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Maria
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zuletzt 2. Nov.

Neuer Hund ist handscheu - Vorgehen

Hallo alle zusammen, Ich wollte gern mal eure Meinung zu folgender Situation hören/lesen: Vor einer Woche ist Biscotti bei uns eingezogen. Er ist 7/8 Jahre alt und war recht lange im Shelter in Portugal, erst indem öffentlichen und dann in einem privaten. Auf den Videos, die mir im Vorfeld geschickt worden sind, war zu sehen, dass er sich nicht gerne berühren lässt und Menschen lieber ausweicht. Dieses Verhalten zeigt er hier auch.Ansonsten wirkt er “haushaltsfest” und verhält sich auch sehr höflich im Umgang mit meinen zwei Damen. Ich möchte ebenso höflich sein und Berührungen mit ihm üben. Das machen wir fleißig: ich lege ihm einen Keks in meine Nähe und führe meine Hand sehr nah an ihn heran, auch mal mit ein wenig Berührung mit der Rückhand oder ich halte die Leine daneben und klicke mit dem Karabiner der Leine oder ich lasse ihn den Keks durch das Geschirr nehmen. Das Problem ist, dass wir so nicht vor die Tür kommen. Sein Sicherheitsgeschirr hat er kaputt geknabbert und ich schaffe es nicht, ihm ein neues anzulegen. Mir wurde nun gesagt, er muss unbedingt raus und ich sollte das Geschirr “einfach anlegen”. Das habe ich versucht. Er weicht aber immer wieder zurück und schleckte sich heute Morgen dabei schon über das Maul. Ich habe das Gefühl, dass das eine Eskalationsspirale auslöst. Das möchte ich natürlich nicht. Wie würdet ihr vorgehen?
 
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Vivi &
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1. Nov. 13:07
Ich bin da „Team Ende mit Schrecken, statt Schrecken ohne Ende“. Heißt, ich würde jetzt das neue Geschirr anziehen, und dabei bewusst die Grenze des Hundes überschreiten.

Das mag kurzfristig eurer Beziehung schaden, aber langfristig wird es glaube ich mehr helfen, gemeinsam rauszugehen und diese Erlebnisse zu machen. Ich kann dein Hund aber nicht einschätzen. Wenn du glaubst, dass das mehr schadet als es nützt, dann lass es. Wenn du glaubst, dein Hund kommt damit klar, Dann würde ich’s ausprobieren.
Beschwichtigendes Verhalten ist bei einem neuen Tierschutzhund jetzt nicht so ungewöhnlich, erst recht in einer doch recht übergriffigen Situation (und das ist ein Geschirr anziehen nunmal).

Ich würde da kein Riesending draus machen, den Hund resolut festhalten und das neue Geschirr anziehen und dann direkt wieder freilassen. Das funktioniert aber nur, wenn du bei Sicherheit ausstrahlen kannst. Wenn du dabei die gesamte Zeit im Kopf hast, dass dein armer Hund gerade leidet, wird es für ihn viel schlimmer.
 
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Svenja
1. Nov. 12:17
Hey Maria, ich hätte noch ein paar Fragen zum besseren Verständnis eurer Situation.
Kann er denn überhaupt schon an der Leine laufen, also bevor er das Geschirr zerknabbert hat?
Wie hat er sich die letzten Tage gelöst / kannst du ihm die Möglichkeit geben, sich zu lösen, ohne dafür richtig spazieren zu gehen? (Garten?)
Trug er jemals ein Halsband?
Du sagst, er leckt sich beschwichtigend die Nase, oder ist es eher ein Züngeln? Sonst zeigt er aber keine Drohgebärden bei Annäherung, insbesondere, wenn er nicht ausweichen kann?
 
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Maria
1. Nov. 12:28
Hallo Svenja,
er kennt die Leine schon. Mir wurden Videos geschickt, auf denen er an der Leine läuft. Ich will mit ihm auch keine großen Runden drehen. Erstmal möchte ich mit ihm zum Loesen in den Garten. Ich wohne aber in einem Mehrfamilienhaus und der Garten ist nicht durchgängig umzäunt. Es gibt Schlupflöcher. Wir handhaben es gerade so, dass er sich im Bad löst. Das ist natürlich suboptimal.

