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Annika
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Anzahl der Antworten 89
zuletzt 15. Juli

Angst vor Geräuschen Kurs Tipp

Hallo ihr Lieben, mein Hund (3 Jähriger Rüde) hat leider Angst vor Geräuschen, die er nicht sehen kann. Also Flugzeuge, Schüsse, Donner etc. Leider wird es immer schlimmer und ich bin echt am verzweifeln… Der arme ist so gestresst und ich würd ihm so gerne helfen… Kein Tag an dem er sich nicht wegen dem kleinsten Geräusch unter dem Tisch versteckt… Er braucht irgendwie einfach Sicherheit und ich weiß nicht wie ich ihm diese in dem Fall geben kann… Kennt jemand zufällig gute Kurse, die euren Hunden bestenfalls schon geholfen haben? Unsere Hundetrainerin meinte nur wir sollen ihn jedes Mal bei Fluchtverhalten in seine Box schicken, aber geändert hat das nichts… Es geht mir nicht direkt um laute Geräusche, falls das einen Unterschied macht, ein Traktor oder so neben ihm stört ihn nicht. Nur Geräusche die er nicht sehen kann. Ich wär euch sehr dankbar falls jemand einen guten Tipp/Kurs hat, danke!!
 
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Sonja
13. Juli 08:51
Verhaltenstierarzt dann wegen Medikamenten? Ich bin auch am überlegen ob ich das unterstützend anfangen soll, will aber eigentlich eher darauf verzichten falls möglich. Ich versuche mal noch ein paar Monate die Tipps aber wenn er dann immer noch ängstlich/gestresst ist werd ich’s auf jeden Fall versuchen. Weil wenn er nur gestresst rumläuft ist das ja auch nix 🙈
Beruhigende Mittel immer nur in Absprache mit einem Tierarzt geben. Dafür ist ein Verhaltenstierarzt tatsächlich ideal.

Wir unterstützen unsere Hunde auch teilweise, mit CBD, L-Theanin, Kasein. Von der Tierärztin haben wir Beratung bekommen, für welchen Hund welcher Wirkstoff am besten geeignet ist.
Die einen wirken beruhigend / entspannend, die anderen stimmungsaufhellend. Letzteres braucht unser Sonnenschein Lucy nicht, sie ist ein Gute-Laune-Hund.

Ob man überhaupt etwas unterstützend gibt, sollte man gut abwägen. Bei uns hat es teilweise medizinische Gründe, teilweise soll es eine Trainierbarkeit überhaupt erst ermöglichen.
Ereignisse wie Silvester, wenn man weiß, dass der Hund panisch wird, sind ebenfalls ein guter Grund für solche Mittel.
Auch entscheident ist, ob man das Mittel nur kurz oder langfristig geben will / muss.
 
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Sonja
13. Juli 08:54
Das sieht ja wirklich sehr entspannt aus! 😎 aber genau so und auch ohne Leckerlie würde mein Hund da auch liegen. Es kann ein Bus an ihm vorbei brettern oder auch das lauteste Gerät direkt an ihm angehen. Das juckt ihn keeeein bisschen. Das find ich auch so komisch, dass er Flugzeuge und Donner aber dann so schlimm findet. Alles was eben auf einmal unterwartet kommt und er nicht sehen kann. Ein Heli zB stört ihn nicht, weil den sieht man ja meistens. Das zeig ich ihm dann und dann ist es okay für ihn und er hat keine Angst. Deswegen bin ich ja so verzweifelt haha weil Donner und Flugzeuge kann ich ihm ja leider nicht zeigen 🥲
Plötzlich auftretende Geräusche sprechen immer die Selbstschutzmechanismen im Hund an, die unbewusst ablaufen. Dagegen kann man nichts machen.
Man kann dem Hund lediglich anschließend da raus helfen, also alternative Strategien trainieren.
 
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Anke
13. Juli 09:12
Ich würde mir an Deiner Stelle eine Trainerin suchen, die sich auf Ängste spezialisiert hat. Das Training mit Ängsten unterscheidet sich ja doch sehr vom durchschnittlichen
Hundetraining, weil man sehr stark über das vegetative Nervensystem arbeiten muss. Ich finde Ute Blaschke-Berthold da ganz prima. Viel Erfolg auf Eurem Weg!
 
