Irgendwie fühlt es sich gerade so an, als würde das Interview ein wenig falsch verstanden werden. Natürlich ist das nur ein kleiner Einblick und bei so kurzer Sendezeit ist es sicher nicht möglich, auf individuelle Einzelfälle einzugehen. Aber das Ziel hier war gewiss auch eher die breite Masse zu erreichen und eben einzig den Gedanken weg von aversiven Methoden, Druck und Machtgedanken zu lenken. Und bei wem auch immer dann Interesse geweckt wurde, dem stehen doch alle Türen offen, sich weiter zu informieren und auch individuellere Fragen zu stellen.
Dass jeder Hund als Individuum gesehen werden sollte, ist uns doch mittlerweile gewiss allen klar. Natürlich spielen da u.a. rassebedingte Veranlagungen mit rein, welche es zu berücksichtigen gibt. Dennoch sollte grundsätzlich für jeden Hund gelten, dass er mit Liebe, Verständnis, Respekt und Fairness behandelt wird. Da Unterschiede hinsichtlich Rassen, Vorlieben etc. zu machen empfände ich als unangemessen. Denn nur weil der eine Hund Hetzen als lohnenswert empfindet und ein anderer Vorstehen bevorzugt, sollte dies weder beim einen, noch beim anderen Hund aversive Methoden rechtfertigen. Lediglich die Herangehensweise damit ist eine andere.
Um mich mal hinsichtlich des Schubladendenkens zu erklären nur ein kleines Statement: Kampfhunde.
Na gut, ich mache es doch länger ^^ Wie viele Jahre trugen diverse Vertreter verschiedenster Rassen diesen Stempel, wurden misshandelt, missverstanden und mit Druck und Gewalt trainiert? Oder Schoßhunde. Allein beim Lesen dieses Wortes haben wir alle ein Bild im Kopf. Was aber, wenn auch ein Labrador gerne verwöhnt wird? Tanzt der dann aus der Reihe? Nun sind wir ja schon bei Labradoren. Wie gerne wird behauptet, alle Vertreter dieser Rasse würden gerne etwas tragen, schwimmen und stets in der Nähe ihrer Menschen sein? Mag ja auf viele Exemplare zutreffen, aber eben nicht auf alle. Wir verfrachten Rassehunde (auch Mischlinge) in unterschiedliche Schubladen, um uns ihr Verhalten zu erklären, sie nach standardisierten Methoden zu erziehen und z.T. sogar unsere Lebenspläne anhand einer Rassebeschreibung zu schmieden. Egal, welche Rasse, egal woher ein Hund kommt... Es sollte immer individuell geschaut werden! Natürlich sind Rassetypen da manchmal hilfreich, um Ansätze zu finden, aber ehrlich gesagt sind sie nicht mehr als eine Hilfestellung. Denn wenn ich fest davon überzeugt bin, dass ein Schäferhund mich beschützt, wenn er andere Hunde verbellt und dann mit dieser Annahme trainiere, dann hilft das dem Schäferhund kein Stück weiter, wenn er statt eines beschützenden Verhaltens beispielsweise eine Reaktion auf Schmerzen zeigt. Ich hoffe, meine Erklärung ist nachvollziehbar.
Im Großen und Ganzen geht es in dem Video doch um das Wie. Wie bringe ich einem Hund Leinenführigkeit bei? Wie zeige ich ihm, dass ich ihn nur auf einem bestimmten Platz der Couch möchte? Wie ist mein Umgang mit dem Tier? Und hier ist der Punkt! Die Frau weist ja darauf hin, dass es eben fair möglich ist, dass die Bedürfnisse der Tiere berücksichtigt werden sollten und, dass man gerne mal Trainingsmethoden hinterfragen sollte. Darum vermutlich auch die überspitzte Darstellung mit dem Plüschhund.
Hier wurde z.B. geschrieben, dass ein Hund vorne gehen darf, sofern er leinenführig ist und bei Begegnungen nicht nach vorne geht. Und wenn er nicht leinenführig ist? Und wenn er eine Tendenz nach vorne bei Begegnungen hat? Hier kommt wieder die Frage nach dem Wie, egal welche Antworten auf meine Fragen kämen.
Auch gibt es tolle Erklärungen dazu, dass bei einer Futterverteidigung Wegnehmen, Einschüchtern etc. kontraproduktiv wirken. Aber das ist hier nicht Thema und selbst wenn, verweise ich an dieser Stelle wieder auf das Wie.
Ich mag den Vergleich mit dem Reiseführer irgendwie gerne. Man stelle sich mal vor, wir leiten eine Gruppe fremder Menschen durch eine neue Stadt. Da käme doch niemand von euch auf die Idee, Ausreißer anzuschreien, in die Reihe zu schubsen oder ihnen physisch zu drohen. Niemand! Selbst bei pubertären Jugendlichen läge dieser Gedanke fern. Und nun gehen wir ein paar Jährchen in unserer Geschichte zurück. Da fallen mir dann so Sachen wie Schlagstock, auf's Knie legen, verbale Gewalt etc. ein. Hat funktioniert. Nur wie? Und was hat es mit den Menschen gemacht? Sowohl mit denen, die diese Methoden anwandten, als auch mit denen, die sie am eigenen Leib zu spüren bekamen.
Ich finde es ziemlich schade, dass hier dieser Frau unterstellt wird, sie würde weder Verantwortung, noch 'Führung' befürworten. Nur, weil sie eben einen freundschaftlichen Weg wählt. Aber auch Freunde führen einander und geben Acht. Egal, wie viele Hunde man betreut, egal woher sie stammen und welche Päckchen sie tragen. Wir tragen die Verantwortung und es liegt an uns, ihnen zu helfen. Aber auch hier wieder: Wie?
Um es nochmal zusammenzufassen bzw. meine Gedanken dazu zu addieren: Mit dem Körper arbeiten, Signalwörter einführen und abfragen etc. sind Basics im Umgang mit unseren Hunden. Ich finde Blocken in den meisten Fällen arg verwerflich. In den meisten, denn es kann auch freundlich geübt und dann abgefragt werden. Ebenso kann es ruhig und frei von Stress ausgeführt werden. Wenn ich zum Beispiel als erste durch die Tür möchte, dann gehe ich ganz ruhig vor meine Hündin. Sofern sie zu nah an der Tür ist, bitte ich sie vorab eben einen Schritt zurück zu machen. Dafür muss ich sie nicht bedrängen, belästigen oder einschüchtern. Das geht auch in aller Ruhe und freundlich. Wenn sie nun dahin tendiert einen fremden Hund anzuspringen, weil dieser zu nah ist oder ihr Angst macht und es mir nicht möglich ist, noch auszuweichen, dann greife ich mit Ankündigung und vorherigem Training selbstverständlich in ihr Geschirr oder nach meiner Hündin selbst und halte sie davon ab. Natürlich ist das situativ abhängig und manchmal bedarf es vielleicht auch einen strengeren Ton. Das ist doch alles nachvollziehbar. Doch im Großen und Ganzen sind diese altbackenen Methoden, welche zudem durch Mythen und schrägem Gedankengut geprägt wurden, einfach überholt und unnötig. Und nichts anderes höre ich in diesem Interview.