Nachdem es in anderen Threads öfter hochkam und off-topic diskutiert wurde, würde ich gerne nochmal auf das Hochnehmen in Begegnungssituationen eingehen.
Ich persönlich bin ein Fan des situativen auf den Arm nehmens, wenn die Situation kein Ausweichen oder Training erlaubt und ich an der Körpersprache erkenne, dass sich die Situation nicht positiv auflösen wird. Es ist definitiv kein Ersatz für Bögen laufen oder umdrehen und gutes Training, sondern für mich eine letzte Management Maßnahme, die ich nur selten ergreife. Außerdem bewerte ich in jeder Situation neu, ob es für mich gerade sinnvoll ist, welche Chancen und Risiken es gerade bietet - abhängig von Energie und Körpersprache der Hunde und auch örtlichen Gegebenheiten.
Wir hatten in den letzten Tagen z. B. über 100 Hundebegegnungen und Wayne ist in Hundebegegnungen sehr unsicher. Genau 1x kam er in der Zeit auf den Arm, in einer sehr engen Situation mit (stürmischem, aber ohne Aggression) freilaufendem Hund, der nicht abrufbar war. Wayne hat bereits auf Entfernung Stressanzeichen gezeigt, wir hatten schon viele mehr oder weniger stressige Begegnungen zuvor und zurück gehen war nicht möglich, da hinter uns ein Rudel lief. Wayne ist sehr unsicher in Begegnungen und geht bei zu geringer Distanz aggressiv in die Leine, danach beruhigt er sich auch lange nicht. Durch seine Unsicherheit idt er also oft der Aggressor und dadurch schaukelt sich die Situation erst hoch (darum ist er auch so gut wie immer angeleint). Durch Training wurde es schon viel besser, dennoch sind wir noch nicht so weit, dass er ruhig hinter mir bleiben kann, während ich den anderen Hund blocke und wegschicke. Dadurch, dass ich ihn getragen habe, konnte Wayne entspannen und die nächsten Situationen mit mehr Abstand konnten von Wayne wieder gut bewältigt werden. Auch für den anderen Hund war es stressfrei, da kein Blocken nötig war und wir entspannt an ihm vorbei gegangen sind - nur der Halter hat komisch geschaut 😉
Wann ich meinen Hund auf dem Arm nehme:
* Mein Hund hat meinen Arm als sicheren Ort kennen gelernt und kann von dort ruhig Dinge wahrnehmen, die ihn auf dem Boden ängstigen würden. Distanz auf dem Boden wahren ist in der Situation nicht möglich.
* Ein anderer Hund nähert sich stürmisch, umdrehen und ausweichen ist nicht möglich, der andere Halter kümmert sich nicht. Ich sehe an der Körpersprache meines Hundes, dass ihm diese Begegnung zu viel wird. Ich nehme ihn hoch und gehe ruhig an dem anderen Hund vorbei, blocken ist meist nicht nötig.
Wann ich gegen Hochnehmen bin:
* Wenn es die Problemlösung sein soll
* Wenn der Hund panisch hochgerissen wird
* Wenn der Hund dauernd auf dem Arm ist
* Wenn es als Ersatz für Training gesehen wird
* Wenn der Hund den Arm nicht als Sicherheitszone annimmt, sondern sich in einer starken Position fühlt und von dort pöbelt
Pro:
* Es erlaubt mir, meinen Hund in für ihn schwierigen Situationen zu schützen
* Ich kann Begegnungen entschärfen, die mein Hund durch pöbeln anheizen würde, indem ich ihn bereits bevor er pöbelt hoch nehme
* In vielen Situationen ist kein körperliches blocken des anderen Hundes nötig und die Begegnung verläuft für alle entspannter - kein "wir gegen den anderen Hund", sondern ein einfaches entspanntes vorbei gehen
Kontra:
* Es ist eine Management Maßnahme, kein Training!
* Es besteht das Risiko, selbst gebissen zu werden (allerdings bin ich der Meinung, dass dann eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass es auch ohne Hochnehmen zu Beißvorfällen gekommen wäre - nur dann ggf gegen meinen Hund)
* Ich kann den anderen Hund weniger effektiv blocken/wegschicken, da ich mindestens einen Arm nicht benutzen kann
* Wenn der andere Hund mich anspringt und umwirft (weil er evtl meinen Hund als Beute ansieht), ist es doch wieder ein negatives Erlebnis für meinen Hund und mich
Hier gibt es noch einen Artikel zu dem Thema, den ich sehr gut geschrieben finde: https://trainieren-statt-dominieren.de/blog/angst-unsicherheit/hund-auf-den-arm-nehmen