritten, ich fände es trotzdem nochmal interessant.
 
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Elke
12. Juni 15:38
🤔... Kannst du das vielleicht näher erklären? Was hat Bindung mit Trauer zu tun? Was genau soll eine "sehr gute" Bindung sein? Und wie könnte ein Hund die zu einem Menschen haben, vor dem er Angst hat?
Das wird exakt in diesem Video erklärt. Du kannst dauerhaft sehr gut mit deinem Hund auskommen, d.h. eine sehr gute Beziehung haben, ohne eine Bindung zu entwickeln. Klingt für mich alles sehr nachvollziehbar. Da lässt sich dann auch das Futter einordnen als nicht relevant für Bindung
https://youtu.be/We8ID1inrWA?feature=shared
 
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Yvonne
12. Juni 15:52
🤔... Kannst du das vielleicht näher erklären? Was hat Bindung mit Trauer zu tun? Was genau soll eine "sehr gute" Bindung sein? Und wie könnte ein Hund die zu einem Menschen haben, vor dem er Angst hat?
Das Experiment, bzw. den Test zur Bindung, kannst Du Dir z. B. auf dem YouTube Kanal vom Thomas Baumann anschauen.
Der steckt die Halter mit ihren Hunden in einen Raum. Der Halter verlässt den Raum und es wird die Reaktion des Hundes beobachtet.
Bevor jetzt wieder Einwände kommen, dass die Leute zuhause ihre Hunde auch mal alleine lassen, das ganze findet in einer für den Hund unbekannten Umgebung (im Hundezentrum Baumann) statt.
An dem Verhalten des Hundes , kann man Rückschlüsse in Bezug auf die Bindung erkennen.

Bindung baut sich normalerweise automatisch während des Zusammenlebens auf.
Es gibt doch etliche Beispiele, wo Leute sich wundern, dass ein Hund, der fies behandelt wird, trotzdem bei seinem Menschen bleiben will und nicht zu „netten“ fremden Leuten geht.

Die Bindung kann aber auch noch so gut sein, es liegt ein Beziehungsproblem vor, wenn der Hund seinen Menschen z. B. erheblich, vielleicht sogar verletzend maßregelt.
 
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Yvonne
12. Juni 15:56
Das wird exakt in diesem Video erklärt. Du kannst dauerhaft sehr gut mit deinem Hund auskommen, d.h. eine sehr gute Beziehung haben, ohne eine Bindung zu entwickeln. Klingt für mich alles sehr nachvollziehbar. Da lässt sich dann auch das Futter einordnen als nicht relevant für Bindung https://youtu.be/We8ID1inrWA?feature=shared
Oh, da hatten wir das gleiche im Sinn. Danke, für den Link 😄
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 16:13
Das Experiment, bzw. den Test zur Bindung, kannst Du Dir z. B. auf dem YouTube Kanal vom Thomas Baumann anschauen. Der steckt die Halter mit ihren Hunden in einen Raum. Der Halter verlässt den Raum und es wird die Reaktion des Hundes beobachtet. Bevor jetzt wieder Einwände kommen, dass die Leute zuhause ihre Hunde auch mal alleine lassen, das ganze findet in einer für den Hund unbekannten Umgebung (im Hundezentrum Baumann) statt. An dem Verhalten des Hundes , kann man Rückschlüsse in Bezug auf die Bindung erkennen. Bindung baut sich normalerweise automatisch während des Zusammenlebens auf. Es gibt doch etliche Beispiele, wo Leute sich wundern, dass ein Hund, der fies behandelt wird, trotzdem bei seinem Menschen bleiben will und nicht zu „netten“ fremden Leuten geht. Die Bindung kann aber auch noch so gut sein, es liegt ein Beziehungsproblem vor, wenn der Hund seinen Menschen z. B. erheblich, vielleicht sogar verletzend maßregelt.
Es gibt keine "gute" Bindung und Bindung baut sich auch nicht automatisch bei einem Zusammenleben auf.
 
