Wie bereits mehrfach erwähnt ist hier der erste Schritt ein gut sitzender Maulkorb, der dauerhaft getragen wird. Und zwar ein Metallkorb, alles andere ist nicht sicher. Wende dich an Metallschnute (Waghäusel), AndersPfoten oder Hundetraining Lena Otto und erwähne auch die Vorfälle, um möglichst bald einen Termin zu bekommen.
Bis zu dem Termin kannst du schon einmal die Schnute ausmessen und dabei auch Fotos machen, dann kann der Berater sich bereits potentiell passende Modelle zurecht legen. Zusätzlich übst du, die Nase selbstständig in einen joghurtbecher zu stecken und dort zu halten - der Hund geht selbstständig rein, du stülpst niemals drüber!
Nochmal, ein gut sitzender und sicherer Maulkorb ist nicht nur für deine Sicherheit wichtig, sondern auch für die des Hundes. Und Plastik, Kunststoff etc ist niemals sicher. Halti und Maulschlaufen sind komplett nutzlos bezüglich Sicherheitsaspekt und zusätzlich enorm unbequem und einschränkend für den Hund.
Hier gehört Metall her und muss konsequent genutzt werden, bis die Triggern klar sind!
Im Alltag würde ich viel mit Ankündigungen arbeiten. Wenn der Hund in der Nähe ruht, ankündigen, dass du in die Nähe kommst. Wenn du in Situationen bist wo du nicht auf den Hund achten kannst, kommt der Hund entweder in einen anderen Raum oder wird angeleint, bis der Maulkorb da ist. Und gerade so Situationen wie mit der Leiter nicht mehr herausfordern und sicher stellen, dass der Hund einfach nicht in der Nähe ist.
Zum Thema Ressourcen empfehle ich das Video "Drop" von Chirag Patel. Niemals einfach irgendwas wegnehmen, damit verstärkst du das Thema. Wenn das Training noch nicht so weit ist, versuche es mit einem Tausch.
Wenn der Hund knurrt, das bitte immer akzeptieren und respektieren. Knurren ist Kommunikation. Ein Hund, der schnell beißt, muss dringend lernen, dass er auch in geringerer Eskalationsstufe gehört wird und nicht massiv werden muss.
Das fest halten und runter drücken ist eine Lösung in einer akuten Situation, zu der es nicht hätte kommen dürfen. Ich hab das auch schon gemacht, gezwungenermaßen, wenn mein Hund in der Anfangszeit mich oder andere Menschen angegangen ist (oder es versucht hat). Natürlich musst du dich in der Situation verteidigen und andere schützen, und beim wild um sich beißenden Hund hat man nicht viele Möglichkeiten.
Aber trainingstechnisch bringt das nichts und ist höchstens ein Rückschritt! Auch das Verhalten des Hundes danach ist nicht "schuldbewusst", der hat auch nichts gelernt. Ihr hattet lediglich beide eine sehr unschöne Erfahrung, der Hund ist überfordert und versucht, die Situation einzuschätzen und dabei weitere Eskalationen zu vermeiden.
Ergänzend zu Nadines Kommentar hänge ich mal einen Beitrag vom August der Riepe Akademie an. Falls da Interesse bestehen sollte ☺️
Grenzen setzen. Die Verwechslung von Kontrolle und Sicherheit
In der Hundeerziehung ist der Satz „Man muss dem Hund Grenzen setzen“ ein Dauerbrenner. Kaum ein Hundebuch, kaum ein Trainer, der ihn nicht benutzt. Doch was genau ist damit gemeint? Und ist „Grenzen setzen“ überhaupt der richtige Begriff – oder führt er eher in die Irre?
1. Grenzen sind nicht gleich Grenzen
Spricht man in der Erziehung von „Grenzen setzen“, wird selten unterschieden, welche Art von Grenze gemeint ist. Dabei gibt es zwei völlig verschiedene Formen:
1. Begrenzung aus Sicherheitsgründen
o Ziel: Schutz vor realen Gefahren
o Beispiele: Hund an der Straße anleinen, verhindern, dass er Gift frisst, Konflikte mit anderen Hunden vermeiden. Das kann man alles mit freundlichen und fairen Trainingsmethoden erreichen.
2. Begrenzung aus Kontrollbedürfnis
o Ziel: Unterordnung, oft basierend auf der Angst, der Hund könnte „die Führung übernehmen“.
o Beispiele: Hund darf nicht zuerst durch die Tür, wird aus Prinzip in seinen Bewegungen eingeschränkt, darf im Haus nicht liegen, wo er möchte…
Während Sicherheitsbegrenzungen nachvollziehbar und notwendig sind, entspringen viele Kontrollgrenzen eher einem veralteten Dominanzdenken – und schaden nicht selten der Beziehung.
