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Julia 🐾Nero
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zuletzt 1. Dez.

Gegenkonditionierung vs. Selbstbestätigung

Aus aktuellem Anlass ein Gedankenexperiment. Ist der "Gegner" der Gegenkonditionierung die Selbstbestätigung (oder selbsterfüllende Prophezeiung)? Folgende Situation: Nero wurde im Frühjahr 3 Mal von frei laufenden Hunden beim Häufchen machen angegriffen. Er hat früher ausschließlich auf Gras Häufchen gemacht. Davor ausgiebig geschnüffelt, gedreht usw. Seit dem macht er zu meinem Leid nur noch auf Asphalt Häufchen und zwar ohne Ankündigung. Er läuft ganz normal, Zack Arsch auf dem Boden und es geht schon los. Anfangs habe ich noch versucht es abzubrechen, aber da er eh offensichtlich Stress hat, wollte ich ihn nicht zusätzlich unter Druck setzen und bin davon ausgegangen, dass das Verhalten wieder aufhört. Hat es aber nicht. Seit den 3 Mal, in denen er angegriffen wurde hat er inzwischen 100te von Häufchen gemacht, in denen nichts passiert ist. Müsste das nicht als Gegenkonditionierung ausreichen, um zu verstehen, dass er beim Häufchen machen nicht angegriffen wird? Oder bestätigt sich seine falsche Verknüpfung jedes Mal selbst, dass er nur nicht angegriffen wurde, weil er auf Asphalt gemacht hat? Und passiert das ähnlich in anderen Szenarien Bsp Fremdhundebegegnungen, ohne das wir es merken? Und verhindert eine erfolgreiche Gegenkonditionierung zu schlechten Erfahrungen? Bin auf Meinungen und Gedankenexperimente gespannt.
 
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SandrA
30. Nov. 09:18
Beim großen Geschäft sind Hunde in einer besonders verwundbaren Situation. Die Körperhaltung macht sie unfähig zu fliehen oder sich zu verteidigen. Sie sind aufs 💩 konzentriert und können dabei die Umgebung nicht so gut im Blick haben. Angriffe, wie bei Nero, können dazu führen, dass er sich in einer verletzlichen Position nicht mehr sicher fühlt, besonders, wenn es häufiger vorkam. Hunde haben ein Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle. Also die Sicherheit in Situationen handlungsfähig zu bleiben, Einfluss nehmen zu können, auf das was mit ihnen passiert. Es geht darum das Überleben zu sichern und sich vor starken Verletzungen zu schützen. Gerät ein Hund in Situationen, in denen dieses Bedürfnis verletzt wurde, kann es passieren, dass er sensibler und stärker auf Auslösereize reagiert, um seine eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten (Kontrolle zurück zu erlangen) oder er geht ins Meideverhalten, in dem er entsprechende Momente, wenn sie sich eben gar nicht vermeiden lassen, so kurz wie möglich hält. Oder eben beides. Besonders problematisch im Sinne von Bedürfnis von Kontrolle und Orientierung sind Situationen die nicht eindeutig und klar zu verstehen sind, in Neros Fall vermutlich, dass er nicht einschätzen kann, ob und wann er vor Übergriffen sicher ist oder nicht. Stressreaktionen sind eigentlich