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Ibot
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Anzahl der Antworten 23
zuletzt 16. Feb.

Mein Hund, meine Freundin und Ich.

Hallo zusammen, Ich hoffe, ich bin hier bei euch richtig und bekomme vielleicht den goldenen Tipp, halte mich so kurz wie möglich.. Meine Freundin und ich haben im November unsere Mylia bekommen, sie ist nun ca 1.5 Jahre und kommt aus dem Tierschutz. Wir arbeiten beide zuhause und sind eigentlich meist auch beide immer da. Die ersten Tage nach Milyas Ankunft hat meine Freundin bei ihr geschlafen und auch die Tage durchgehend mit ihr verbracht zur Eingewöhnung, da Milya sehr ängstlich war. Währenddessen war ich dann natürlich oft unterwegs für Besorgungen etc. Soweit zur Vorgeschichte, nun zum Problem. Milya entwickelt sich mir gegenüber mehr und mehr ins Negative. Meiner Freundin folgt sie quasi überall hin und hört auch, zumindest für die Zeit bisher, auf ihre Kommandos recht zuverlässig. Mich fordert sie immer wieder auf, sie zu streicheln, zu kuscheln etc. und sucht auch so meinen Kontakt, allerdings reagiert sie auf Kommandos nur sehr zögerlich. Sie kommt allerdings spielerisch auf mich zu und wir kommen so ganz gut miteinander aus. Wenn meine Freundin ausser Haus ist und ich mit Milya allein bin, ändert sich die Situation völlig. Milya ist dann durchgehend super ängstlich, meidet meinen Kontakt und ignoriert mich quasi völlig. Sie fällt dann regelrecht in ein komplett anderes Wesen und blockiert völlig. Wenn meine Freundin dann zurück ist, fühlt sich Milya wieder deutlich sicherer, aber verliert ihre Skepsis mir gegenüber nicht mehr. Es kam schon zu Situationen, in denen sie mich trotz vorhergehender Aufforderung sie zu streicheln mich dann sofort anknurrt. In ihrem Wahn fällt sie dann teilweise so in Angst, dass sie sich buchstäblich einpinkelt. Es ist verrückt und ich weiß nicht mehr weiter. Heute ist einer der wenigen Abende, an denen ich mit Milya allein bin und es harmonisch ist, aktuell liegt sie sogar auf meinem Bein und schläft tiefenentspannt. Sowohl meine Freundin als auch ich sind beide hundeerfahren und haben sowas bisher noch nicht erlebt. Falls jemand eine Idee oder Fragen hat, dann bitte. :-)
 
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Sonja
14. Feb. 22:43
Was Ihr mit Mylia erlebt, erinnert mich an unseren Yoshi. Er ist beim Züchter 6 Monate sehr isoliert aufgewachsen und dadurch schlecht sozialisiert. Als wir ihn geholt haben, war er extrem ängstlich, ließ sich erst nicht anfassen. Ich war wegen Corona dauernd im Home-Office, mein Mann ist jeden Tag ins Büro gefahren. Dadurch wurde ich seine Bezugsperson. Innerhalb kürzester Zeit konnte ich alles mit ihm machen, aber mein Mann durfte ihn nicht mal anfassen. Dann musste ich ab und zu wieder ins Büro. Da Yoshi noch nicht alleine bleiben konnte, hat mein Mann an diesen Tagen Urlaub genommen. Für Yoshi machte das keinen Unterschied, er bellte durchgehend, bis ich wieder zu Hause war. Er hat sich über meine Abwesenheit so aufgeregt, dass mein Mann gar keine Chance hatte, zu ihm durchzudringen, er fraß nicht, wollte nichts spielen, wartete nur auf meine Rückkehr. Mein Mann hat 1 Jahr gebraucht, bis er Yoshi zum Spazierengehen fertig machen durfte. Wenn er auf Yoshi zu geht, weicht dieser immer noch zurück. Aber es wird ständig besser. Geschafft haben wir das, indem mein Mann geduldig an einer Annäherung gearbeitet hat. Er hat alle schönen, wichtigen Sachen mit Yoshi gemacht. Ist spazieren gegangen, hat Futter gegeben und mit Leckerli trainiert, hat mit Yoshi gespielt. Gleichzeitig habe ich Yoshi so oft ich konnte ignoriert. Ich kann nur den Rat geben, geduldig weiter mit dem Hund zu arbeiten. Mach so viele schöne Sachen mit ihm, wie möglich. Und Deine Freundin soll ihn möglichst oft ignorieren und Dir überlassen. Sobald sich Euer Verhältnis gebessert hat, kann sie wieder normal mit ihm umgehen.
 
