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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Jan.

Immer erst noch Gucken...

In meiner Fantasie spreche ich meinen Hund gezielt an - zB Name oder Komm her - und sobald er meine Stimme hört, dreht er sich zackzack um und sieht mich an oder tut was ich will. In meiner Realität spreche ich meinen Hund gezielt an - zB Name oder Komm her - und sobald er meine Stimme hört, guckt er nicht selten erstmal noch ein gutes Weilchen in der Gegend rum, bevor er mich ansieht oder tut was ich will. (Ja ich hab prompte Reaktion auf Ansprache geübt und verstärkt. Hat bisher nicht viel geändert) 2 konträre Probleme hab ich mit diesem Verhalten: 1) Es nervt mich als Kontrollfreak ziemlich, nicht zuletzt weil es ihm Zeit gibt, sich gegen meine Aufforderung zu entscheiden und Blödsinn zu machen. 2) Je länger ich ihn dabei beobachte, um so mehr bekomm ich den Eindruck, dass das Abchecken der Umgebung wichtig für ihn/rassetypisch ist. Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis/der Notwendigkeit prompter Befehlsbefolgung (sehr dicht frequentierter Lebensraum mit viel Potential für Probleme) und dass ich gerne meine Toleranz etwas erhöhen und auch ein verzögertes Befolgen akzeptieren würde, sofern dazwischen kein Blödsinn gemacht wird. Vielleicht müsste ich auch konkretere Anweisungen für konkrete Situationen ausarbeiten...? Und den Unterschied besser erkennen, zwischen Umsehen und Anvisieren (incl Davonlaufen)...? Habt ihr dazu ähnliche Erfahrungen und Gedanken?
 
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Conny
22. Jan. 22:32
Ich habe mit der Zeit gelernt, ohne Anlass den Rückruf zu geben. Heißt, dass Hund nicht jedesmal „denkt“, ach was, die ruft, bedeutet: jetzt kommt was Spannendes und ich könnte es verpassen! Anlasslose Signale halten ihn in der Spur und ich freu mich da genauso sicht- und hörbar drüber als wenn da ein Karnickel liefe und er trotzdem kommt. Ab und zu - unvorhersehbar für Hund - kommt dann auch immer wieder mal Superleckerli / Jackpot-Belohnung zum Einsatz. Und im Hinterkopf den „Notfallpfiff“ vielleicht als letzte Möglichkeit des „jetzt aber sofort spuren!“ behalten.
Dieses Abrufen "ohne Grund" habe ich bei Oskar auch von Anfang an immer wieder gemacht - und es funktioniert super ... er kommt sofort und guckt dann... Ich bedauere, dass ich das nicht schon bei meinen ersten beiden Hunden wusste, weil es den Freilauf sehr entspannt . Leckerli gibt es äußerst selten dafür, meine Freude beim Anleinen und kurzes Knuddeln findet er toll
 
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Conny
22. Jan. 22:33
Die Alternative würde heißen, so gut wie nie Freilauf, nur weil ich ein grösseres Problem mit verlässlichem Grundgehorsam habe als mit Leine...? Ist ein Hund nur zufrieden, wenn ich nichts von ihm verlange, bzw er nur tun muss, was er ohne von selbst tun würde? Profitiert er mehr von lebenslanger physischenör Beschränkung als von punktuelle Beschränkung über Befehl?
Ganz sicher nicht !!!
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 22:38
Ich habe schon den Eindruck, dass es da zwei Arten von Verzögerungen gibt. Die eine, bei der er - wie du sagst - bewusst abwägt, ob das Kommando ausgeführt werden soll und eine zweite. Diese zweite "Rumschauen" Verzögerung macht in meinen Augen immer den Eindruck, dass mein Hund denkt, dass es für mein Kommando einen Grund geben muss und den will er finden 😀 (Auto, Hund, Mensch, Reh...). Bei manchen Kommandos finde ich das nicht schlimm, wenn er sich erst noch umsieht. Aber bei sicherheitsrelevanten und zeitkritischen Kommandos, wäre es für mich persönlich trotzdem nicht okay. Aber das kann aus meiner persönlichen Erfahrung kommen, dass mein Hund manche "Gründe" (andere Hunde) zu toll findet und sich dann tatsächlich in den Fällen gegen die Ausführung entschieden hat in der Vergangenheit 😅 wenn er nicht schaut, sinkt das Risiko enorm 😄 aber das kann bei euch natürlich anders sein!
Das mit dem dagegen Entscheiden ist bei uns sehr ähnlich, daher auch mein Problem mit "Gucken".

