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Julia 🐾Nero
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zuletzt 8. März

Kontrovers: Wölfe kooperieren, Hunde dominieren?

Ich habe einen äußerst interessanten Artikel https://www.science.org/content/article/wolves-cooperate-dogs-submit-study-suggests gelesen, der das vorherrschende Verständnis über Wölfe und vorallem Hunde in Frage stellt. Forschende postulieren, dass Wölfe kooperativ zusammen leben, während Hunde strikte, lineare Hierarchien bilden. Während Wölfe zusammen entscheiden und agieren, reagieren übergeordnete Hunde aggressiv auf Ungehorsam von untergeordneten Hunden und fordern Unterordnung ein. Besonders kontrovers ist dabei die Annahme der Forschenden, dass auch Hunde und Menschen in einer hierarchischen Dominanzbeziehung zueinander stehen. Der Wandel von Kooperation zu Dominanz und Hierarchie soll eine Begleiterscheinungen der Domestikation sein. Das soll unter anderem durch den Verlust der Selbstständigkeit erfolgt sein. So würden Hunde "wollen", dass ihnen vorgegeben wird, was sie tun sollen. Auch Rassespezifische Unterschiede werden angeblich festgestellt. Aber komplett gegensätzlich zu dem, was die meisten vermutlich erwarten würden. So sollen Labradore und Pudel in Rudeln viel aggressiver untereinander sein, als Schäferhunde und Malamute. Was haltet ihr davon? Sehen wir unsere Hunde in einem falschen, romantisierten Licht (und führt das möglicherweise zu den zunehmenden "Problemverhalten" in der modernen Hundehaltung?)? Oder sind die Forscher auf den Kopf gefallen und versehentlich in den 70ern aufgewacht, in der Dominanz unter Hunden und zwischen Mensch und Hund das gängige Weltbild war? Ich habe mir noch keine abschließende Meinung gebildet.
 
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Kirsten
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6. März 08:51
Ich find es unheimlich interessant selber mal die Studien zu lesen.
Diese haben meist nicht diese persönliche Färbung wie z.B. der Artikel oder der Ausgangstext der TE (der vermutlich ganz bewusst so gewählt wurde, um die Diskussion hier ein wenig anzuregen 😜).

Wer interessiert ist, ich habe mal ein paar Punkte aus dem ersten Link von mir (Wolves lead and dogs follow) herausgeschrieben, die ich unheimlich spannend finde.

▪️In den Versuchen zeigt sich, dass beide Tierarten erfolgreicher waren, wenn sie selber starten konnten. Es fiel ihnen schwer eigene Vorlieben aufzugeben und diese dem Menschen anzupassen.

▪️Wölfe zeigen mehr Initiative („Führung“), während Hunde im Vergleich mehr auf den Menschen achten. Hunde sind unter Artgenossen weniger kooperativ als Wölfe. Wölfe können dann besser kooperieren als Hunde, wenn die Zusammenarbeit mit einem vertrauten (!), menschlichen Partner stattfindet.

▪️Hochinteressant:
W & H können zwischen kooperativen und nicht kooperativen menschlichen Partner unterscheiden und arbeiten eher mit einem kooperativen Partner zusammen.

▪️Blickgesten und -Verhalten sollen der besseren Koordination mit dem menschlichen Partner dienen, bei Wölfen scheinen weniger Blicke zu genügen, sie setzen sich dafür vermehrt selbstständig mit dem Apparat auseinander.

▪️Hunde verhalten sich „respektvoller“ ggü. dem Menschen (Blicke, stehlen das Seil nicht, warten auf den Menschen und folgen ihm). Sie verhalten sich eher konfliktmeidend.
Wölfe haben häufiger Konflikte, die sich vor allem über Drohverhalten zeigen, dafür „versöhnen“ sie sich eher durch proaktive Konfliktlösung.
Konflikte unter Hunden fallen dafür häufiger heftiger aus, bzw. beinhalten schneller Körperkontakt, was mit höherem Verletzungsrisiko einher geht. Hunde wählen anschließend eher Distanzwahrung als Strategie.

▪️ebenfalls interessant ist, dass ein größerer Erfolg bei Hunden vermutlich das Ergebnis von positiv, nicht wettbewerbsorientierten Erfahrungen (kein Konfliktrisiko wegen Futter) mit dem Menschen ist.

▪️Zusammenarbeit mit dem „vorhersehbaren“ menschlichen Partner erscheint auch für Wölfe einfacher als mit Artgenossen.

Fazit geht also eher in Richtung, dass Hunde Konflikte eher meiden und der Führung des Menschen folgen und somit eher respektvoll und anpassungsfähig als (❗️Achtung jetzt kommts 🤭❗️) gleichberechtigte Partner agieren.

Das liest sich in meinen Augen ganz anders als der Ausgangstext des Threads.
 