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Andreas
14. Feb. 22:50
Kann es sich um eine Art „Ressourcenbeanspruchung“ handeln, sie dich als Konkurrent um die „Ressource“ „Freundin“ betrachtet? Wie du beschreibst, dass die deiner Freundin überall hin folgt, kann schon Kontrollzwang sein. Auch das Verhalten, von sich aus streicheln etc. einzufordern, aber auf Kommandos zögerlich zu reagieren, klingt für mich nach „Wettbewerb“ (Rangordnung, wer beeinflusst wen?). Sie trifft möglicherweise zu viele Entscheidungen bzw. meint vielleicht diese treffen zu müssen. Ich würde dieses „stalken“ der Freundin ggf mal etwas einschränken. Nicht selten ist man durch den „Mitleidsmodus“ auch zu lange in der Körpersprache und Konsequenz etwas zu sehr auf Samtpfoten unterwegs und gibt dem Hund damit leider nicht, was sie braucht: Orientierung und Führung. Ich will jetzt überhaupt nicht darauf hinaus, dass es da jetzt um die „Weltherrschaft“ bei euch zuhause geht, aber je nach Vorgeschichte haben diese Hunde lernen müssen, extrem opportunitisch zu sein und jetzt ist sie vielleicht überfordert mit ihren Überlebensstrategien aus der Vergangenheit und der Situation bei euch. Ich sehe sie auch immer noch in der „Ankommensphase“, sie hat deutlich länger die Prägung durch ihr bisheriges Leben als die Zeit bei euch. Bei alldem also vor allem Geduld haben. Ich sehe so eine Mischung aus Konsequenz (hat nichts mit Härte zu tun), Einschränkungen bei der „Verfügungsgewalt“ über deine Freundin und tatsächlich Bindungsarbeit (auch gutes Training vertieft die Bindung).
 
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Dogorama-Mitglied
14. Feb. 22:52
Was Ihr mit Mylia erlebt, erinnert mich an unseren Yoshi. Er ist beim Züchter 6 Monate sehr isoliert aufgewachsen und dadurch schlecht sozialisiert. Als wir ihn geholt haben, war er extrem ängstlich, ließ sich erst nicht anfassen. Ich war wegen Corona dauernd im Home-Office, mein Mann ist jeden Tag ins Büro gefahren. Dadurch wurde ich seine Bezugsperson. Innerhalb kürzester Zeit konnte ich alles mit ihm machen, aber mein Mann durfte ihn nicht mal anfassen. Dann musste ich ab und zu wieder ins Büro. Da Yoshi noch nicht alleine bleiben konnte, hat mein Mann an diesen Tagen Urlaub genommen. Für Yoshi machte das keinen Unterschied, er bellte durchgehend, bis ich wieder zu Hause war. Er hat sich über meine Abwesenheit so aufgeregt, dass mein Mann gar keine Chance hatte, zu ihm durchzudringen, er fraß nicht, wollte nichts spielen, wartete nur auf meine Rückkehr. Mein Mann hat 1 Jahr gebraucht, bis er Yoshi zum Spazierengehen fertig machen durfte. Wenn er auf Yoshi zu geht, weicht dieser immer noch zurück. Aber es wird ständig besser. Geschafft haben wir das, indem mein Mann geduldig an einer Annäherung gearbeitet hat. Er hat alle schönen, wichtigen Sachen mit Yoshi gemacht. Ist spazieren gegangen, hat Futter gegeben und mit Leckerli trainiert, hat mit Yoshi gespielt. Gleichzeitig habe ich Yoshi so oft ich konnte ignoriert. Ich kann nur den Rat geben, geduldig weiter mit dem Hund zu arbeiten. Mach so viele schöne Sachen mit ihm, wie möglich. Und Deine Freundin soll ihn möglichst oft ignorieren und Dir überlassen. Sobald sich Euer Verhältnis gebessert hat, kann sie wieder normal mit ihm umgehen.
Dass das für euch so gut funktioniert hat freut mich von Herzen. Ich möchte hier aber zu bedenken geben, dass das eine Tierschutzhündin ist die seit ca. 3 Monaten dort ist und als unsicher/ängstlich beschrieben wird. Der Freundin des TE vertraut der Hund. Wenn diese Bezugsperson jetzt aus Sicht des Hundes sich auch plötzlich anders verhält, dann könnte das auch schiefgehen.
 
