Mein zehn Punkte Plan mit 14 Punkten 😀 für einen Hund mit Ängsten:
1)
Gute Bindung aufbauen, viel gemeinsam Spaß haben und Zeit verbringen, eine Beschäftigung suchen, die er richtig klasse findet, tricksen (nur mit Freude und positiv) ist zB. toll, weil ihr eine gemeinsame Zeit habt und euch gut lesen lernt. Darüber hinaus förderst du das Selbstbewusstsein des Hundes. Auch Kontaktliegen stärkt die Bindung (vorausgesetzt der Hund mag das).
Übe Tricks (dazu zähle ich auch alltägliche Kommandos wie „Sitz“) immer erst in reizarmer Umgebung drinnen bis sie hundertprozentig sitzen, erst dann verlagere sie langsam nach „draußen“.
Wenn er spielt oder zum Spiel auffordert, immer annehmen und sich darüber freuen, denn Hunde spielen nur, wenn sie keine Angst haben und entspannt sind.
2)
Sicherheit vermitteln, also sicheres Auftreten deinerseits, versuche immer herauszubekommen, wieviel du dem Hund zumuten kannst, dass nicht der Fall eintritt, dass du gehst, dann aber unsicher wirst, um schlussendlich doch umzudrehen. Gegen das Umdrehen spricht gar nichts, aber der Hund muss wissen, dass du das richtig eingeschätzt hast und nicht selbst unsicher bist, du musst der sichere Anker sein. Auch Bögen laufen kann sehr sinnvoll sein, wenn Gradlinigkeit eine Überforderung darstellen würde.
Hilfreich bzgl. deiner Verlässlichkeit für den Hund ist, wenn du bei Kreuzungen oder uneinsehbaren Kurven den Hund warten lässt (SL-gesichert) vorgehst und ostentativ die Lage checkst und wenn die Luft rein ist, den Hund freigibst (ist auch gleichzeitig eine gut Impulskontrollübung)
Ein probates Mittel ist auch Beobachtung. Also in aushaltbarer Distanz zusammen mit dem Hund sitzen und beobachten, sonst nichts. Nach und nach die Distanz verringern.
Dabei kann man auch das aufgebaute Aufmerksamkeitssignal setzen, wenn der Angstreiz auftritt. Also Motorrad beschleunigt auf der fernen Landstraße, Hund schaut, du gibst das Aufmerksamkeitssignal, der Hund schaut dich an und wird belohnt.
3)
Lasse dir nicht einreden, dass du mit dem Hund nicht auch mal innehalten darfst und dich nicht zu ihm runter setzen darfst und ihn streicheln. Dann natürlich nicht bemitleiden, sondern ruhig und aufmunternd sprechen und auch mit ruhigem Streicheln unterstützen (also kein nervöses „Wuschelstreicheln“) und evtl. das trainierte Entspannungswort setzten und allgemein Sicherheit und Souveränität ausstrahlen. Die muss allerdings „ehrlich“ sein, dein Hund bemerkt jedes Schauspiel sofort.
Und wenn es trotzdem nicht geht, scheue dich auch nicht -wenn es das Gewicht zulässt- den Hund durch die Situation zu tragen, die er noch nicht selbst bewältigen kann.
Zerre ihn niemals durch Situationen, die ihn überfordern (auch wenn es noch immer viele Gestrige gibt, die das raten).
Manchen Hunden hilft auch in schwierigen Situationen mit konsequentem Schwung zu gehen oder gar ein Stückchen zu joggen.
Einige fühlen sich an kurzer Leine nahe bei dir sicherer, andere brauchen das Gefühl der Selbstwirksamkeit, also zu wissen, dass sie was machen könnten im Falle eines Falles. Diese Hunde in einem Angstmoment tatsächlich erstmal lassen (gesichert!) und danach langsam und ruhig wieder zu Kontaktaufnahme mit dir einladen.
4)
Unbedingt die Körpersprache studieren und eine Stressampel aufbauen, zB. grün = normales Verhalten, gelb = nimmt keine Leckerli mehr, rot= Schwanz eingezogen (die „Ampel“ ist individuell für jeden Hund). Das lässt sich natürlich noch verfeinern, dunkelrot = nicht ansprechbar, runder Rücken = dunkelgelb, usw. Wichtig ist, niemals ins Rote zu kommen, da ist es für den Hund auch physiologisch unmöglich etwas zu lernen, aber trotzdem auch nicht vor allen Reizen abschirmen, sondern immer wieder aussetzen bis zur Gelbphase, die aber auch nicht dauerhaft sein sollte, denn Stress baut sich kumulativ auf.