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Carola
5. März 20:00
Also ganz verstehe ich das jetzt nicht ja ich frage mich was ist gemeint:
Das Verhalten von Hund zu Mensch oder das Verhalten von Hund zu Hund? Das muss man aus meiner Sicht klar unterscheiden.
Ich habe zwei Hunde die zusammen groß geworden sind und der Altersunterschied ist nicht allzu groß hier kann ich keine eindeutige Rangordnung feststellen. Die ältere macht zwar schon mal den Sheriff aber eigentlich nur wenn andere Hunde dabei sind ansonsten sind sie eher kooperativ und denken sich gemeinsam allen möglichen Blödsinn aus.
Sie sind krasse Mäusejäger und wenn sie auf Jagd sind dann kooperieren sie auch und jagen gemeinsam. Auch mit ihrem Kumpel Hund mit dem sie aufgewachsen sind gibt es aus meiner Sicht keine eindeutige Rangordnung und sie sind auch nicht aggressiv untereinander. Natürlich zanken Sie sich manchmal aber da geht es dann eher mal um einen Knochen oder eine Möhre oder ein Kuscheltier was sonst völlig uninteressant ist.
Sicher ist der Wolf ganz anders auf Kooperation untereinander angewiesen, denn er lebt ja von der Jagd der Hund dagegen orientiert sich ja eher am Menschen und lebt wenn er Glück hat als Sofa Wolf und wenn er weniger Glück hat als Kulturfolger(Straßenhund) hier ist sicherlich wiederum ein ganz anderes Verhalten erforderlich als bei dem verhätschelten Haushund.
Sicher muss man auch noch unterscheiden ob eine Hundegruppe irgendwie zusammengestellt wurde oder ob die Hunde zusammen aufgewachsen sind und womöglich sogar miteinander verwandt sind.
Bei der Beziehung vom Hund zum Menschen denke ich schon dass der Hund Orientierung sucht und sich auch in der Regel unterordnet wenn man nicht alles falsch macht. Klare und konsequente Haltung gibt einem Hund Sicherheit und Orientierung in seinem Verhalten möglicherweise ist das gemeint?
 
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Sil
5. März 20:07
Wenn du dich für das Thema interessierst, kann ich dir das Wolfs Sciene Center von Kurt Kotrschal in Österreich empfehlen. Dort forscht man seit Jahren an diesen Themen.
Einen Einblick in die Arbeit gibt der Dreiteiler https://on.orf.at/video/14262167/expeditionen-mit-woelfen-unter-einer-decke-13
 
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Julia 🐾Nero
5. März 20:23
Also ganz verstehe ich das jetzt nicht ja ich frage mich was ist gemeint: Das Verhalten von Hund zu Mensch oder das Verhalten von Hund zu Hund? Das muss man aus meiner Sicht klar unterscheiden. Ich habe zwei Hunde die zusammen groß geworden sind und der Altersunterschied ist nicht allzu groß hier kann ich keine eindeutige Rangordnung feststellen. Die ältere macht zwar schon mal den Sheriff aber eigentlich nur wenn andere Hunde dabei sind ansonsten sind sie eher kooperativ und denken sich gemeinsam allen möglichen Blödsinn aus. Sie sind krasse Mäusejäger und wenn sie auf Jagd sind dann kooperieren sie auch und jagen gemeinsam. Auch mit ihrem Kumpel Hund mit dem sie aufgewachsen sind gibt es aus meiner Sicht keine eindeutige Rangordnung und sie sind auch nicht aggressiv untereinander. Natürlich zanken Sie sich manchmal aber da geht es dann eher mal um einen Knochen oder eine Möhre oder ein Kuscheltier was sonst völlig uninteressant ist. Sicher ist der Wolf ganz anders auf Kooperation untereinander angewiesen, denn er lebt ja von der Jagd der Hund dagegen orientiert sich ja eher am Menschen und lebt wenn er Glück hat als Sofa Wolf und wenn er weniger Glück hat als Kulturfolger(Straßenhund) hier ist sicherlich wiederum ein ganz anderes Verhalten erforderlich als bei dem verhätschelten Haushund. Sicher muss man auch noch unterscheiden ob eine Hundegruppe irgendwie zusammengestellt wurde oder ob die Hunde zusammen aufgewachsen sind und womöglich sogar miteinander verwandt sind. Bei der Beziehung vom Hund zum Menschen denke ich schon dass der Hund Orientierung sucht und sich auch in der Regel unterordnet wenn man nicht alles falsch macht. Klare und konsequente Haltung gibt einem Hund Sicherheit und Orientierung in seinem Verhalten möglicherweise ist das gemeint?
Es wird behauptet, dass sowohl Hunde untereinander einer strikten, linearen Hierarchie folgen, als auch mit dem Menschen in einer hierarchischen Beziehung stehen (dabei ist oder soll der Mensch der dominante Part sein).
Die populäre Meinung ist heutzutage aber, dass es keine Dominanz zwischen unterschiedlichen Spezies geben kann und Mensch und Hund in einer sozialen Partnerschaft leben. Dem widersprechen die Autoren des Artikels.

Dominanz bedeutet hier nicht willkürliche Aggression. Sondern Aggression wenn sich rangniedrige Hunde nicht unterordnen.
Würde so viele bedeuten wie, solange der unterlegene Hund folgt gibt es keinen Konflikt.