2. Warum „Sicherheitsmanagement“ der bessere Begriff ist
Die meisten Einschränkungen im Alltag sind nichts anderes als präventive Schutzmaßnahmen. Diese kann man deutlich treffender als Sicherheitsmanagement bezeichnen.
Das Wort hat gleich mehrere Vorteile:
• Es macht klar, dass es nicht um Macht oder Rangordnung geht, sondern um Schutz.
• Es signalisiert, dass Mensch und Hund auf derselben Seite stehen.
• Es öffnet den Blick dafür, dass Sicherheit auch kooperativ gestaltet werden kann – ohne ständige Kontrolle.
3. Freiheit macht Hunde sicherer
Paradox, aber wahr: Mehr Freiheit kann zu weniger riskantem Verhalten führen.
Hunde, die regelmäßig eigene Entscheidungen treffen dürfen, lernen, ihre Umwelt einzuschätzen. Das stärkt ihr Selbstvertrauen – und damit ihre Fähigkeit, Gefahren zu vermeiden.
Die kognitivistische Perspektive
Die Lerntheorie des Kognitivismus (u. a. Piaget, Bruner) betont, dass Lernen ein aktiver, selbstgesteuerter Prozess ist. Hunde, die Probleme eigenständig lösen, entwickeln ein tieferes Verständnis für Zusammenhänge – auch in Alltagssituationen.
Das hat mehrere Vorteile:
• Selbstwirksamkeit: Der Hund erlebt, dass er durch eigenes Handeln etwas bewirken kann.
• Bessere Entscheidungsfähigkeit: Erfahrungen werden gespeichert und bei neuen Herausforderungen genutzt.
• Weniger Stress: Ein Hund, der souverän handeln kann, gerät seltener in Panik oder in riskante Situationen.
4. Die Schattenseite: Dauerbegrenzung
Hunde, die ständig kontrolliert und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, leiden oft still. Dauerbegrenzung kann führen zu:
• Verlust von Selbstwirksamkeit → Gefühl der Hilflosigkeit (ähnlich learned helplessness).
• Chronischem Stress durch fehlende Wahlmöglichkeiten.
• Angst- oder Aggressionsverhalten, weil der Hund keine Gelegenheit hat, selbstbestimmt zu lernen, wie er mit Reizen umgeht.
Manche Hunde reagieren darauf mit Unsicherheit und Übervorsicht, andere mit Frustration und Übersprungshandlungen.
5. Modernes Hundetraining managt Sicherheit
Statt pauschal „Grenzen setzen“ zu fordern, könnte ein zukunftsfähiger Ansatz so aussehen:
1. Sicherheitsmanagement
o Klare Maßnahmen gegen akute Gefahren.
o Einsatz von Leine, Training gegen Giftköder, räumliche Absicherung.
2. Freiheitsräume
o Kontrollierte Umgebungen, in denen der Hund eigene Entscheidungen treffen kann.
o Wahlmöglichkeiten im Training, Richtungswahl im Freilauf, soziale Kontakte nach eigenem Ermessen.
3. Begleitetes Lernen
o Der Mensch als Coach und Sicherheitsnetz, nicht als ständiger Befehlsgeber.
6. Fazit
Grenzen im Sinne von Sicherheitsmanagement sind unverzichtbar – sie schützen. Grenzen im Sinne von Kontrolle aus Angst sind hingegen unnötig und können das emotionale Wohlbefinden des Hundes erheblich beeinträchtigen.
Freiheit, Selbstentfaltung und das Erleben eigener Wirksamkeit sind für Hunde zentrale Bausteine, um psychisch stabil, sozial kompetent und ausgeglichen zu sein.
Ein Hund, der sich selbst vertraut, wird auch seinem Menschen vertrauen – und genau das ist die beste Grundlage für Sicherheit.
Quellen & weiterführende Literatur
• Piaget, J. (1970). Science of Education and the Psychology of the Child.
• Bruner, J. (1966). Toward a Theory of Instruction.
• Hiby, E.F., Rooney, N.J., & Bradshaw, J.W.S. (2004). Dog training methods: their use, effectiveness and interaction with behaviour and welfare. Animal Welfare, 13, 63–69.
• Blackwell, E.J., Twells, C., Seawright, A., & Casey, R.A. (2008). The relationship between training methods and the occurrence of behavior problems, as reported by owners, in a population of domestic dogs. Journal of Veterinary Behavior, 3(5), 207–217.
• Maier, S.F., & Seligman, M.E.P. (1976). Learned helplessness: Theory and evidence. Journal of Experimental Psychology: General, 105(1), 3–46.