dafür gedacht, den Körper zu aktivieren, damit er herausfordernde Situationen gut meistern kann. Empfindet ein Lebewesen die Stresssituation als gut kontrollierbar und sich selbst als handlungsfähig, kann der Stress sogar positive Auswirkungen haben und gar empfundene Selbstwirksamkeit und Resilienz fördern und die Entwicklung neuronaler Strukturen vorantreiben. Wirken belastende und nicht kontrollierbare Stressoren immer wieder erneut auf das Lebewesen ein, kann es negative Auswirkungen haben. Werden Grundbedürfnisse sehr stark verletzt kann das tiefe Verletzungen im Nervensystem hinterlassen, die dazu führen, das auch geringe Belastungen großen Stress erzeugen. Das erschwert das Lernen von neuen Verhaltensweisen und altes Verhalten kann sogar verlernt werden. Unkontrollierter Stress ist gegeben, wenn ein Hund nicht einschätzen kann, was als Nächstes passieren wird. Die Art wie Nero aktuell sein Geschäft verrichtet, klingt für mich nicht danach als würde er sich in Kontrolle, Selbstwirksam oder als handlungsfähig in einer schwierigen Situation empfinden. Somit ist es vermutlich auch keine Erfahrung, die ihn wieder Sicherheit gewinnen lässt. Als möglicher Ansatz würde mir einfallen, Unternehmungen, die Nero eigeninitiativ startet, zu unterstützen (zum Beispiel durch ruhiges Lob, welches ihn möglichst nicht aus der Tätigkeit herausreißen sollte). Besonders die, wo er sich ausreichend wohl damit fühlt, sich zunehmend der Aufgabe hinzugeben, statt die Umgebung auf mögliche Bedrohungen zu scannen. Schafft er das bei Dingen, die ihm gute Gefühle bescheren, kann er das im glücklichen Fall später ggf. für die Notdurft übertragen. Ich würde mich bemühen zu beobachten, was ihm aktuell mehr das Gefühl von Sicherheit vermittelt und wo er sich besser lösen kann. Sind es Plätze die eher übersichtlich und gleichzeitig abgeschirmt von der Umgebung sind, in dem sie viel Sichtschutz bieten? Stellen weiter abseits von Orten, wo viel Hundeverkehr ist? Oder sind es eher Orte die viele Fluchtgelegenheiten bieten? Meine Priorität läge wohl in erster Linie darauf, dass er sich mit der Zeit wieder zutraut die typischen Rituale rund ums Geschäft wieder zu zeigen (Drehen, schnüffeln, usw…), damit er später mit zunehmender Sicherheit auch wieder flexibler in der Wahl des Ortes werden kann. Meiner Hündin hat es im Bezug auf andere Hunde (Leinenaggression) geholfen, ihr auftauchende Hunde verbal anzukündigen. Sie hat so verstanden, dass ich diese sowohl wahr- als auch ernstnehme und mich entsprechend meiner Möglichkeiten kümmern werde. Ich wünsche euch viel Erfolg 🐾
Super guter Beitrag Kirsten, über den ich noch lange nachgedacht hab 🤩
Ich teile die Perspektive, die du aufmachst, zumal sie die emotionale und neurobiologische Welt mitdenkt! Wenn man das Szenario nur durch die behavioristische Brille betrachten würde – egal ob klassisch oder modern – würde die emotionale Innenwelt des Hundes eben genau nicht berücksichtigt.