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Ibot
14. Feb. 23:02
Danke erstmal für dieses zahlreiche Feedback. Das, was sowohl Sonja als auch L. S. und auch Andrea schreiben, spiegelt es sehr gut wieder. Wir haben bereits versucht, viele Angelegenheiten eher mir zu überlassen wie Futter und Training. Beim spazieren gehen können wir das nicht so einfach. Selbst die kleine Runde mit mir allein bockt sie immer so sehr, dass wir nicht mal wirklich vom Hof kommen. Sie macht dann wirklich absolut dicht und zerrt dagegen mit aller Macht. Wir haben einige Ansätze versucht, allerdings ist Milya so sensibel, dass ständig Pausen her müssen und sie sich kontinuierlich in eine Spirale wirft, meist sind es zwei Schritte zurück nach einem Schritt nach vorn. Das Thema Rangordnung und Konkurrenz ist mir auch schon öfter in den Sinn gekommen. Milya sucht nicht nur Blickkontakt, sie schaut mir schon sehr tief in die Augen und hält den Blick aufrecht. Es ist entsprechend ein ambivalentes Verhältnis. Sie gibt mir keinen Raum, wirklich mit ihr in Kontakt zu kommen.
 
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Ibot
14. Feb. 23:05
Dass das für euch so gut funktioniert hat freut mich von Herzen. Ich möchte hier aber zu bedenken geben, dass das eine Tierschutzhündin ist die seit ca. 3 Monaten dort ist und als unsicher/ängstlich beschrieben wird. Der Freundin des TE vertraut der Hund. Wenn diese Bezugsperson jetzt aus Sicht des Hundes sich auch plötzlich anders verhält, dann könnte das auch schiefgehen.
Und das sind meine Bedenken dazu. Uns ist bewusst, dass die Situation auch gefährlich werden kann. Wir wissen nicht, was Milya erlebt hat.
 
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Dogorama-Mitglied
14. Feb. 23:16
Ich habe deinen Thread gelesen, und schreibe nur mal, was mit durch den Kopf ging (muss gar nicht zutreffen): Ist bei euch die lebenssituation evtl. So, dass du viele der für den Hund stressigen Dinge übernimmst? Also zum Tierarzt gehen, auch mal rausgehen wenn es eigentlich alle eilig haben, in das u-bahn oder Auto Training mit ihr machst etc? Wenn nur einer die Dinge, die Stress und Druck verursachen macht und übt, während der andere immer flexibel, ohne Zeitdruck und Trainingsziel mit leckerli “Sitz” und “Platz” übt - also immer Geduld ausstrahlen kann und alles positiv und Stressfrei gestalten kann, kann auch das zu meideverhalten bei der “stressenden” Person führen.
 
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Ibot
14. Feb. 23:25
Ich habe deinen Thread gelesen, und schreibe nur mal, was mit durch den Kopf ging (muss gar nicht zutreffen): Ist bei euch die lebenssituation evtl. So, dass du viele der für den Hund stressigen Dinge übernimmst? Also zum Tierarzt gehen, auch mal rausgehen wenn es eigentlich alle eilig haben, in das u-bahn oder Auto Training mit ihr machst etc? Wenn nur einer die Dinge, die Stress und Druck verursachen macht und übt, während der andere immer flexibel, ohne Zeitdruck und Trainingsziel mit leckerli “Sitz” und “Platz” übt - also immer Geduld ausstrahlen kann und alles positiv und Stressfrei gestalten kann, kann auch das zu meideverhalten bei der “stressenden” Person führen.
Milya hat hier absolute Ruhe und kommt soweit gar nicht in stressige Situation von außerhalb. Wir leben auf dem Land, daher sind äußere Faktoren nicht vorhanden. Dinge wie Auto fahren, grade zum Tierarzt, erledigen wir zusammen sofern möglich. Wir versuchen schon, gut zu verteilen und vor allem Milya Stress zu ersparen. Sie ist halt generell recht schnell überfordert, da müssen wir immer aufpassen. Grundsätzlich kommt von uns Menschen so wenig Stress wie möglich.
 