Ich bilde mir aber ein, bei ihm eine Art "Umgebung scannen" zu beobachten, die nicht als Vorstufe zum nicht Folgen zu werten ist, sondern als ein Abklären der Umgebung vor dem Folgen.

ZB wenn wir zu später Stunde nochmal ohne Leine zum Pinkeln rausgehen bzw dann zurück ins Haus, da steht er gerne zwei Meter weg und hat die Gasse im Auge bevor er durch die Türe geht.
Das macht mir so garnicht den Eindruck, dass er da abhauen will, sonden das er der Späher ist, der aufpasst, während ich was zu tun hab.

In so einer Situation scheint es mir zunehmend sinnlos, auf sekündliches Gehorsam zu bestehen.

Wahrscheinlich muss ich wirklich die Kommandos differenzierter und konkreter einsetzen.
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 23:09
Deine Frage scheint irgendwie untergegangen zu sein: Für mich bedeutet ‘gut geführt’, dass der Hund durch klare Kommunikation und Vertrauen weiß, was von ihm erwartet wird, und zuverlässig reagieren kann. Gute Führung zeigt sich für mich in Verlässlichkeit auf beiden Seiten. Natürlich gehört für mich auch dazu, dass mein Hund in Gefahrensituationen zuverlässig auf mich reagiert. Das finde ich auch sehr wichtig. Ich bin außerdem der Meinung, dass Verlässlichkeit bei einem Hund nicht primär über das Feilen an Kommandos entsteht, sondern über den Umgang mit den Reizen, die das Verhalten auslösen. Ich glaube es hat auch was mit meiner Definition von Gehorsamkeit zu tun. Für mich hat das Abfragen von Gehorsam oft etwas von einer Strafe, weil ein Verhalten nicht so geklappt hat, wie es sollte. Wenn ich das so handhabe, wird das Verhalten des Hundes an meine Strafe geknüpft – aber das löst für mich nicht das eigentliche Problem. Gehorsam führt für mich auf die Dauer auch oft zu Widerstand. Aber vermutlich ist meine Definition da auch einfach etwas falsch.
Ja, an der klaren Kommunikation mangelt es bei mir sicher teilweise.
Da bin ich in den Details zu schwammig und wenig präzise definiert, weil ich mich selbst nicht optimal unter Kontrolle habe.

Abgesehen davon, dass ich zum Aufbrausen neige, kommt aus meinem Mund manchmal ein Hey, dann ein Guinness!, dann ein Komm oder ein Alter!. Das kann alles und nix heißen und sagt ihm nichts Konkretes.

Andererseits gibt's natürlich konkrete Kommandos, auf die er auch manchmal pfeift und das sollte nicht sein.
Das Abfragen von Gehorsam sollte auch definitiv keine Strafe sein, sondern etwas, das man aus dem Wissen um die essentielle Notwendigkeit heraus etabliert und das genau deshalb die nötige Dringlichkeit mitbringt.

Ich hab ja schon ein sehr starkes Gefühl, dass je mehr man los lässt, umso mehr geht "von selbst".
Würden dir selig über weitgehend unbesiedelte grüne Wiesen wandern, wär das, was an Kooperation zwischen G und mir klappt, schon zehn Mal genug.
Tun wir aber nicht, deshalb sind die Anforderungen an uns beide massiv höher.

Tatsächlich find ich es aber auch nicht verwerflich, an ein paar mehr oder weniger automatisierten Reaktionen zu arbeiten, um im Gegenzug grosse Freiräume bieten zu können.

Ich lese von und treffe Hunde, die von Welpe an bei ihren Leuten sind und kaum von den Leinen dürfen, weil sie scheinbar nie alt genug dafür werden.
G war ab 4 Monaten von der Leine, mit allen kalkulierten Risiken und Ausrutschern und beiderseitigen Fehlleistungen.
Inzwischen geht er mitten in der Stadt auf bekannten, ruhigeren Wegen frei.
Was er mit mir kann, können wenige nicht gezielt auf Obedince trainierte Hunde in dem Alter.