Hier würde Neros Verhalten vermutlich als „unangenehme Erfahrung = konditionierte Meidereaktion“ verbucht oder halt modern behavioristisch - Verlust von Kontrolle = negative Verstärkung und Vermeidungsverhalten – aber auch hier blieb die innere Erlebniswelt weitgehend außen vor.

Nach dem kynologischen Ansatz hingegen ist Neros Verhalten keine simple Konditionierungsfrage, sondern eine nachvollziehbare Strategie zur Stressregulation eines Hundes, der in einer verletzlichen Situation wiederholt die Kontrolle verloren hat.
Hier würde ich auch zunächst kontextunabhängige, stressfreie Situationen schaffen, in denen Nero selbstbestimmt agieren und positive Erfahrungen sammeln kann – z. B. Orte mit Übersicht, Rückzugsmöglichkeiten und wenig Ablenkung –, um seine Stressregulation und das Vertrauen in eigene Handlungsfähigkeit zu stärken und dann schwierigere Kontexte wie die Wiese einbeziehen.
 
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Babs
30. Nov. 10:30
Beim großen Geschäft sind Hunde in einer besonders verwundbaren Situation. Die Körperhaltung macht sie unfähig zu fliehen oder sich zu verteidigen. Sie sind aufs 💩 konzentriert und können dabei die Umgebung nicht so gut im Blick haben. Angriffe, wie bei Nero, können dazu führen, dass er sich in einer verletzlichen Position nicht mehr sicher fühlt, besonders, wenn es häufiger vorkam. Hunde haben ein Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle. Also die Sicherheit in Situationen handlungsfähig zu bleiben, Einfluss nehmen zu können, auf das was mit ihnen passiert. Es geht darum das Überleben zu sichern und sich vor starken Verletzungen zu schützen. Gerät ein Hund in Situationen, in denen dieses Bedürfnis verletzt wurde, kann es passieren, dass er sensibler und stärker auf Auslösereize reagiert, um seine eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten (Kontrolle zurück zu erlangen) oder er geht ins Meideverhalten, in dem er entsprechende Momente, wenn sie sich eben gar nicht vermeiden lassen, so kurz wie möglich hält. Oder eben beides. Besonders problematisch im Sinne von Bedürfnis von Kontrolle und Orientierung sind Situationen die nicht eindeutig und klar zu verstehen sind, in Neros Fall vermutlich, dass er nicht einschätzen kann, ob und wann er vor Übergriffen sicher ist oder nicht. Stressreaktionen sind eigentlich dafür gedacht, den Körper zu aktivieren, damit er herausfordernde Situationen gut meistern kann. Empfindet ein Lebewesen die Stresssituation als gut kontrollierbar und sich selbst als handlungsfähig, kann der Stress sogar positive Auswirkungen haben und gar empfundene Selbstwirksamkeit und Resilienz fördern und die Entwicklung neuronaler Strukturen vorantreiben. Wirken belastende und nicht kontrollierbare Stressoren immer wieder erneut auf das Lebewesen ein, kann es negative Auswirkungen haben. Werden Grundbedürfnisse sehr stark verletzt kann das tiefe Verletzungen im Nervensystem hinterlassen, die dazu führen, das auch geringe Belastungen großen Stress erzeugen. Das erschwert das Lernen von neuen Verhaltensweisen und altes Verhalten kann sogar verlernt werden. Unkontrollierter Stress ist gegeben, wenn ein Hund nicht einschätzen kann, was als Nächstes passieren wird. Die Art wie Nero aktuell sein Geschäft verrichtet, klingt für mich nicht danach als würde er sich in Kontrolle, Selbstwirksam oder als handlungsfähig in einer schwierigen Situation empfinden. Somit ist es vermutlich auch keine Erfahrung, die ihn wieder Sicherheit gewinnen lässt. Als möglicher Ansatz würde mir einfallen, Unternehmungen, die Nero eigeninitiativ startet, zu unterstützen (zum Beispiel durch ruhiges Lob, welches ihn möglichst nicht aus der Tätigkeit herausreißen sollte). Besonders die, wo er sich ausreichend wohl damit fühlt, sich zunehmend der Aufgabe hinzugeben, statt die Umgebung auf mögliche Bedrohungen zu scannen. Schafft er das bei Dingen, die ihm gute Gefühle bescheren, kann er das im glücklichen Fall später ggf. für die Notdurft übertragen. Ich würde mich bemühen zu beobachten, was ihm aktuell mehr das Gefühl von Sicherheit vermittelt und wo er sich besser lösen kann. Sind es Plätze die eher übersichtlich und gleichzeitig abgeschirmt von der Umgebung sind, in dem sie viel Sichtschutz bieten? Stellen weiter abseits von Orten, wo viel Hundeverkehr ist? Oder sind es eher Orte die viele Fluchtgelegenheiten bieten? Meine Priorität läge wohl in erster Linie darauf, dass er sich mit der Zeit wieder zutraut die typischen Rituale rund ums Geschäft wieder zu zeigen (Drehen, schnüffeln, usw…), damit er später mit zunehmender Sicherheit auch wieder flexibler in der Wahl des Ortes werden kann. Meiner Hündin hat es im Bezug auf andere Hunde (Leinenaggression) geholfen, ihr auftauchende Hunde verbal anzukündigen. Sie hat so verstanden, dass ich diese sowohl wahr- als auch ernstnehme und mich entsprechend meiner Möglichkeiten kümmern werde. Ich wünsche euch viel Erfolg 🐾
Auf den Punkt getroffen 👍👍👍
 
