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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 19. Feb.

"Müssen wir als Menschen Rudelführer unserer Hunde sein?"

Hallo ihr Lieben, ich habe gerade ein neues Video zum Thema "Rudelfüher" / "Chef" / "Dominanz" gesehen und war ganz erstaunt, dass das im Fernsehen lief. Hat das von euch jemand gesehen? Was sind eure Gedanken dazu? https://youtu.be/6zwIUBqH2Kg
 
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Sophia
9. Feb. 14:22
Ich glaube in dem Beitrag ist vieles verkürzt und überspitzt worden. Die Trainerin führt zum Beispiel an, dass die Couch ohne Decke tabu ist, wie genau sie diese Regel aber umsetzen würde bleibt aber ungesagt. Und hier sind eben die kleinen aber feinen Details begraben. Schmeiß ich den Hund körperlich runter? Stell ich mich drohend über ihn und schimpfe? Nehme ich ein Leckerlie und locke ihn runter? Nehme ich die Hausleine als Hilfsmittel?
Hier gibt es keinen goldenen Weg, jeder Hund braucht andere Methoden.
Ich finde den Vergleich mit einem Teamleiter immer ganz gut. Wie wünscht man sich den? Er/Sie soll wissen wohin die Reise geht, nimmt mir Verantwortung ab und honoriert gute Leistung. Aber er/sie sollte mir auch klare Regeln vorgeben und im zweifelsfall auch sagen können "das war jetzt scheiße".
Und so sollte das auch beim Hund sein. Wir als Halter sind in der Verantwortung und das muss man dem Hund auch zeigen. Ich setze meine Hündin oft vor Kreuzungen ab und checke die aus, damit sie weiß - Frauchen übernimmt das. Ich kann mich entspannen.
Aber innerhalb der gesteckten Regeln soll der Hund das maximum an Freiheit bekommen können.
 
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Dogorama-Mitglied
9. Feb. 14:55
Meine Vermutung ist, dass sich schon ein gewisser Grundkonsens hier verbirgt. Dazu möchte ich aus "Hunde lesen lernen" zitieren:
"Führung ist keine Gewalt über den anderen, sondern basiert auf freiwilliger Hingabe in kompetente Hände. Deshalb wirst du Führung niemals erzwingen und auch nicht herbeifüttern, andressieren oder mit Kommandos antrainieren. Du wirst beweisen müssen, dass du es 'draufhast', Entscheidungen zu treffen und diese glaubhaft umzusetzen." (S. 25, Hunde lesen lernen von Maren Grote)

Wo aber die Ansichten auseinander gehen ist das "Wie" man das eben glaubhaft umsetzt. Und da gehe ich bei vielen hier mit, dieses Wie variiert sicherlich in Abhängigkeit der Charaktere von Hund und Halter.
 
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Sonja
9. Feb. 17:02
Genau diese Erfahrung teile ich. Wir haben in der Hundeschule "gelernt" die übertriebenen Stressreaktionen von Spiky mit einem sogenannten "Impuls" zu unterbrechen. Hat in Vertrauensverlust und darin geendet, dass Spiky angefangen hat zu beißen. Ich bin ihm dankbar dafür, denn das hat mich wachgerüttelt. Durch diese gemachten Erfahrungen würde ich auch das was du sagst, Sonja, gerne hinterfragen. Ich habe wohl so einen Hund bei dem manch einer sagen würde er sei ein "ungestümer Draufgänger, der tatsächlich Chef sein will"...aber ich sehe das nicht so. Er hatte bis er mich kennengelernt hat nur noch nicht die Person getroffen bei der er einen Mehrwert darin sieht und ausreichend vertraut um zu folgen. Spoiler: wir haben das nicht mit Impulsen, Leinenruck u. Ä. erreicht 😄
Ich meinte nicht, wie andere einen Hund einschätzen, sondern wenn man selbst meint, einen sturen Draufgänger zu haben.
Und wie ich schon geschrieben habe, ist die sanfte Methode immer das erste Mittel der Wahl.