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Sonja
14. Feb. 23:54
Danke erstmal für dieses zahlreiche Feedback. Das, was sowohl Sonja als auch L. S. und auch Andrea schreiben, spiegelt es sehr gut wieder. Wir haben bereits versucht, viele Angelegenheiten eher mir zu überlassen wie Futter und Training. Beim spazieren gehen können wir das nicht so einfach. Selbst die kleine Runde mit mir allein bockt sie immer so sehr, dass wir nicht mal wirklich vom Hof kommen. Sie macht dann wirklich absolut dicht und zerrt dagegen mit aller Macht. Wir haben einige Ansätze versucht, allerdings ist Milya so sensibel, dass ständig Pausen her müssen und sie sich kontinuierlich in eine Spirale wirft, meist sind es zwei Schritte zurück nach einem Schritt nach vorn. Das Thema Rangordnung und Konkurrenz ist mir auch schon öfter in den Sinn gekommen. Milya sucht nicht nur Blickkontakt, sie schaut mir schon sehr tief in die Augen und hält den Blick aufrecht. Es ist entsprechend ein ambivalentes Verhältnis. Sie gibt mir keinen Raum, wirklich mit ihr in Kontakt zu kommen.
Wenn sie beim Spazierengehen mit Dir so reagiert, sollte das Deine Freundin übernehmen, bis sie auch Dir vertraut. Mylia sollte möglichst nichts Negatives mit Dir verknüpfen. Du kannst aber - ohne den Druck, dass sie sich lösen muss - in Ruhe mit ihr üben. Martin Rütter macht das in gefühlt jeder 2. Folge mit dem Futterbeutel, wahrscheinlich, weil es bei so vielen Hunden funktioniert. Also mach ein Spiel mit ihr, und nähere Dich dabei in ihrem Tempo der Haustür, dann dem Eingangsbereich vor der Tür, dann dem Gehweg, immer ein Stückchen weiter, immer nur, so weit sie es erträgt. Ein Spaziergang mit einem Spiel zwischendurch ist sowieso gut für die Bindung.
 
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Sonja
14. Feb. 23:58
Dass das für euch so gut funktioniert hat freut mich von Herzen. Ich möchte hier aber zu bedenken geben, dass das eine Tierschutzhündin ist die seit ca. 3 Monaten dort ist und als unsicher/ängstlich beschrieben wird. Der Freundin des TE vertraut der Hund. Wenn diese Bezugsperson jetzt aus Sicht des Hundes sich auch plötzlich anders verhält, dann könnte das auch schiefgehen.
Das stimmt schon. Aber es sind ja beide anwesend und haben den Hund im Auge. Können also sofort reagieren, wenn der Hund mit dem Ignorieren nicht klar kommt.
 
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Dogorama-Mitglied
15. Feb. 07:45
Kann es sich um eine Art „Ressourcenbeanspruchung“ handeln, sie dich als Konkurrent um die „Ressource“ „Freundin“ betrachtet? Wie du beschreibst, dass die deiner Freundin überall hin folgt, kann schon Kontrollzwang sein. Auch das Verhalten, von sich aus streicheln etc. einzufordern, aber auf Kommandos zögerlich zu reagieren, klingt für mich nach „Wettbewerb“ (Rangordnung, wer beeinflusst wen?). Sie trifft möglicherweise zu viele Entscheidungen bzw. meint vielleicht diese treffen zu müssen. Ich würde dieses „stalken“ der Freundin ggf mal etwas einschränken. Nicht selten ist man durch den „Mitleidsmodus“ auch zu lange in der Körpersprache und Konsequenz etwas zu sehr auf Samtpfoten unterwegs und gibt dem Hund damit leider nicht, was sie braucht: Orientierung und Führung. Ich will jetzt überhaupt nicht darauf hinaus, dass es da jetzt um die „Weltherrschaft“ bei euch zuhause geht, aber je nach Vorgeschichte haben diese Hunde lernen müssen, extrem opportunitisch zu sein und jetzt ist sie vielleicht überfordert mit ihren Überlebensstrategien aus der Vergangenheit und der Situation bei euch. Ich sehe sie auch immer noch in der „Ankommensphase“, sie hat deutlich länger die Prägung durch ihr bisheriges Leben als die Zeit bei euch. Bei alldem also vor allem Geduld haben. Ich sehe so eine Mischung aus Konsequenz (hat nichts mit Härte zu tun), Einschränkungen bei der „Verfügungsgewalt“ über deine Freundin und tatsächlich Bindungsarbeit (auch gutes Training vertieft die Bindung).
Super geschrieben !!! Was noch dazu kommt, die negativen Gedanken. Was mach ich falsch, warum klappt das bei mir nicht, ich kümmere mich doch .... Dadurch entsteht beim Mensch Anspannung und diese Anspannung kommt beim Hund oft als Druck an.