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Sonja
30. Nov. 12:31
Entschuldigung da hatte ich gestern eine etwas kurze Zündschnur. Die erste Passage las sich für mich bagatellisierend, war aber von dir nicht so gemeint. Ich ärgere mich einfach sehr darüber und finde es Nero gegenüber so ungerecht, dass ihm sowas immer passiert und gefühlt immer mehr Probleme dazu kommen, als weniger werden. Denn er war ja 4 Jahre 100% stubenrein (wobei das ist er ja immer noch) und hat ganz vorbildlich immer auf Gras gemacht. Meine Emotionalität dem Thema gegenüber rechtfertigt natürlich keinen verbalen Angriff auf dich! Dass er mit dem Untergrund selber kein Problem hat finde ich macht ein Training in der Hinsicht sogar schwieriger und nicht einfacher. Die Assoziation ist so spezifisch, es wäre deutlich einfacher, wenn es nur der Untergrund oder der Ort wäre. Bisher war ich der Meinung, dass ich ihm nicht durch eine Erwartungshaltung meinerseits zusätzlichen Druck machen möchte, da die ganze Sache für ihn ja eh sehr unangenehm ist. An einer Safe zone wie es jemand genannt hat arbeiten wir schon länger, allerdings ist die auf Berührung und Nähe aufgebaut und das sind beides Sachen, die ein Hund beim Häufchen machen in der Regel nicht haben möchte. Grundsätzlich ging es mir eigentlich auch gar nicht konkret um das Thema, es war stellvertretend für den Gedanken, wieso positive oder wie du sagst, neutrale Erfahrungen schlechte Erfahrungen nicht aufwiegen. Denn bei Hundebegegnungen ist oft die Idee, dass der Hund nach einer schlechten Erfahrung mit einem Fremdhund einfach ganz viele positive Erfahrungen mit Fremdhunden braucht. Und in der Praxis klappt das aber bei vielen Hunden überhaupt nicht. Oder die Verbesserung ist äußerst fragil und ein kleiner negativer Ausreißer versetzt das Team wieder auf Anfang, wie man immer hört. Früher hat man das zum Beispiel als Erfolg haben bezeichnet, wenn ein Hund an der Leine ausrastet und das andere Team sich entfernt, weil sie ja einfach ihren Weg gehen, aber aus Sicht des Hundes hat er durch sein Verhalten den gewünschten Abstand geschaffen oder die Bedrohung verjagt. Ich sehe es aber jetzt eher als Bestätigung eines Glaubenssatzes "wenn ich X mache, passiert mir nichts. Wenn ich X nicht gemacht hätte, dann wäre bestimmt etwas passiert". Und diese scheinen sehr schwer abzubauen zu sein, weil ja im Grunde eine kontinuierliche Bestätigung statt findet. So das war jetzt nicht besonders zusammenhängend, aber hoffentlich einigermaßen logisch/verständlich.
Kein Problem. Meine erste Antwort war auch so kurz gefasst, dass es sich bagatellisierend liest.
Das Thema "sich beim Koten sicher fühlen" ist für Ella und mich Alltag. Hört sie draußen Musik, Knallerei, Gepolter von Treckern oder LKWs, ... hat sie Angst bis Panik - an Lösen nicht zu denken. Das betrifft überall draußen, wo sie solche Geräusche hört, also potentiell überall, nur eben nicht ständig.

Die eigentliche Frage ist, warum ist Euch das passiert, warum "passiert ihm das immer". Beziehungsweise lösungsorientiert: Wie kannst Du ihn davor schützen?
Denn es ist so, wie Du es ja selbst schreibst: Jedes,Mal, wenn es wieder passiert, wenn er angegriffen wird, wirft Euch das weit zurück.

Bei Ella ist die Lösung, dass ich jetzt seit 1,5 Jahren mit ihr daran arbeite, dass ihr bei mir nichts passiert, und dass sie darauf vertrauen kann. Das Ergebnis ist, dass sie immer seltener den panischen Rückwärtsgang einlegt, obwohl sie noch oft kurz davor ist. Außerdem flüchtet sie nicht mehr von mir weg, sondern sucht Schutz bei mir. So kann ich aktiv, wie ich es gestern beschrieben habe, mit ihr die Angst überwinden, und danach kann sie sich oft auch lösen. Wenn nicht, gehen wir rein und versuchen es später noch einmal.

Aber vielleicht kannst Du die Situationen ja näher beschreiben. Was heißt "wurde angegriffen"? Warum greift ein Hund einen anderen an, während der Kotet (und damit ja eher gerade keine Gefahr darstellt)? Was glaubst Du, warum das Nero "immer passiert"? Wie sind die angreifenden Hunde sonst so drauf, anderen Hunden gegenüber zum Beispiel?
 
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Sonja
30. Nov. 16:06
Ein Beispiel dafür, dass es nicht reicht, wenn nichts passiert.