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Julia 🐾Nero
12. Juni 16:13
Das Experiment, bzw. den Test zur Bindung, kannst Du Dir z. B. auf dem YouTube Kanal vom Thomas Baumann anschauen. Der steckt die Halter mit ihren Hunden in einen Raum. Der Halter verlässt den Raum und es wird die Reaktion des Hundes beobachtet. Bevor jetzt wieder Einwände kommen, dass die Leute zuhause ihre Hunde auch mal alleine lassen, das ganze findet in einer für den Hund unbekannten Umgebung (im Hundezentrum Baumann) statt. An dem Verhalten des Hundes , kann man Rückschlüsse in Bezug auf die Bindung erkennen. Bindung baut sich normalerweise automatisch während des Zusammenlebens auf. Es gibt doch etliche Beispiele, wo Leute sich wundern, dass ein Hund, der fies behandelt wird, trotzdem bei seinem Menschen bleiben will und nicht zu „netten“ fremden Leuten geht. Die Bindung kann aber auch noch so gut sein, es liegt ein Beziehungsproblem vor, wenn der Hund seinen Menschen z. B. erheblich, vielleicht sogar verletzend maßregelt.
Ich denke ich verstehen was du meinst.

Ich habe zum Beispiel eine sehr gute und enge Bindung zu meinem Hund, das wird auch immer gelobt, aber wir haben eine problematische Beziehung (wer entscheidet, wer führt, wer beschützt wen usw. was zu Stress und Verhaltensproblemen führt).

Meine Hundesitterin hat eine fantastische Beziehung zu meinem Hund, die Rollen sind etabliert, sie ist klar und konsequent in der Kommunikation, er zeigt bei ihr keine problematischen Verhaltensweisen.
Wenn wir jetzt in gegensätzliche Richtungen gehen würden, dann würde mein Hund mir hinterherlaufen. Eben wegen der Bindung.

Gerade als Sitter, Trainer, Pflegestelle geht man eine Beziehung mit einem Hund ein, ohne eine Bindung aufzubauen bzw man sollte es sogar nicht.
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 16:18
Das wird exakt in diesem Video erklärt. Du kannst dauerhaft sehr gut mit deinem Hund auskommen, d.h. eine sehr gute Beziehung haben, ohne eine Bindung zu entwickeln. Klingt für mich alles sehr nachvollziehbar. Da lässt sich dann auch das Futter einordnen als nicht relevant für Bindung https://youtu.be/We8ID1inrWA?feature=shared
Erste Hälfte des Videos:

Was der Herr erzählt ist sehr unpräzise, weder die Terminologie noch die Erklärungen stimmen wirklich mit dem überein, was die Bildungsmodelle beschreiben.

Hilde:

Die Erklärung wirft für mich Fragen auf.

Ist das Setzen zur Mutter wirklich ein Beweis für Bindung?
Wenn ja, für welche der Bindungsarten?
Steht Hilde deshalb automatisch in keinem Bindungsverhältnis zur Tochter, oder könnte es da eine anders gelagerte Bindung geben, die eine andere Art der Interaktion hervorruft?
Und nochmal, weshalb wäre dieses Nachlaufen für sich genommen als Hinweis auf eine Bindung zu werten? Könnte der Hund nicht ebenso gut darauf konditioniert worden sein? "Wenn wir wo rumstehen, hab ich mich neben Mutter zu setzen/stellen."?
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 16:23
Ich denke ich verstehen was du meinst. Ich habe zum Beispiel eine sehr gute und enge Bindung zu meinem Hund, das wird auch immer gelobt, aber wir haben eine problematische Beziehung (wer entscheidet, wer führt, wer beschützt wen usw. was zu Stress und Verhaltensproblemen führt). Meine Hundesitterin hat eine fantastische Beziehung zu meinem Hund, die Rollen sind etabliert, sie ist klar und konsequent in der Kommunikation, er zeigt bei ihr keine problematischen Verhaltensweisen. Wenn wir jetzt in gegensätzliche Richtungen gehen würden, dann würde mein Hund mir hinterherlaufen. Eben wegen der Bindung. Gerade als Sitter, Trainer, Pflegestelle geht man eine Beziehung mit einem Hund ein, ohne eine Bindung aufzubauen bzw man sollte es sogar nicht.
Es gibt keine "gute" oder "enge" Bindung.

Die 4 Bindungsarten sind "sicher", "unsicher-vermeidend", "unsicher-ambivalent" und "desorganisiert".

Es macht viel Sinn, sich das genauer anzusehen, weil es Beziehungsstukturen und -probleme erkennbar machen kann, die sich in diesen Bindungsformen manifestieren können.