Mit Benny hatte ich schon einige Kämpfe, er hat mich Nerven gekostet. Und wenn mir dann mal die Nerven durchgegangen sind, habe ich ihn angebrüllt. Ich weiß, in einer perfekten Welt macht man das nicht, und ich hätte es lieber nicht gemacht, aber ich bin nicht perfekt.
Der Effekt war, dass Benny begriffen hat, wie ernst es mir ist, und dass ich nicht klein bei gebe. Er hat ein wenig Vertrauen verloren, das konnte ich aber schnell zurück gewinnen. Direkt nach solchen Ausrastern (die sich auf kurzes Anschreien beschränken) habe ich mit ihm etwas Leichtes gemacht, was er gut konnte und gerne tat, und habe ihn sehr gelobt für die Ausführung. Das hat ein bisschen was wett gemacht.
Und nach einigen wenigen Ausrastern haben wir diese Kämpfe jetzt nicht mehr nötig. Er reagiert viel sensibler auf mich, ich kann sanft und leise mit ihm umgehen. Meine Nerven werden geschont, so dass ich ruhig bleiben kann.
Nicht missverstehen, ich verurteile, dass ich mich so wenig im Griff hatte, und würde nie jemandem raten, seinen Sturkopf anzubrüllen.

Wenn ich mit Shiba so umgegangen wäre, hätte sie beleidigt und trotzig jede weitere Zusammenarbeit verweigert.
Und Yoshi hätte sich unterm Bett verkrochen und wäre nicht mehr raus gekommen.

Jeder Hund ist anders, und wenn ich davon spreche, zu blocken, um mich durchzusetzen, weil freundliches Bitten nicht durchdringt, meine ich hauptsächlich Situationen, wo der Hund im Tunnel und nicht ansprechbar ist.
 
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Dogorama-Mitglied
9. Feb. 20:38
Ich meinte nicht, wie andere einen Hund einschätzen, sondern wenn man selbst meint, einen sturen Draufgänger zu haben. Und wie ich schon geschrieben habe, ist die sanfte Methode immer das erste Mittel der Wahl. Mit Benny hatte ich schon einige Kämpfe, er hat mich Nerven gekostet. Und wenn mir dann mal die Nerven durchgegangen sind, habe ich ihn angebrüllt. Ich weiß, in einer perfekten Welt macht man das nicht, und ich hätte es lieber nicht gemacht, aber ich bin nicht perfekt. Der Effekt war, dass Benny begriffen hat, wie ernst es mir ist, und dass ich nicht klein bei gebe. Er hat ein wenig Vertrauen verloren, das konnte ich aber schnell zurück gewinnen. Direkt nach solchen Ausrastern (die sich auf kurzes Anschreien beschränken) habe ich mit ihm etwas Leichtes gemacht, was er gut konnte und gerne tat, und habe ihn sehr gelobt für die Ausführung. Das hat ein bisschen was wett gemacht. Und nach einigen wenigen Ausrastern haben wir diese Kämpfe jetzt nicht mehr nötig. Er reagiert viel sensibler auf mich, ich kann sanft und leise mit ihm umgehen. Meine Nerven werden geschont, so dass ich ruhig bleiben kann. Nicht missverstehen, ich verurteile, dass ich mich so wenig im Griff hatte, und würde nie jemandem raten, seinen Sturkopf anzubrüllen. Wenn ich mit Shiba so umgegangen wäre, hätte sie beleidigt und trotzig jede weitere Zusammenarbeit verweigert. Und Yoshi hätte sich unterm Bett verkrochen und wäre nicht mehr raus gekommen. Jeder Hund ist anders, und wenn ich davon spreche, zu blocken, um mich durchzusetzen, weil freundliches Bitten nicht durchdringt, meine ich hauptsächlich Situationen, wo der Hund im Tunnel und nicht ansprechbar ist.
Ich verstehe absolut was du sagst und kann vieles davon auch nachvollziehen. Durch den Satz "nach einigen wenigen Ausrastern haben wir diese Kämpfe jetzt nicht mehr nötig." interpretiere ich das so, dass du denkst diese Ausraster haben dazu beigetragen dass ihr nun besser kommuniziert bzw. dass er jetzt "viel sensibler auf dich reagiert"? Das denke ich gibt dem wieder einen viel zu großen "Wert". Da denke ich eben, dass es ohne mindestens auch, wenn nicht sogar besser geklappt hätte.
Aber mein Spiky ist eben anders als dein Benny und ich bin anders als du. Ich weiß nur von uns, dass laut werden oder körperlich werden Spiky nicht aus dem Tunnel rausgeholt hat...evtl. hat es ihn in einen anderen Tunnel verfrachtet (um in dem Bild zu bleiben) aber "aufgetaucht" aus dem Tunnel ist er erst, als wir den "Tunnel-Trigger" langsam und kleinschrittig angegangen sind. Mit viel Ruhe, viel Abstand, Bindungsaufbau und viel atmen meinerseits.