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Sonja
13. Juli 10:14
Das erste würde glaub ich keinen Sinn machen. Hat er ein Flugzeug gehört krieg ich ihn schon in den Sitz aber dann sitzt er da verängstigt und man sieht ihn wie er denke bitte bitte lass uns jetzt bloß schnell heim gehen das ist doch dann nicht sinnvoll ihn länger in der Situation zu lassen obwohl er da hilflos und unentspannt sitzt, oder? Das mit den Geräuschen werde ich versuchen, vielleicht kommt es mir ja nur so vor als würde es nicht helfen aber im Unterbewusstsein bringt es ihm schon was :)
Wenn Dein Hund nur noch weg will und stattdessen ins Sitz oder Platz geschickt wird, kann es das Ganze sogar verschlimmern. Entweder ist er vor lauter Angst gar nicht in der Lage, dem Kommando Folge zu leisten, dann machst Du Dir Dein Kommando kaputt. Oder die Angst ist nicht so groß, er kann Sitz oder Platz machen, wird dadurch aber von der Person, die ihm eigentlich da raus helfen sollte, gezwungen, in der Situation zu verharren. Das bedeutet Vertrauensverlust und macht eine unangenehme Situation noch unangenehmer.
 
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Sonja
13. Juli 10:28
ich verstehe was du meinst mit innere Ruhe und Souveränität aber wie sieht das dann in der Praxis aus? Jemand meinte ja zusammen mit dem Hund neue Dinge lernen und erkunden oder ähnliches also ich verstehe den Ansatz, ich finde es nur super schwer das umzusetzen
Im Grunde ist der Ansatz, dass Du Dich bei Euren Spaziergängen auf Deinen Hund konzentrierst. Kein Handy, kein Gequatsche mit Freundinnen, kein gedankenverlorenes Nachsinnen Deiner Erlebniswelt. (Das waren jetzt alles Dinge, die ich ab und zu beobachte, nicht auf Dich bezogen.)
Dann lässt Du den Hund im Rahmen Eurer Möglichkeiten machen, am besten an einer etwas längeren Leine, und vor allem ohne Vorgaben von Dir. Dabei beobachtest Du ihn, um herauszufinden, wo seine Interessen liegen. Verfolgt er gerne Spuren? Möchte er Mauselöcher aufbuddeln? Scannt er die Gegend ab zum Jagen? Sucht er hauptsächlich nach Fressbarem? ...
Seine Vorlieben kannst Du dann für gemeinsame Aktivitäten nutzen. Interessier Dich für die Dinge, die er interessant findet, sprich dabei mit ihm, fröhlich, begeistert. Zeig ihm, dass Du auch Spaß daran hast.
Zeigt er Dir etwas Interessantes, kommentierst Du das und machst mit. Das muss nicht lange sein, und Du beendest die gemeinsame Aktion aktiv, zum Beispiel mit "Fertig" oder "Weiter", vom Tonfall heiter / freundlich, als Ankündigung.
Du kannst ihm auch was für ihn Interessantes zeigen, eine Fährte, ein Mauseloch, ein paar Leckerli, die "zufällig" auf dem Weg liegen oder in einer Baumrinde stecken.
 
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Jochen
13. Juli 11:24
Eines möchte ich noch erwähnen, die meisten hier im Thread sprechen nicht von Angst, sondern von Furcht. Mit Furcht umzugehen ist wesentlich einfacher als mit Angst. Furcht ist reaktiv und Angst quasi antizipierend.

Beispiel, es knallt, der Hund erschreckt sich, das ist Furcht.

Wenn er am nächsten Tag zB. am gleichen Ort (je nach dem was er verknüpft hat) ohne Knall das gleiche Verhalten zeigt, ist es Angst. Es könnte ja wieder knallen. Nur mal so zur Einordnung.
 
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Tom
13. Juli 11:39
Eines möchte ich noch erwähnen, die meisten hier im Thread sprechen nicht von Angst, sondern von Furcht. Mit Furcht umzugehen ist wesentlich einfacher als mit Angst. Furcht ist reaktiv und Angst quasi antizipierend. Beispiel, es knallt, der Hund erschreckt sich, das ist Furcht. Wenn er am nächsten Tag zB. am gleichen Ort (je nach dem was er verknüpft hat) ohne Knall das gleiche Verhalten zeigt, ist es Angst. Es könnte ja wieder knallen. Nur mal so zur Einordnung.
Interessant.
So hab ich das selbst noch nie gesehen. Waren für mir immer Sysonyme bisher.
 