Am Anfang des Videos sieht man einen Hof. Dort leben zwei Hunde, ich glaube, Deutsch Drahthaar, die nicht nur den Hof als ihr Revier ansehen, sondern auch die Straße davor und den Feldweg, auf dem wir gerade gehen, bis ca. zu den Eichen.
Früher haben die Hunde alle verfolgt, verbellt, vertrieben, die dort lang gegangen sind. Auch uns, allerdings ist nie etwas passiert. Sie haben uns mit 10 m Abstand verfolgt, und sind an ihrer Reviergrenze umgedreht. Bei der Verfolgung haben sie allerdings Imponiergehabe gezeigt und uns die ganze Zeit verbellt. Das hat Yoshi, dem hellen Doodle, Angst gemacht.
Seit 2 Jahren ist das Grundstück eingezäunt, seitdem haben wir die Hunde nicht mehr gesehen. Wir gehen den Weg mehrmals pro Woche. Trotzdem sieht man, wie sich Yoshi immer wieder unsicher zum Hof umschaut.

Das ist jetzt zwar nur ein Erfahrungsbericht, aber er bestätigt die Lehrmeinung, dass neutrales Erleben, dass nichts passiert, nicht reicht, um die negativen Emotionen zu überschreiben.
 
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Julia 🐾Nero
30. Nov. 16:50
Kein Problem. Meine erste Antwort war auch so kurz gefasst, dass es sich bagatellisierend liest. Das Thema "sich beim Koten sicher fühlen" ist für Ella und mich Alltag. Hört sie draußen Musik, Knallerei, Gepolter von Treckern oder LKWs, ... hat sie Angst bis Panik - an Lösen nicht zu denken. Das betrifft überall draußen, wo sie solche Geräusche hört, also potentiell überall, nur eben nicht ständig. Die eigentliche Frage ist, warum ist Euch das passiert, warum "passiert ihm das immer". Beziehungsweise lösungsorientiert: Wie kannst Du ihn davor schützen? Denn es ist so, wie Du es ja selbst schreibst: Jedes,Mal, wenn es wieder passiert, wenn er angegriffen wird, wirft Euch das weit zurück. Bei Ella ist die Lösung, dass ich jetzt seit 1,5 Jahren mit ihr daran arbeite, dass ihr bei mir nichts passiert, und dass sie darauf vertrauen kann. Das Ergebnis ist, dass sie immer seltener den panischen Rückwärtsgang einlegt, obwohl sie noch oft kurz davor ist. Außerdem flüchtet sie nicht mehr von mir weg, sondern sucht Schutz bei mir. So kann ich aktiv, wie ich es gestern beschrieben habe, mit ihr die Angst überwinden, und danach kann sie sich oft auch lösen. Wenn nicht, gehen wir rein und versuchen es später noch einmal. Aber vielleicht kannst Du die Situationen ja näher beschreiben. Was heißt "wurde angegriffen"? Warum greift ein Hund einen anderen an, während der Kotet (und damit ja eher gerade keine Gefahr darstellt)? Was glaubst Du, warum das Nero "immer passiert"? Wie sind die angreifenden Hunde sonst so drauf, anderen Hunden gegenüber zum Beispiel?
Dass für euch Lösen ein alltägliches Problem ist tut mir sehr leid, erklärt natürlich auch, wieso es für dich quasi keine große Sache mehr ist.

Mit "immer wieder" meinte ich jetzt tatsächlich nicht Angriffe beim Koten, sondern einfach grundsätzlich blöde Sachen. Da scheint er ein Pechmagnet zu sein.
Dass beim Koten ist 3 Mal passiert (zwei Mal war es der selbe Hund), leider in einem kurzen Zeitraum.
Davor und danach ist sowas nie wieder passiert (auch weil ich dann wusste, wann und wo der betreffende Angreifer unterwegs war und wir das Team einfach gemieden haben wie die Pest. Denn der Hund lief grundsätzlich frei und ist inzwischen aber sich verstorben).

Eine ähnliche Geschichte hatten wir mit Autos. Da hat er auch innerhalb einer Woche mehrere sehr blöde Situationen erlebt und hat dadurch angefangen fahrende Autos anzugreifen. Obwohl davor Autos nie ein Thema waren.

Irgendwie passiert sowas gefühlt immer uns.

Was spezifisch fremde Hunde angeht spielen da natürlich viele Faktoren eine Rolle.
Dass Nero groß und intakt ist zählt sicher auch rein. Seine eigene Körpersprache und sein Verhalten garantiert auch. Aber in anderen Situationen ist er komplett unschuldig, beim Koten ist er sicherlich nicht provokativ oder bedrohlich.

Früher dachte ich, dass die Hunde, die ihn anpöbeln, einfach allgemein Leinenaggressiv sind. Die Vermutung hat sich jetzt aber widerlegt, seit ich mit anderen Hunden Gassi gehe, die viel seltener angepöbelt werden.