Ergänzend möchte ich noch erklären, warum es mich so begeistert dass eine solche Philosophie im Fernsehen besprochen wird. In meiner Verzweiflung zu Anfang mit Spiky habe auch ich einige Fehler gemacht, die das Vertrauen beschädigt haben (danke für deine Offenheit, Sonja, sonst hätte ich mich hierzu vielleicht nicht überwunden). Ein besonders großer war, durch meine Begeisterung über manch eine Fernsehtrainer-Technik bei einem solchen an einer Schulung teilzunehmen. Dort wurde Spiky mir in den ersten zehn Minuten abgenommen und eine Leine ohne Zugstopp drauf gepackt, mit der er dann erstmal den Vormittag über gepiesackt und ruhig gestellt wurde. Ich saß weinend dort, habe aber "den Fachleuten vertraut". Am Nachmittag biss Spiky diesen Hundetrainer, der mir daraufhin sagte Spiky müsse unbedingt in ein Anti-Aggressions-Training. Selbstverständlich verwendet hier in diesem thread niemand eine solche Leine und ich will sowas nicht annähernd unterstellen, ich wollte damit nur untermalen, warum ich es so wichtig finde, dass dieser Weg den die Trainerin hier beschreibt aufgezeigt wird.
 
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Sonja
9. Feb. 23:58
Ich verstehe absolut was du sagst und kann vieles davon auch nachvollziehen. Durch den Satz "nach einigen wenigen Ausrastern haben wir diese Kämpfe jetzt nicht mehr nötig." interpretiere ich das so, dass du denkst diese Ausraster haben dazu beigetragen dass ihr nun besser kommuniziert bzw. dass er jetzt "viel sensibler auf dich reagiert"? Das denke ich gibt dem wieder einen viel zu großen "Wert". Da denke ich eben, dass es ohne mindestens auch, wenn nicht sogar besser geklappt hätte. Aber mein Spiky ist eben anders als dein Benny und ich bin anders als du. Ich weiß nur von uns, dass laut werden oder körperlich werden Spiky nicht aus dem Tunnel rausgeholt hat...evtl. hat es ihn in einen anderen Tunnel verfrachtet (um in dem Bild zu bleiben) aber "aufgetaucht" aus dem Tunnel ist er erst, als wir den "Tunnel-Trigger" langsam und kleinschrittig angegangen sind. Mit viel Ruhe, viel Abstand, Bindungsaufbau und viel atmen meinerseits. Ergänzend möchte ich noch erklären, warum es mich so begeistert dass eine solche Philosophie im Fernsehen besprochen wird. In meiner Verzweiflung zu Anfang mit Spiky habe auch ich einige Fehler gemacht, die das Vertrauen beschädigt haben (danke für deine Offenheit, Sonja, sonst hätte ich mich hierzu vielleicht nicht überwunden). Ein besonders großer war, durch meine Begeisterung über manch eine Fernsehtrainer-Technik bei einem solchen an einer Schulung teilzunehmen. Dort wurde Spiky mir in den ersten zehn Minuten abgenommen und eine Leine ohne Zugstopp drauf gepackt, mit der er dann erstmal den Vormittag über gepiesackt und ruhig gestellt wurde. Ich saß weinend dort, habe aber "den Fachleuten vertraut". Am Nachmittag biss Spiky diesen Hundetrainer, der mir daraufhin sagte Spiky müsse unbedingt in ein Anti-Aggressions-Training. Selbstverständlich verwendet hier in diesem thread niemand eine solche Leine und ich will sowas nicht annähernd unterstellen, ich wollte damit nur untermalen, warum ich es so wichtig finde, dass dieser Weg den die Trainerin hier beschreibt aufgezeigt wird.
Ich denke auch, dass ich auch ohne Geschrei zu Benny durchgedrungen wäre, und es gab ja einen spürbaren Vertrauensverlust. Und es tut weh, wenn man sieht, wie der eigene Hund plötzlich vorsichtig mit einem umgeht, statt zu vertrauen.
Aber es gab auch den "Erfolg", dass er mir zugehört hat, statt sein Ding zu machen. Ich denke, dass dieser Effekt zu der Verbreitung der alten Unterordnungs-Erziehung beigetragen hat.
Ich will aber keinen Hund, der mir zuhört, weil er Angst vor mir hat, und das ist der springende Punkt. Der Preis für den "Erfolg" ist einfach zu hoch. Und bei einem noch sensibleren Hund als Benny gäbe es gar keinen "Erfolg", sondern ausschließlich zerstörtes Vertrauen und Angst. Bewusst würde ich diesen Weg der Erziehung bestimmt nicht wählen.

Du hast leider recht, dass es unter Trainern immer noch viel zu weit verbreitet ist. Ich habe vor 1 Jahr eine Schnupperstunde Grunderziehung mitgemacht, wo ein überschwänglicher Junghund nur gezogen hat. Die Trainerin hat sich den Hund "ausgeliehen", um ihn mal selbst so richtig zur Raison zu bringen. Das versuchte sie sehr ruppig, zerrte und schubste ein bisschen rum, und gab dann zum Glück auf. Da kriegt mich niemand wieder hin.
 