Aber für echte Entspanntheit im Freilauf in unserem Umfeld braucht es den Ticken mehr Verlässlichkeit, den Rest "nicht Gucken" und Überlegen, ob man gehorchen wird.
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 23:22
Strafe im Hundetraining kann in zwei Formen auftreten: Als positive Strafe, bei der ein Verhalten unterbrochen oder reduziert wird, indem etwas Unangenehmes hinzugefügt wird, wie z. B. ein Leinenruck, eine scharfe Stimme etc. Und als negative Strafe, bei der etwas Angenehmes entzogen wird, um ein Verhalten zu reduzieren, wie etwa der Entzug von Freilauf, das Beenden eines Spiels oder das Wegnehmen einer Ressource wie Futter. Ich sehe Strafe im Hundetraining teilweise kritisch, weil sie Nebenwirkungen mit sich bringt. Teilweise fehlt die klare Verknüpfung zwischen Verhalten und Konsequenz, besonders wenn die Strafe nicht unmittelbar erfolgt. Außerdem und das ist für mich das wichtige, zeigt Strafe dem Hund nur, was er nicht tun soll, bietet ihm aber keine Orientierung, welches Verhalten stattdessen erwünscht ist. Mir ist natürlich bewusst, dass gewisse Handlungen wie das Krallenschneiden ebenfalls als Strafe empfunden werden können. Allerdings glaube ich, dass Strafen, wo sie vermeidbar sind, auch vermieden werden sollten.
Mit dieser Erklärung hast du völlig recht, ich seh nur nach wie vor nicht, wie man ohne etwas, das in einer entsprechenden Interpunktion als Strafe interpretiert werden kann, mit anderen Lebewesen interagieren sollte.

Selbst der bemühteste Mensch kann unmöglich so vorausschauend und proaktiv und was weiß ich noch sein, dass er nicht zumindest mal die Wünsche anderer durchkreuzen müsste.

ZB, heute Hundeschule - G will losdüsen zu seiner Freundin - ich stell mich ihm in den Weg.

Strafe.

Ja, wär ich völlig fehlerfrei und hätte 7 Augen und 3 Hirne und keine Reaktionsverzögerung, oder ginge ich mit meinem Hund nicht in die Huschu mit herausfordernden Situationrn, hätt ich das wahrscheinlich proaktiv vermeiden können.

Andererseits - Realität, ne?

Und Hund hat Hoopers super Spass gemacht und die Strafe hat ihn nicht kaputt gemacht und demnächst merkt er sich vielleicht, dass er nicht losdüsen soll.
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 23:30
Könnte es möglicherweise auch ein generalisiertes Verhalten sein?
Kannst du das konkretisieren? Sagt mir so in dem Einzeiler in meinem Zusammenhang jetzt nicht viel...
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 23:32
Hunde haben in der Regel eine gemeinsame ‘Sprache’, die sie verstehen und die für sie instinktiv klar ist. Wenn wir Menschen hingegen Strafen einsetzen, kann es schnell passieren, dass der Hund nicht versteht, was genau gemeint ist, weil unsere Signale für ihn oft weniger eindeutig sind. Jedenfalls knurre ich meinen Hund nicht an. Zudem gibt es ja viele Kommunikationsstrategien zwischen Hunden die außerhalb von Strafen liegen wie einen Meidebogen zu laufen.
Das gleiche Timingproblem gilt aber für Belohnung.