Ob er das Halsband schon kannte, weiß ich nicht. Das habe ich ihm noch abnehmen und wieder anlegen können. Der Tracker musste geladen werden.

Das mit der Zunge lecken hat er nur einmal gezeigt. Ich denke, es war eher ein Zuengeln. Ansonsten zeigt er keine Drohgebärden. Er weicht aus, wenn ich ihm zu nah komme. Er sitzt aber auch durchaus in meiner Nähe und hat selbst schon Berührung initiiert (am Bein reiben). Er reagiert nach meinem Empfinden recht stark mit Rückzug auf Arm und Handbewegungen.
 
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Svenja
1. Nov. 12:40
Hallo Svenja, er kennt die Leine schon. Mir wurden Videos geschickt, auf denen er an der Leine läuft. Ich will mit ihm auch keine großen Runden drehen. Erstmal möchte ich mit ihm zum Loesen in den Garten. Ich wohne aber in einem Mehrfamilienhaus und der Garten ist nicht durchgängig umzäunt. Es gibt Schlupflöcher. Wir handhaben es gerade so, dass er sich im Bad löst. Das ist natürlich suboptimal. Ob er das Halsband schon kannte, weiß ich nicht. Das habe ich ihm noch abnehmen und wieder anlegen können. Der Tracker musste geladen werden. Das mit der Zunge lecken hat er nur einmal gezeigt. Ich denke, es war eher ein Zuengeln. Ansonsten zeigt er keine Drohgebärden. Er weicht aus, wenn ich ihm zu nah komme. Er sitzt aber auch durchaus in meiner Nähe und hat selbst schon Berührung initiiert (am Bein reiben). Er reagiert nach meinem Empfinden recht stark mit Rückzug auf Arm und Handbewegungen.
Also es hängt natürlich von der aus der Ferne nicht zu beurteilenden Persönlichkeit des Hundes ab, was passiert, wenn man ihn einfach anzieht und seine Signale, dass ihm das unangenehm ist, ignoriert. (und wie du das, was du tust empfindest, spielt in der Regel eine ebenfalls bedeutende Rolle..)

Aber wenn das Tragen des Halsbandes funktioniert und er das Laufen an der Leine auch schon kennt, wie wäre es denn dann, mal in der Wohnung das Laufen am Halsband zu testen und ggf. zu üben, um zumindest das Lösen draußen zu ermöglichen, damit ihr Zeit gewinnt, das Geschirr weiter positiv aufzubauen (und Arm /Handbewegungen weiter zu desensibilisieren) ?
Wenn er das anbringen der Leine unangenehm findet, kannst du ihm ja das Halsband noch einmal abnehmen und mit Leine dran wieder umlegen, oder eine Retrieverleine könnte auch funktionieren, von unten an den Hund geführt.
 
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Svenja
1. Nov. 12:44
Ach und wichtig ist bei dem Test, dass du keine Spannung auf der Leine zulässt, am besten nimmst du eine einfache Leine ohne Ösen oder sonstiges Klimperzeug und lässt los, wenn er los laufen und dann panisch auf Zug am Hals reagieren sollte, um eure doch noch sehr zarte Bindung nicht gleich wieder zu verschlechtern.
 
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Vivi &
1. Nov. 13:07
Ich bin da „Team Ende mit Schrecken, statt Schrecken ohne Ende“. Heißt, ich würde jetzt das neue Geschirr anziehen, und dabei bewusst die Grenze des Hundes überschreiten.

