Von Schuld und Verantwortung würde ich sowieso nicht reden, aber zu leugnen, dass es "Opfertypen" gibt ist auch sehr realitätsfremd.
Außerdem nimmt man dem Opfer dadurch auch jegliche Kontrolle über die Situation. Das finde ich so auch nicht richtig.
Natürlich kann man über sein eigenes Verhalten das Risiko senken oder erhöhen ein Mobbingopfer zu werden. Auch das Risiko häusliche Gewalt zu erfahren usw.
Ob man Opfer bleibt oder nicht liegt leider oft in der Hand des Opfers, da man an die Täter nicht ran kommt.
Ich wurde ziemlich heftig von meiner Chefin gemobbt -> Burnout, Therapie, Arbeitsunfähigkeit für ein Jahr.
Klar ist meine ehemalige Chefin Schuld.
Aber meine Rolle in der Situation zu leugnen wäre doch für mich komplett kontraproduktiv und würde mich ins offene Messer laufen lassen, wenn ich auf den nächsten Mobbertyp treffe, weil "es ja nicht an mir liegt".
Letztendlich kann nur ich mich durch mein Verhalten davor schützen wieder Opfer zu werden. Meine Chefin hatte 7 Mitarbeiter zur Auswahl, es ist kein Zufall, dass es mich am schlimmsten erwischt hat. Sie hat es bei allen versucht.
Fun fact: 90% der Reaktivität und der Probleme meines Hundes liegen an meinen Opfertyp Eigenschaften. Einen besseren Spiegel gibt es nicht.
Was du in deiner Situation erlebt hast, tut mir leid, und es ist gut, dass du für dich einen Weg gefunden hast, dich zu stärken.
Ich verstehe deinen Punkt, aber aus psychologischer Sicht ist es entscheidend, zwischen Schuld, Verantwortung und Selbstschutz zu unterscheiden. Wenn wir anfangen, von „Opfertypen“ zu sprechen, verschieben wir die Verantwortung für das Mobbing vom Täter auf das Opfer, und das ist nicht zutreffend. Die Entscheidung, jemanden zu mobben, liegt immer beim Täter. Mobbing ist eine bewusste Machtausübung, bei der Schwächen oder Unsicherheiten gezielt ausgenutzt werden.
Natürlich können Menschen lernen, sich selbst zu schützen und ihre Resilienz zu stärken. Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, dass das Opfer durch sein Verhalten dafür verantwortlich ist, dass es gemobbt wird. Das ist eine gefährliche und falsche Logik, die in Richtung “Victim Blaming” führt. Selbst wenn jemand bestimmte Eigenschaften hat, die ihn oder sie verletzlicher machen, bleibt Mobbing eine Tat des Täters. Genau deshalb beschäftigt sich die Forschung auch zunehmend mit den Dynamiken von Tätern und den sozialen Strukturen, die Mobbing ermöglichen.
Außerdem ist es gefährlich, jemanden als „Opfertyp“ beschreibt. Das kann zu einem negativen Selbstbild führen, das langfristig die eigene Selbstwirksamkeit untergraben kann. Ein solcher Gedanke kann Menschen daran hindern, aktiv an ihrer Situation zu arbeiten, weil sie sich in der Opferrolle verankern und den Fokus zu stark auf ihre Schwächen legen. Viel hilfreicher ist es, auf die eigenen Stärken und Handlungsspielräume zu achten.
Der Fokus sollte also nicht darauf liegen, ob jemand „Opfertyp“ ist, sondern auf den Dynamiken, die Mobbing überhaupt erst möglich machen.