Bei meinen Hund finde ich das äußerst schwierig zu beurteilen, weil ich es ja auch höchst subjektiv wahrnehme.
Daher würde ich ihn nicht als Beispiel in diesem Thema heranziehen.
 
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Carola
5. März 20:30
Ich denke bei einem Einzelhund kann man das auch nicht tun aber bei einer Hundegruppe die zusammenlebt kann man schon einiges beobachten. Denn die spielen ja nicht nur miteinander oder laufen sondern die sind in der Regel Tag und Nacht zusammen, fressen zusammen, liegen zusammen und so weiter und da kann man schon eine Hierarchie feststellen wenn sie denn vorhanden ist.
Ich denke das ist schon ein interessantes Thema was ja auch beispielsweise von Zimen und Bloch in diversen Büchern eingehend behandelt wird. Und natürlich gibt es unterschiede-muss es ja auch- denn Wolf ist Wolf und Hund ist Hund
 
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Julia 🐾Nero
5. März 20:33
Wenn du dich für das Thema interessierst, kann ich dir das Wolfs Sciene Center von Kurt Kotrschal in Österreich empfehlen. Dort forscht man seit Jahren an diesen Themen. Einen Einblick in die Arbeit gibt der Dreiteiler https://on.orf.at/video/14262167/expeditionen-mit-woelfen-unter-einer-decke-13
Danke!

Ich interessiere mich zwar mehr für die Hypothese bezüglich der Hunde, aber Wölfe sind immer ein faszinierendes Thema.

Spannend finde ich im Artikel die Behauptung, dass Domestikation aus kooperativen Tieren, die gemeinsam entscheiden, Tiere hervorgebracht hat, die festen Hierarchien folgen und der dominate Hund entscheidet.

Denn eigentlich ist die gängige Meinung doch, dass Domestikation Kooperation gefördert hat.
Wenn man dem Artikel glauben schenkt, waren Wölfe aber kooperativ und die domestizierten Nachfolger sind es nicht mehr.
 
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Kirsten
5. März 20:37
Der angegebene Link funktioniert bei mir nicht.
Ist es der hier?

https://www.science.org/doi/10.1126/science.345.6199.864#:~:text=Breeding%20for%20dependence%2C%20not%20cooperation,have%20driven%20initial%20dog%20domestication.
 
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Sarah
5. März 20:47
Danke! Ich interessiere mich zwar mehr für die Hypothese bezüglich der Hunde, aber Wölfe sind immer ein faszinierendes Thema. Spannend finde ich im Artikel die Behauptung, dass Domestikation aus kooperativen Tieren, die gemeinsam entscheiden, Tiere hervorgebracht hat, die festen Hierarchien folgen und der dominate Hund entscheidet. Denn eigentlich ist die gängige Meinung doch, dass Domestikation Kooperation gefördert hat. Wenn man dem Artikel glauben schenkt, waren Wölfe aber kooperativ und die domestizierten Nachfolger sind es nicht mehr.
Müssen diese Verhaltensweisen denn als gegensätzlich angesehen werden? Oder könnten es auch verschiedene Umsetzungen eines ähnlichen Konzepts sein?
 
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Lisa-Eileen
5. März 20:51
Ich denke das es ne Mischung aus beidem ist und sowohl auf den Archetypen, Charakter als auch auf die Sozialisierung ankommt.
Bei einem gut sozialisierten Hund und einem harmonischen / guten Rudelgefüge gibts eher kein Unterwerfungsgehabe usw.
Da hat jeder seine Aufgaben und es wird gemeinsam zusammen gearbeitet.
Bei nem asozialen Hund eher das Gegenteil.
Wie bei so ziemlich allen sozialen Gemeinschaften, kann man ja auch bei Menschen, Pferden, Eseln usw beobachten.
 
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Dogorama-Mitglied
5. März 21:30
Leider funktioniert der Link nicht.

Ich finde das kann man kaum sinnvoll besprechen ohne zumindest zu wissen, welche Hunde in welchen Lebensumständen beobachtet wurden, wie bzw in Bezug worauf Dominanz/Kooperation von den Forschenden definiert wurden und wie und woran sie beobachtet und verwurde.
 
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Nina &
5. März 21:40
Das ist wirklich sehr interessant. Unsere Spielgruppe ist z.B. bunt gemischt, klein und groß, jung und alt. Es ist natürlich kein Rudel, aber über die Zeit schon so ein richtiger Verband. Man merkt schon, dass einigen Hunden mehr Respekt entgegengebracht wird, als anderen, auf der anderen Seite stehen sie im Sommer an den Wassereimern wirklich in der Schlange und warten geduldig, bis der Vordermann fertig ist mit Trinken, egal wer vor ihnen steht. Läuft einer zum Zaun und bellt, wird nachgesehen, ob es Grund gibt oder nicht. Wenn 2 sich in die Haare kriegen, kommen immer andere dazu, um das zu unterbinden und es sind nicht immer dieselben. Zumindest in diesem Fall würde ich eher von einer sozialen Gruppe sprechen, als von einer Hierarchie.