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Dogorama-Mitglied
10. Feb. 09:49
Passend zum Thema wurde mir heute ein Webinar vorgeschlagen welches damit wirbt, den Menschen dazu zu verhelfen, Hunde zu führen (frei von Gewalt etc.). Interessehalber habe ich mich angemeldet und bin gespannt, welche Gedanken/Fakten da geäußert werden.
Da viele Führung mit Dominanz/Machtdemonstration gleichsetzen oder freundschaftliche Wege mit fehlender Führung, könnte das ja auch für andere interessant sein.
Hier der unverbindliche Link: https://buch.mirjamcordt.com/fnc-webinar
 
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Tobias
10. Feb. 12:54
Meine Vermutung ist, dass sich schon ein gewisser Grundkonsens hier verbirgt. Dazu möchte ich aus "Hunde lesen lernen" zitieren: "Führung ist keine Gewalt über den anderen, sondern basiert auf freiwilliger Hingabe in kompetente Hände. Deshalb wirst du Führung niemals erzwingen und auch nicht herbeifüttern, andressieren oder mit Kommandos antrainieren. Du wirst beweisen müssen, dass du es 'draufhast', Entscheidungen zu treffen und diese glaubhaft umzusetzen." (S. 25, Hunde lesen lernen von Maren Grote) Wo aber die Ansichten auseinander gehen ist das "Wie" man das eben glaubhaft umsetzt. Und da gehe ich bei vielen hier mit, dieses Wie variiert sicherlich in Abhängigkeit der Charaktere von Hund und Halter.
Kenne das Buch (noch) nicht. Aber für mich ist es der Grundton den ich auch anderswo schon gelesen habe. Da ist dann von situativer Dominanz und formaler Dominanz die Rede. Ich hab das für mich immer unter dem Leitsatz „Kein Häuptling ohne Indianer“ abgespeichert, auch wenn der es nicht 100% trifft. Wer Häuptling ist/bleibt wird halt nicht unbedingt vom „Häuptling“ selber bestimmt. In Familienstrukturen bei Wölfen ist es einfacher… auch da habe ich von einem Fall gelesen das eine zu Leitwölfin, die sehr über Agression gesteuert hat, vom Rudel nach einer Revolte „entsorgt“ wurde.
Gute Führung bedeutet darum für mich erst einmal zu versuchen zu Verstehen worum es geht, Bedürfnisse wahrzunehmen und in einer für mich, den Hund und meine Umwelt gute/verträgliche Bahn zu lenken. Aus meiner Erfahrung kommt dann mit dem Vertrauen und der Bindung auch mehr Bereitschaft zur Kooperation . Das heißt nicht dem Hund alles auf dem Silbertablett zu Präsentieren und einfach alles laufen zu lassen, sondern Konsequent seinen Weg zu gehen, im richtigen Maß fordern und fördern.
Klingt toll, aber ist glaube ich ein Weg auf dem man immer mehr dazu lernt. Und wie viele Erziehungsfehler mir da noch passieren… und dann wird man doch einmal ärgerlich und motzt, meistens weil man im Vorfeld was verbockt/verpasst hat, aber es wird immer besser.
Habe das auch einmal anders gesehen… bzw ich glaube ich nehme vieles mittlerweile anders wahr.
 
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Tobias
10. Feb. 12:57
Also, ja man muss Rudelführer sein, das heißt aber das dein Hund dich als solchen wahrnimmt und anerkennt.
 
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Dogorama-Mitglied
16. Feb. 18:40
Passend zum Thema wurde mir heute ein Webinar vorgeschlagen welches damit wirbt, den Menschen dazu zu verhelfen, Hunde zu führen (frei von Gewalt etc.). Interessehalber habe ich mich angemeldet und bin gespannt, welche Gedanken/Fakten da geäußert werden. Da viele Führung mit Dominanz/Machtdemonstration gleichsetzen oder freundschaftliche Wege mit fehlender Führung, könnte das ja auch für andere interessant sein. Hier der unverbindliche Link: https://buch.mirjamcordt.com/fnc-webinar
Ich habe mich auch für die Ausstrahlung angemeldet, bin sehr gespannt was sie so erzählen wird :)
 
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Wally
16. Feb. 19:35
Für viele Menschen sind Hunde ein Kinderersatz und werden auch so behandelt.Ein Hund sollte immer Hund bleiben und bei aller Liebe,auch so behandelt werden. 😉