Das mag kurzfristig eurer Beziehung schaden, aber langfristig wird es glaube ich mehr helfen, gemeinsam rauszugehen und diese Erlebnisse zu machen. Ich kann dein Hund aber nicht einschätzen. Wenn du glaubst, dass das mehr schadet als es nützt, dann lass es. Wenn du glaubst, dein Hund kommt damit klar, Dann würde ich’s ausprobieren.
Beschwichtigendes Verhalten ist bei einem neuen Tierschutzhund jetzt nicht so ungewöhnlich, erst recht in einer doch recht übergriffigen Situation (und das ist ein Geschirr anziehen nunmal).

Ich würde da kein Riesending draus machen, den Hund resolut festhalten und das neue Geschirr anziehen und dann direkt wieder freilassen. Das funktioniert aber nur, wenn du bei Sicherheit ausstrahlen kannst. Wenn du dabei die gesamte Zeit im Kopf hast, dass dein armer Hund gerade leidet, wird es für ihn viel schlimmer.
 
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Svenja
1. Nov. 13:11
Ich bin da „Team Ende mit Schrecken, statt Schrecken ohne Ende“. Heißt, ich würde jetzt das neue Geschirr anziehen, und dabei bewusst die Grenze des Hundes überschreiten. Das mag kurzfristig eurer Beziehung schaden, aber langfristig wird es glaube ich mehr helfen, gemeinsam rauszugehen und diese Erlebnisse zu machen. Ich kann dein Hund aber nicht einschätzen. Wenn du glaubst, dass das mehr schadet als es nützt, dann lass es. Wenn du glaubst, dein Hund kommt damit klar, Dann würde ich’s ausprobieren. Beschwichtigendes Verhalten ist bei einem neuen Tierschutzhund jetzt nicht so ungewöhnlich, erst recht in einer doch recht übergriffigen Situation (und das ist ein Geschirr anziehen nunmal). Ich würde da kein Riesending draus machen, den Hund resolut festhalten und das neue Geschirr anziehen und dann direkt wieder freilassen. Das funktioniert aber nur, wenn du bei Sicherheit ausstrahlen kannst. Wenn du dabei die gesamte Zeit im Kopf hast, dass dein armer Hund gerade leidet, wird es für ihn viel schlimmer.
Das meine ich mit "wie du das, was du tust empfindest, spielt eine große Rolle".
Es gibt Menschen - ich gehöre ebenfalls dazu - die können das, und zwar so, dass es weder dem Hund, noch dem Menschen schadet.
Ob Maria ebenfalls dazu gehört oder alles nur noch schlimmer macht, lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen, daher wollte ich mich langsam heran tasten 😏
 
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Svenja
1. Nov. 13:20
Wenn man sich entscheidet, es gegen den Willen des Hundes zu tun, muss man sich vorher im klaren darüber sein, dass der Hund schnappen könnte. Bin ich dann nicht taff genug, nicht zurück zu weichen, habe ich den Grundstein für Aggression gelegt.
 
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Sonja
1. Nov. 13:33
Ich würde das Vorgehen davon abhängig machen, wie Du selbst es einschätzt, wie schnell er sich freiwillig ein Geschirr anlegen lassen wird. Sich im Bad zu lösen kennt er ja nun schon, das kann man auch noch ein paar Tage beibehalten. Wenn sich das aber auf mehrere Wochen ausdehnt, würde ich ihm auch eher das Geschirr einfach anziehen.
Aber auch dabei kann man ihn überrumpeln und einfach machen, oder man kann auf Freiwilligkeit setzen, was natürlich länger dauert.
Keine der Vorgehensweisen wird Eurer Beziehung irreparablen Schaden zufügen. Je mehr es mit Freiwilligkeit klappt, desto schneller wird er Dir vertrauen.

Achte beim Geschirr anziehen darauf, dass Du Dich nicht über ihn beugt, dass Du neben ihm hockst, und dass es für ihn so angenehm wie möglich ist. Hunde sind empfindlich an den Ohren, was das Überstreifen oft unangenehm macht. Klickverschlüsse machen laute Geräusche, so nah am Hundeohr, das kannst Du mit der Hand etwas abschirmen.