Früher habe ich Nero definitiv nicht geschützt, ganz im Gegensatz, ich habe ihm immer die Schuld dafür gegeben, wenn es Konflikte gab (wobei er schon auch kein Unschuldslammm ist und ordentlich was auf dem Kerbholz hat. Aber er war im Nachhinein definitiv nicht immer der Initiator). Das Wohlbefinden des anderen Hundes hatte immer Priorität. Zum einen weil Nero einfach viel größer ist und zum anderen weil ich ihn immer für "das Problem" gehalten habe.
Das hat sich jetzt geändert, sicherlich leider etwas spät.
Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Ich glaube Nero ist so ein "Kevin", dem man automatisch die Schuld an allem unterstellt.
Dieses Mindset habe ich erst kürzlich abgelegt und wollte zum "Kevin Syndrom" bei Hunden auch mal einen Thread machen.
 
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CAROL
30. Nov. 18:09
Dass für euch Lösen ein alltägliches Problem ist tut mir sehr leid, erklärt natürlich auch, wieso es für dich quasi keine große Sache mehr ist. Mit "immer wieder" meinte ich jetzt tatsächlich nicht Angriffe beim Koten, sondern einfach grundsätzlich blöde Sachen. Da scheint er ein Pechmagnet zu sein. Dass beim Koten ist 3 Mal passiert (zwei Mal war es der selbe Hund), leider in einem kurzen Zeitraum. Davor und danach ist sowas nie wieder passiert (auch weil ich dann wusste, wann und wo der betreffende Angreifer unterwegs war und wir das Team einfach gemieden haben wie die Pest. Denn der Hund lief grundsätzlich frei und ist inzwischen aber sich verstorben). Eine ähnliche Geschichte hatten wir mit Autos. Da hat er auch innerhalb einer Woche mehrere sehr blöde Situationen erlebt und hat dadurch angefangen fahrende Autos anzugreifen. Obwohl davor Autos nie ein Thema waren. Irgendwie passiert sowas gefühlt immer uns. Was spezifisch fremde Hunde angeht spielen da natürlich viele Faktoren eine Rolle. Dass Nero groß und intakt ist zählt sicher auch rein. Seine eigene Körpersprache und sein Verhalten garantiert auch. Aber in anderen Situationen ist er komplett unschuldig, beim Koten ist er sicherlich nicht provokativ oder bedrohlich. Früher dachte ich, dass die Hunde, die ihn anpöbeln, einfach allgemein Leinenaggressiv sind. Die Vermutung hat sich jetzt aber widerlegt, seit ich mit anderen Hunden Gassi gehe, die viel seltener angepöbelt werden. Früher habe ich Nero definitiv nicht geschützt, ganz im Gegensatz, ich habe ihm immer die Schuld dafür gegeben, wenn es Konflikte gab (wobei er schon auch kein Unschuldslammm ist und ordentlich was auf dem Kerbholz hat. Aber er war im Nachhinein definitiv nicht immer der Initiator). Das Wohlbefinden des anderen Hundes hatte immer Priorität. Zum einen weil Nero einfach viel größer ist und zum anderen weil ich ihn immer für "das Problem" gehalten habe. Das hat sich jetzt geändert, sicherlich leider etwas spät. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Ich glaube Nero ist so ein "Kevin", dem man automatisch die Schuld an allem unterstellt. Dieses Mindset habe ich erst kürzlich abgelegt und wollte zum "Kevin Syndrom" bei Hunden auch mal einen Thread machen.
Also ich glaube wirklich nicht, dass er / ihr ein Pechmagnet ist / seid. Erstmal gibt es manchmal so blöde Zufälle - hatten wir vor ein paar Wochen mit Kindern und Fahrrädern und als Krönung Kinder auf Fahrrädern - und zweitens achtet man selber dann vermehrt auf diese Dinge, die Probleme gemacht haben. Das ist aber potentiell per se dann auch mit das größte Problem: das eigene Mindset. Wenn man denkt „oh je, nicht schon wieder ein Fahrrad“, geht‘s mit einiger Wahrscheinlichkeit in die Hose.
 
