Mangelnde Sozialisierung wird sich noch lange auswirken. Wahrscheinlich wird sie nie die "normale" Hündin, die Ihr Euch vielleicht gewünscht habt. Besser, Ihr akzeptiert das, und freut Euch über die kleinen Fortschritte. Das soll natürlich nicht heißen, dass Ihr nicht daran arbeiten sollt. Aber wenn Eure Erwartungen zu hoch sind, wirken sich Ungeduld und Frust auf den Hund aus und verhindern weitere Fortschritte.
Eure Hündin muss sich ihren Ängsten immer wieder neu stellen, da sie in der Sozialisierungsphase nicht gelernt hat, was alles OK ist. Behaltet das immer im Hinterkopf, aber helft ihr, sich ihren Ängsten zu stellen, in dem Maße, wie sie es kann. Lasst ihr nach außergewöhnlichen Leistungen ein paar ruhige Tage Zeit, das zu verarbeiten. Beschützt sie, wenn es ihr zu viel wird. Durch das viel zitierte "da muss sie durch" würde sie nur Rückschritte machen und Vertrauen verlieren.
Unser Yoshi hat einen ähnlichen Werdegang, mit 7 Monaten ohne Sozialisierung zu uns gekommen. Er ist jetzt 3 Jahre alt und lässt sich seit kurzem manchmal von anderen Menschen anfassen. Manchmal weicht er aber auch noch vor uns zurück.
Bei ihm hat Agility geholfen. Das habe ich mit ihm angefangen, dort musste er Ängste überwinden. Dadurch, dass es ausschließlich mit Motivation trainiert wird, konnte er enorm Selbstbewusstsein tanken und hat gleichzeitig gelernt , dass er mir absolut vertrauen kann. Inzwischen geht mein Mann mit Yoshi zum Agility, das hat auch bei den Beiden eine gute Vertrauensbasis geschaffen.
Mit dieser Kombination aus Steigerung des Selbstbewusstseins und des Vertrauens in die Hundeführer traut sich Yoshi auch im Alltag viel mehr.
Es muss natürlich kein Agility sein, aber es sollte eine für den Hund zu bewältigende Aufgabe sein, bei deren Lösung er auch ein bisschen von seinen Ängsten besiegen muss, und bei der er von Euch begleitet wird.
Unsere 2. Angsthündin, Ella, ist aus dem Tierschutz. Sie hat viele Umweltängste, und sie reagiert genauso auf Besuch bei uns wie Eure Hündin - Abstand halten, bellen und beim Näherkommen hinter mir verstecken. Wir lassen ihr die Freiheit, sich an ihren Safeplace zurückzuziehen. Wenn sie sich heran traut, wird sie nicht beachtet, vor allem von dem Besuch nicht. Aber es fällt ab und zu mal in der Nähe ein Leckerli herunter. Jede Annäherung, die sie freiwillig macht, fördert ihr Vertrauen, dass ihr dabei nichts passiert.