Auch mir kommt das sehr bekannt vor. Ich habe hier auch einen Hund, der schlecht mit Aufregung umgehen kann, aber leider sehr schnell "drüber" ist.
Was bei uns geholfen hat:
- nicht so oft die Strategie wechseln! Alles von dir genannte in 5 Monaten würde mich als Hund auch stressen, weil ich gar nicht mehr weiß, woran ich gerade bin ;)
- Erwartungen runterschrauben. Begegnungen nicht "schaffen wollen", sondern erst mal vermeiden. So lernt dein Hund, dass du ihn nicht in blöde Situationen bringst. Alles ist erlaubt: groooße Bögen gehen, umdrehen, hinter Autos etc verstecken, Hund tragen (bevor er auslöst). Hauptsache es hilft ihm und gibt ihm Sicherheit. Und egal wie, das ist erst mal ein Erfolgserlebnis, denn ihr habt es geschafft! Dann die Körpersprache lernen und sich irgendwann natürlich näher in die Begegnungen trauen - aber nur so weit, wie er dir durch die Körpersprache zeigt, dass es ok ist.
- Wie geht es dir auf Spaziergängen? Hast du Spaß oder bist du gestresst? Konzentrier dich auf das positive! Gibt es irgendwas, was er draußen mag? Zum Beispiel irgendwo hoch springen oder Leckerli suchen? Dann macht das gemeinsam und habt wieder Spaß, alle beide. Wir hatten am Anfang auch hin und wieder die Reizangel dabei, wenn mein Freund dabei war. Damit konnten wir den Rückruf trainieren und gleichzeitig war es ein Mordsspaß für alle. Wenn man aufpasst und die Angel entsprechend bewegt, geht das auch mit Schleppleine.
- Leinenführigkeit etc ist im Stress zu viel verlangt. Mit einer langen Leine (natürlich nur da, wo möglich, ungefährlich und keiner gestört wird) hat der Hund mehr Möglichkeiten, Dinge richtig zu machen, über die ihr euch beide freuen könnt.
- Wenn draußen so stresst, erst mal nur kurz raus gehen und die immer gleichen Wege (und dabei bleiben). Zum Ausgleich kann man drinnen ruhige Kopfarbeit machen, Aufmerksamkeitssignal zum Beispiel hab ich gerne geübt, und Übungen zum Runter kommen wie Schnüffelspiele. Vielleicht auch kleine Tricks üben, die man irgendwann mit nach draußen nehmen kann. Je nach Hund kann man auch so Dinge wie TTouch oder das Tellington Körberband ausprobieren und einführen.
- NICHT sitzen bleiben und aushalten draußen. Das ist super bei einem überforderten Hund, der einfach Zeit braucht, um die Welt einschätzen zu können. Bei einem Hund, der Stress durch Bewegung abbaut (und das klingt bei deinem total danach), ist das kontraproduktiv und führt nur zu mehr Stress. Stattdessen kannst du ihm helfen, die Welt ruhiger zu erkunden. Wenn er Leckerli nimmt, streue ein paar auf die Wiese, während du kurz stehen bleibst. Gib ihm was zu tun, zu erkunden, und gleichzeitig kann er durch das ruhige Schnüffeln ein wenig runter kommen. Nach und nach haben wir das ausgebaut, sodass wir nach ein paar Monaten auch ohne Beschäftigung irgendwo ruhig sitzen konnten.
- Durchleuchte den Alltag, auch daheim. Wo gibts Stressfaktoren? Wo forderst du Impulskontrolle, die er eventuell gar nicht hat? Du sagst "seine Impulskontrolle ist recht gut". Das ist ja an sich super, aber es kann sein, dass er drinnen einfach zu viel Konzentration braucht und darum draußen nicht mehr an sich halten kann. So Dinge wie "vor dem Futternapf warten" oder "du musst jetzt aber ne halbe Stunde genau dort auf deiner Decke bleiben" braucht aber eigentlich kein Hund, sondern es ist nur anstrengend.
- Super ist ein Tagebuch, auf 15-Minuten-Basis. Wann wird was gemacht? Geschlafen, geruht, spazieren gegangen, alleine geblieben, Besuch ist da, spielen, fressen... Da merkt man machmal erst, wie viele Reize der Hund so am Tag abbekommt. Auf der Basis kann man dann experimentieren, ob er mehr oder weniger braucht. Aber auch hier: Die Veränderungen länger durchziehen als 1-2 Tage pro Veränderung. Mindestens eine Woche sollte es schon sein.
- Aufregung vorm rausgehen: Haben wir auch. Haben wir immer noch. Ist aber ok. Er holt sein Spielzeug und darf damit durch die Wohnung rasen, während wir uns fertig machen. Alternativ könnte man auch leckerli streuen, wenn ihm das hilft und ihn etwas runter bringt. Ab dem Treppenhaus ist dafür dann bei uns Zurückhaltung gefordert, aus sicherheitsgründen. Dann gehts paar Meter im lockeren Fuß, bis er auf einem größeren Platz dann 3m Leine hat und auch schnüffeln, markieren etc. darf. Er baut über Bewegung Stress ab, wenn ich ihn also zwinge ruhig zu warten, startet er nur mit noch höherem Stresslevel in den Spaziergang.