Ich knurre meinen Hund schon ab und zu an. ZB wenn er mir beim Essen zu nahe rückt.
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 23:38
Hey, ich hab jetzt nur die anfänge des treads gelesen: Dante ist ja auch eon hütehund (andere Größe) aber durchaus auch sehr kooperativ und auf mich bezogen. Umfeld ist bei uns dorf/ Land mit direkter Nähe zu Stadt und auch häufiger mal im stadtpark unterwegs sein. Hunde sind seine größte Leidenschaft, ihn von Hunden wegrufen sicher das schwerste. Geht mittlerweile aber auch. Thema bei uns ist noch das schauen bei hundebegegnungen (ich möchte nicht das er unhöflich starrt). Wir haben das Thema blickkontakt/ beobachten also sehr stark als Thema im Alltag. Jetzt rein auf den Rückruf bezogen: Ich beobachte das ebenfalls, dass nach dem rückruf erstmal noch geschaut wird. Dabei aber sehr stark vom Umfeld abhängig, vom rückruf, und vom Tag. Es gibt gute und schlechte Tage aber: was mir aufgefallen ist: in gegenden wo wir selten sind, wo er sich nicht so auskennt macht er das viel viel weniger, da reagiert er zwar auf (namen) Ansprache nicht so gut, aber dafür auf den rückruf ("back" bei uns). Hinterm haus, wo er täglich lang läuft schaut er sich schonmal um wenn das "back" kommt, was ist denn hier wieder interessantes wieso Frauchen mich ruft. ... Man muss dazu sagen, dass ich den Rückruf auf den Dorf runden auch nicht bei jedem gassi Gang brauche. Das mag bei euch komplett anders sein. Das meine Erfahrung zum Thema nochmal "kurz schauen wieso die alte mich gerufen hat hier in meinem Reich" vs. "Oh ja ich kenn mich hier nicht aus, Frauchen hat gerufen ich komm mal besser schnell"...
Guter Beitrag, danke dafür.

Der Punkt, dass der Rückruf auch zu einem Signal für "da muss was Interessantes sein" verkommen kann, wurde ja schon mehrfach angeführt, das ist definitiv eine Überlegung wert.

Bekannte vs unbekannte Gegend wär mir noch nicht so aufgefallen (so viel völlig Unbekanntes gibt's bei uns selten), eher scheint es mir Mut der Wichtigkeit der Ablenkung bzw der Grunderregung zusammenzuhängen.
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 23:41
Ich stimme dir voll zu, dass wir da manchmal doofe Ansätze haben. Zum Beispiel wage ich zu bezweifeln, dass ein Hund daraus lernt nach dem Anspringen von Besuch in eine Box gesperrt zu werden. Ich wollte damit nur anregen, dass "Strafe" an sich durchaus ein Mittel hündischer Kommunikation ist zur Verhaltensmodifikation ☺️ Und in manchen Aspekten können wir da vielleicht auch Hundesprache lernen so wie sie auch Menschensprache lernen. Was zum Beispiel gut verstanden wird, ist der strenge Blick über den Nasenrücken, wenn er drauf und dran ist, sich etwas zu nehmen, was er nicht soll. Oder auch das "Abschnappen" kann man imitieren, um etwas für sich selbst zu beanspruchen. Raum einfordern geht als Mensch meist auch gut. Knurren und bellen eher nicht 😄
Oh ich kann Knurren. Mir leichtem Akzent, aber unmissverständlich.
 
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Dogorama-Mitglied
22. Jan. 23:51
Ich stimme dir zu, dass Hunde sehr sensibel auf unsere Körpersprache und Präsenz reagieren. Es ist faszinierend, wie gut sie uns beobachten und lesen können. Das zeigt, wie wichtig es ist, sich bewusst mit der eigenen Körpersprache auseinanderzusetzen – nicht nur im Umgang mit Hunden, sondern auch in der menschlichen Kommunikation. Ich denke aber, dass die Parallelen zwischen Hunde- und Menschensprache trotzdem Grenzen haben. Hunde reagieren oft instinktiv auf unsere Signale, aber für uns Menschen ist es manchmal gar nicht so einfach, diese Signale klar und konsequent zu senden. Ich sage ja nicht das wir uns gar nicht verstehen, das macht ja keinen Sinn, aber ich wäre vorsichtig damit zu sagen, dass unsere Kommunikation so eindeutig ist. Wie zeigt dein Hund denn „nein“? Ich würde sagen dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Bei uns Menschen ist es ein Wort, was teilweise nichtmal richtig verstanden wird.
Es ist aber wirklich nicht nur ein Wort.
Das Wort ist das mehr oder minder trainierte Kommando, aber Unwillen zeigt der Mensch (dem Hund) auch anders, durch Körpersprache, Mimik, nonverbale Laute.

Auch wir Menschen sind nicht reduziert auf Sprache, wir haben ebenso eine basale, ursprüngliche Kommunikation, die von Hunden sehr gut verstanden wird.

Oh, guter Punkt. Wieder mehr analog kommunizieren!