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Kirsten
30. Nov. 22:19
Gedanken die mir noch gekommen sind zu Thema Gegenkonditionierung:

Einige haben schon angesprochen, dass hier fraglich ist, ob überhaupt eine Gegenkonditionierung stattfindet, da nicht an der Emotion/ dem Verhalten gearbeitet wird.
(Achtung: Definitionsfrage von Gegenkonditionierung, großer Unterschied! Siehe Jochen/ Sandra. Als zusätzliches Beispiel fällt mir Click für Blick ein.)

Der Stuhldrang bzw. das Koten auf Asphalt wurde hier überwiegend als neutraler Stimulus bezeichnet.
Das kann natürlich sein, aber wir wissen gar nicht, ob das so zutrifft.
Von menschlicher Seite wird es als neutral gewertet, auf der Grundlage dessen, dass dabei kein Angriff auf Nero erfolgt ist. Die Bewertung gut/ schlecht/ neutral wird allerdings von Nero selbst vorgenommen.

Genau so gut kann es sein, dass schon allein das Absetzen von Kot selbst durch die vorherigen Erfahrungen an starke negative Emotionen geknüpft ist. Siehe Julias Eingangstext „Anfangs habe ich noch versucht es abzubrechen, aber da er offensichtlich eh Stress hat, wollte ich ihn nicht zusätzlich unter Druck setzen“ (Tolle Sache, dass du dich dagegen entschieden hast!🙏🏻).
Das könnte erklären, warum auf den Gehweg machen, der Wiese zwar vorgezogen wird, aber nicht zu Erleichterung und Entspannung führt.
Der Gehweg ist vielleicht einfach nur das geringere Übel im Vergleich zum Gras. Muss nicht sein, nur ein Gedanke.

Ich denke, da an einen lieben Menschen aus meinem Umfeld mit Reiz-Darm-Syndrom für den u.a. ein Stau auf der Autobahn wegen drohendem Kontrollverlust zu großem Stress führen kann, auch dann, wenn nichts in die Hose geht. Ich denke nicht, dass er regelmäßige Staus als bereichernde Erfahrung empfindet, auch wenn nichts passiert ist. Ich denke, der Stress ist viel präsenter, als das Meistern der Situation und bleibt nicht als fördernde Erfahrung hängen.
Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, stellt sich die Frage nach dem Fahrer nie. Er bekommt sein Bedürfnis nach Kontrolle und Handlungsspielraum als Fahrer erfüllt und wir lassen uns kutschieren (:

Bezüglich der Safe Zone, die auf Berührung und Nähe aufgebaut wird, ploppt mir Co-Regulation im Kopf auf.
Also ein Prozess, bei dem eine, in dem Moment, emotional stabile Person jemand anderem dabei hilft über Fürsorgeverhalten wieder zurück zu inneren Gleichgewicht zu kommen.
Körperkontakt ist ein wundervolles Tool, wenn es angenommen wird, aber nicht die einzige Option. Ruhe und Zuversicht der helfenden Person scheint ein starker Faktor zu sein.
Das ist in der Theorie viel leichter gesagt, als in der Praxis gemacht.
Ich habe gemerkt, dass ich da selber Bedarf hatte, an eigenen Glaubenssätzen zu arbeiten. Bei einigen erfolgreich, bei anderen noch ein Prozess. (Ich möchte betonen, dass das hier keine Unterstellung darstellen soll und hoffe, dass es auch nicht so ankommt.) Ich versuche nur einfach ein paar Gedanken einzustreuen, von denen man sich nach Bedarf vielleicht etwas passendes herauspicken kann.
 