Solltest Du auf ein Halsband ausweichen wollen, empfehle ich ein ausbruchsicheres Martingale Halsband. Wir haben eins von Manmat, ist günstig und Ella kommt tatsächlich nicht raus.

AUF KEINEN FALL würde ich bei einem scheuen Auslandstierschutzhund die Leine fallen lassen! Der Hund gehört draußen in den ersten Wochen bis Monaten doppelt gesichert.
Aber Du solltest lange Leinen dafür verwenden, damit er genug Raum hat, Dir auszuweichen. Dann wird er sich umso eher freiwillig nähern.
 
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Svenja
1. Nov. 13:36
Ich würde das Vorgehen davon abhängig machen, wie Du selbst es einschätzt, wie schnell er sich freiwillig ein Geschirr anlegen lassen wird. Sich im Bad zu lösen kennt er ja nun schon, das kann man auch noch ein paar Tage beibehalten. Wenn sich das aber auf mehrere Wochen ausdehnt, würde ich ihm auch eher das Geschirr einfach anziehen. Aber auch dabei kann man ihn überrumpeln und einfach machen, oder man kann auf Freiwilligkeit setzen, was natürlich länger dauert. Keine der Vorgehensweisen wird Eurer Beziehung irreparablen Schaden zufügen. Je mehr es mit Freiwilligkeit klappt, desto schneller wird er Dir vertrauen. Achte beim Geschirr anziehen darauf, dass Du Dich nicht über ihn beugt, dass Du neben ihm hockst, und dass es für ihn so angenehm wie möglich ist. Hunde sind empfindlich an den Ohren, was das Überstreifen oft unangenehm macht. Klickverschlüsse machen laute Geräusche, so nah am Hundeohr, das kannst Du mit der Hand etwas abschirmen. Solltest Du auf ein Halsband ausweichen wollen, empfehle ich ein ausbruchsicheres Martingale Halsband. Wir haben eins von Manmat, ist günstig und Ella kommt tatsächlich nicht raus. AUF KEINEN FALL würde ich bei einem scheuen Auslandstierschutzhund die Leine fallen lassen! Der Hund gehört draußen in den ersten Wochen bis Monaten doppelt gesichert. Aber Du solltest lange Leinen dafür verwenden, damit er genug Raum hat, Dir auszuweichen. Dann wird er sich umso eher freiwillig nähern.
Ich hatte empfohlen, in der Wohnung zu testen, wie er auf Leine am Halsband reagiert und sollte die Reaktion panisch ausfallen, noch in der Wohnung die Leine fallen zu lassen. Bitte richtig lesen.
Bevor ich handfeste Anweisungen gebe, teste ich immer erst das, was sich testen lässt, im sicheren Raum.
 
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Natascha
1. Nov. 13:48
Guten Tag Frau G,
Ihre Situation kenne ich gut. Vor Jahren habe ich einen Hund aus Spanien adoptiert, der sein Sicherheitsgeschirr über Wochen täglich durchgebissen hat und wir haben es täglich wieder genäht und auch mehrfach durch neue Geschirre ersetzen müssen, bis irgendwann bei ihm "der Knoten" geplatzt ist. Ich möchte Ihnen aus meiner Erfahrung heraus empfehlen, keine "Kekse" zu verwenden, sondern den Jackpot, z.B. Käse, Fleischwurst oder (am besten) Leberwurst. Ich habe mit Leberwurst alles eingeschmiert, was für ihn irgendwie gruselig war. Meine Hände, das Geschirr, die Mülltonne etc. Leberwurst gab es nur zum überwinden seiner Angst. Ansonsten Käse und Fleischwurst. Mit viel Geduld hat das funktioniert. Ich weiß nicht, was Ihr Hund alles erlebt hat und über Jahre hat erdulden müssen, so daß man wohl nicht erwarten darf, daß sich sein Verhaltensmuster in wenigen Tagen aufbrechen läßt. Daher wünsche ich Ihnen viel Geduld und gutes Gelingen beim Vertrauens- und Beziehungsaufbau.
Viele liebe Grüße Natascha