5)
Immer schrittweise versuchen sich dem Problem zu nähern (sukzessive Approximation)(gestuftes Expositionsverfahren), dabei die eigene Ungeduld unbedingt im Zaum halten, denn wenn man es überreizt, kann es passieren, dass man bei weniger als null wieder neu beginnen muss.
Und wenn wir schon dabei sind, rechne damit, dass es keine lineare Entwicklung sein wird und es oft Rückschläge geben wird (auch heftige).
6)
Da sind wir beim Thema Zeit, ein Bindungsaufbau (viele verwechseln Bindung mit Vertrautheit) dauert 8-12 Monate, die Entwicklung bei Angst nicht selten 2Jahre und mehr. Du benötigst in jedem Fall einen langen Atem.
7)
Nach Stressphasen lange genug Zeit geben fürs Akklimatisieren, Stress braucht bis zu einer Woche um sich abzubauen.
Übe ein Entspannungssignal ein.
Manchen Hunden hilft auch ein Thundershirt.
Auch Entspannungsmassagen können sinnvoll sein.
Wichtig, im Haus einen stressfreien „sicheren“ Rückzugsort schaffen. Am besten ohne Reizlage, also nicht im frequentiertem Flur, nicht vor der Haustür oder Terrassentür.
Und hier gilt, kein Kind und Kegel hat ihn da zu stören.
8)
Versuche immer möglichst genau herauszubekommen, was ängstig. Wenn es zB. die Mülltonne ist, gehe zur Mülltonne und streichle und lobe sie (ja, ich weiß, das ist hart 😀)
9)
Versuche Hundefreunde zu finden, gehe viel mit denen zusammen spazieren.
Apropos Spaziergang, gehe möglichst zunächst immer den gleichen Weg zur gleichen Zeit, bis er jeden Grashalm kennt, gerne auch zB. zweimal die gleiche Runde hintereinander, für solche Hunde ist es wichtig zu wissen was kommt und verlässliche Strukturen zu haben.
10)
Mache dich schlau zu dem Thema (machst du ja schon)
Das beste Angstbuch (ich habe alle gelesen) ist „Leben will gelernt sein“ von Birgit Laser und Wibke Hagemann
11)
Angsthunde immer absichern, Schleppleine, Sicherheitsgeschirr und Tracker sind das Minimum. Eine zweite Leine und Bauchgurt kann bei schwierigen Fällen/Konstellationen auch nötig sein. Besonders aufmerksam sein bei Ortswechseln, also zB. beim Verlassen der Haustür oder beim Rauslassen aus dem Auto, „gerne“ passiert auch was beim Output-Aufnehmen (natürlich trotzdem eintüten 😀) .
Wenn der Hund defensiv aggressiv ist, Maulkorb besorgen und den nicht einfach überstülpen, sondern mit gutem Maulkorbtraining langsam gewöhnen. Auch bei der Wahl des Maulkorbs gibt es sehr viel zu beachten (schlau machen, oder kompetent beraten lassen). Gut gemacht ist der Maulkorb wie eine Brille für den Hund.
12)
Ideal wäre ein souveräner Ersthund. Leider sind nur sehr wenige Hunde wirklich souverän, bei unsicheren Ersthunden kann es durchaus passieren, dass wechelseitig nur die unerwünschten Verhaltensweisen übernommen werden.
Wenn er Angst vor Hunden oder Menschen hat, schirme ihn vor ihnen ab, wenn sie respektlos und aufdringlich oder gar aggressiv sind. Also zB. einen anstürmenden Hund durch Blocken erstmal ausbremsen. Positive Kontakte immer fördern, können nicht oft genug stattfinden.
Den Menschen sagen, sie sollen ihn nicht anstarren und sich nicht überbeugen, je nach Schweregrad der Angst auch nicht ansprechen. Angsthunde reagieren oft positiv auf eine „Quitschestimme“ beim Loben/Bestätigen (so blöd wie das ist 😀). Und Angsthunde -wie auch andere- mögen es, wenn du bei Besuch die Kontrolle hast, also zB. die Gäste durch die Wohnung führst und zB. Plätze zuweist.
13)
Mache dir klar, dass Angst das schwerste Thema in der Hundewelt überhaupt ist.
Versuche damit klarzukommen, dass er nie ein proaktiver Hund werden wird, er evtl. nie in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel mitfahren zu können, nicht mit ins Restaurant kann und anderes vllt. mit ihm auch ausgeschlossen ist. Wenn du das nicht kannst, werdet ihr nicht zusammenpassen.
14)
Last but not least, gründlich medizinisch durchchecken lassen, nicht, dass der Hund Schmerzen leidet (Schmerzen fördern die Angst stark)(Hunde sind Meister im Verbergen von Schmerzen)