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Alina
1. Dez. 07:06
Entschuldigung da hatte ich gestern eine etwas kurze Zündschnur. Die erste Passage las sich für mich bagatellisierend, war aber von dir nicht so gemeint. Ich ärgere mich einfach sehr darüber und finde es Nero gegenüber so ungerecht, dass ihm sowas immer passiert und gefühlt immer mehr Probleme dazu kommen, als weniger werden. Denn er war ja 4 Jahre 100% stubenrein (wobei das ist er ja immer noch) und hat ganz vorbildlich immer auf Gras gemacht. Meine Emotionalität dem Thema gegenüber rechtfertigt natürlich keinen verbalen Angriff auf dich! Dass er mit dem Untergrund selber kein Problem hat finde ich macht ein Training in der Hinsicht sogar schwieriger und nicht einfacher. Die Assoziation ist so spezifisch, es wäre deutlich einfacher, wenn es nur der Untergrund oder der Ort wäre. Bisher war ich der Meinung, dass ich ihm nicht durch eine Erwartungshaltung meinerseits zusätzlichen Druck machen möchte, da die ganze Sache für ihn ja eh sehr unangenehm ist. An einer Safe zone wie es jemand genannt hat arbeiten wir schon länger, allerdings ist die auf Berührung und Nähe aufgebaut und das sind beides Sachen, die ein Hund beim Häufchen machen in der Regel nicht haben möchte. Grundsätzlich ging es mir eigentlich auch gar nicht konkret um das Thema, es war stellvertretend für den Gedanken, wieso positive oder wie du sagst, neutrale Erfahrungen schlechte Erfahrungen nicht aufwiegen. Denn bei Hundebegegnungen ist oft die Idee, dass der Hund nach einer schlechten Erfahrung mit einem Fremdhund einfach ganz viele positive Erfahrungen mit Fremdhunden braucht. Und in der Praxis klappt das aber bei vielen Hunden überhaupt nicht. Oder die Verbesserung ist äußerst fragil und ein kleiner negativer Ausreißer versetzt das Team wieder auf Anfang, wie man immer hört. Früher hat man das zum Beispiel als Erfolg haben bezeichnet, wenn ein Hund an der Leine ausrastet und das andere Team sich entfernt, weil sie ja einfach ihren Weg gehen, aber aus Sicht des Hundes hat er durch sein Verhalten den gewünschten Abstand geschaffen oder die Bedrohung verjagt. Ich sehe es aber jetzt eher als Bestätigung eines Glaubenssatzes "wenn ich X mache, passiert mir nichts. Wenn ich X nicht gemacht hätte, dann wäre bestimmt etwas passiert". Und diese scheinen sehr schwer abzubauen zu sein, weil ja im Grunde eine kontinuierliche Bestätigung statt findet. So das war jetzt nicht besonders zusammenhängend, aber hoffentlich einigermaßen logisch/verständlich.
Da muss ich daran denken, dass unser Lucky letztens auch eine (aus unser Sicht) doofe Hundebegegnung hatte, die aber für ihn und seinen Lerneffekt bezüglich Hundekontakte glauben wir echt gut war.
Er hat so oder so schon seit wir ihn haben Probleme mit anderen Hunden. Manche Kontakte verlaufen super und er ist auch nicht aufgedreht, manchmal schafft er es auch ohne irgendwelche Probleme an der kurzen Leine an anderen Hunden vorbei zu gehen, aber oft ist er sehr angespannt im Kontext mit anderen Hunden und (so interpretieren wir das) geht er aus Unsicherheit, Stress und Druck nach vorne. Da vielleicht irgendwo abgespeichert, wenn er die Situation kontrolliert, ist es besser als wenn er gechillt ist und plötzlich der andere Hund anfängt Stress zu machen.
Bei der Situation waren beide Hunde unangeleint, der andere Hund hat zuerst angefangen zu knurren und sich zu versteifen, Lucky ist aber schon als Aggressor ein wenig darauf eingegangen und die haben sich dann auch direkt so positioniert, dass Lucky dem anderen Hund den Weg zu seinem Herrchen abgeschnitten hat und auch selber auf dem schmalen weg nicht mehr gut am anderen Hund zu uns vorbei gekommen wäre. Recht schnell lag der andere Hund dann plötzlich auf lucky drauf und hat ihn angeknurrt. Da bin ich dann natürlich dazwischen gegangen und der andere Halter hat seinen runter gehoben und sind dann schnell weiter gegangen.
Super doofe Situation, mit der ich erstmal auch gebraucht habe emotional klar zu kommen, aber an sich ist ja auch nichts weiter passiert UND seitdem haben wir das Gefühl macht Lucky weniger Stress bei anderen Hunden.

Also auf den Kontext hier bezogen: das lernen durch immer wieder an Hunden vorbei gehen ohne, dass es zu einem Konflikt kommt scheint einen geringeren Lerneffekt zu haben, als dass es zu dem (für lucky vermeintlich sicheren) Konflikt kommt, aber er dann darauf eine negative Folge hat.
Das wäre natürlich keine Situation, die wir aktiv mit fremden Hunden herausfordern wollen, aber irgendwo Glück im Unglück, dass wir den anderen Hund nur so weit falsch eingeschätzt hatten, dass er dich ein bisschen forscher / ungeduldig war, aber trotzdem mit Luckys Gehabe nicht zu übertrieben unfair reagiert hat.