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Sonja
13. Juli 14:29
Das Türenknallen vom Wind hat bei Benny auch zu Angst vor Wind geführt, teilweise auch vor halboffenen Türen. Das war trainierbar, weil ich selbst mit der Tür klappern konnte. Ist heute kein Problem mehr und hat ca. 1/2 Jahr gebraucht. Aber Benny ist auch nur ein bisschen unsicher, er hat nicht viele Ängste. Ganz anders Ella, aus dem Tierschutz, Jagdhündin aus der Toskana. Sie hat viele Ängste, Licht und Schatten, Gegenstände, die sie nicht kennt, fremde Menschen, ... Am schlimmsten Geräusche, deren Ursprung sie nicht ausmachen kann. Wenn in der Gegend gefeiert wird, mit lauter Musik, die man auch bei uns hört. Gewitter ist auch schlimm. Ich habe im Februar online einen Workshop von Tina Schwarz mitgemacht. https://tina-schwarz.de/ Ihr Ansatz ist deckungsgleich mit den Empfehlungen aus diesem Podcast https://open.spotify.com/episode/6M0oxPtP3WcHLYs7k3Eekg?si=_is8mmT2QCeATo2oYrtiFQ Man soll die Situation, die für den Hund so furchteinflößend ist, mit Fröhlichkeit, Spiel, Spaß und Superleckerli zum Positiven wandeln, so dass der Hund mit dem Auslöser nach einiger Zeit mehr positive Erfahrungen verknüpft als negative. Also nach der ersten Schrecksekunde, die sich bei plötzlichen Ereignissen nicht vermeiden lässt, Party machen. Du musst herausfinden, was Dein Hund ganz doll liebt, und das immer griffbereit haben. Und wenn nicht, nicht ärgern, sondern freuen, über was auch immer. Daraus ergibt sich, dass jeder Zwang, jedes widerwillig ausgeführte Komnando zu viel Negatives in die Situation bringt, und daher vermieden werden sollte. Ein Hund, der sich bei Angst oder gar Panik verkriechen will, sollte das ungehindert dürfen. Trotzdem solltest Du für Deinen Hund da sein, in dem Maß, das der Hund gut findet. Streicheln wollen dann die wenigsten, selbst wenn sie fast in einen rein krabbeln. Unserem Sammy hat es bei starker Gewitterangst geholfen, die Pfote zu halten. Ella verkriecht sich und hat dort lieber ihre Ruhe. Aber sie beruhigt sich schneller, wenn man sich in die Nähe setzt und einfach da ist. Das hat uns Nala gestern vorgemacht. Ella hatte Gewitterangst und hat sich verkrochen. Den gewählten Rückzugsort sucht sie nur noch bei stärkerer Angst auf. Nala ging hin, schaute sich genau an, was Ella da macht, und legte sich dann quer vor den Eingang des Rückzugsortes. Man kann auf den ängstlichen Hund einreden, wenn er ihm hilft, aber eben fröhlich. Auf keinen Fall bedauern oder bemitleiden, denn das beinhaltet negative Gefühle. Ella ist jetzt 1 Jahr bei uns, seit dem Workshop im Februar "freuen" wir uns über alles, was passiert. Wir bleiben immer bei ihr, bis sie wieder entspannt ist, egal, was wir ursprünglich vor hatten. Sie darf sich immer verkriechen und den Ort selbst wählen, aber wir versuchen, so viel Routine wie möglich normal stattfinden zu lassen. Beim letzten Gewitter (gestern) dauerte es nur noch ca. 10 Minuten bis sie sich zum Schlafen eingerollt hat. Ab da kann sie auch auf unsere direkte Nähe verzichten. In den Situationen mit Musik, die draußen zu hören ist, hat Ella in den ersten Monaten Panik gekriegt. Wollte nur rein, hat sich nicht lösen können. Inzwischen pinkelt sie trotz Musik. Sie will danach zwar auch direkt rein, aber nicht mehr panisch. Für uns funktioniert das "Freuen" gegen die Angst gut. Man braucht Geduld. Je nach dem, wie gefestigt die Angst inzwischen ist, braucht es teilweise sehr lange, bis die positive Verknüpfung greift.
@Tom: Dann lohnt sich für Dich wahrscheinlich auch die Podcastfolge, die ich vor ein paar Tagen verlinkt habe. Wo auf die Unterschiede zwischen Angst und Furcht ausführlich eingegangen wird. Wichtig, weil die Herangehensweise unterschiedlich ist.
 
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Oli
15. Juli 21:30
Hi Anika
bei Tierschutzhunden aus dem Ausland fehlt oft die Sozialisierung in der Welpenzeit.
Er ist allgemein ängstlich vor unbekantem und da hilft oft nur viel Geduld und immer wieder zeigen das nichts passiert.

Oft hilft es wenn du dich aktiv zwischen die vermeintliche Gefahr und ihn stellst und ihm damit Sicherheit gibst.
Dabei solltest du versuchen selbst souverän zu sein und nicht gross auf die "Gefahr" eingehen aber zeigen das du keine Gefahr erkennst.

Klingt jetzt kompliziert, ist es aber nicht.
Nimm ihn einfach auf die abgewandte Seite, rede auch ruhig mit ihm und geh einfach weiter oder tu weiter was du grad am tun warst.