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Christian
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Anzahl der Antworten 314
zuletzt 24. Juni

Würde eine Hundin eine Hundeschule führen dürfen?

Würde eine Mutterhündin – also die leibliche Mutter eines Wurfs – nach heutigem Tierschutzrecht (konkret §11 TierSchG) eine Hundeschule betreiben dürfen? Aus meiner Sicht: Nein. Warum? - Korrekturen ohne Vorwarnung: Wenn ein Welpe sich unangemessen verhält, wird er direkt korrigiert – das kann ein Knurren, Anrempeln oder ein kurzes Schnappen sein. -> Im menschlichen Hundetraining würde das evtl. als „aversiv“ oder gar „gewaltsam“ gewertet, obwohl es biologisch, sozial und funktional absolut sinnvoll und angemessen ist. - Grenzen setzen durch körperliche Präsenz oder Blockieren: Die Hündin duldet nicht alles, sondern setzt klare Grenzen – und das auf eine Weise, die dem Hund auch körperlich vermittelt wird. -> In der Theorie des §11-Scheins müsste das oft durch positive Verstärkung ersetzt werden. - Keine Leckerli-Pädagogik: Die Hündin arbeitet nicht mit Belohnungen im klassischen Sinne (wie Leckerli), sondern mit sozialer Bestätigung, Nähe, Schutz oder auch Entzug davon. -> Das entspricht nicht dem gängigen Bild moderner Konditionierungsmethoden. - Kontextuale Strenge: Die Mutterhündin ist nicht „konsequent im Sinne der Lernpsychologie“, sondern situativ. -> Das würde in einer behördlichen Prüfung evtl. als „inkonsistent“ oder „nicht methodisch sauber“ bewertet. Sie trainiert keine „Kommandos“, sondern Lebenskompetenz: -> Wie man mit Frust umgeht. -> Wie man Nähe aushält – oder Distanz akzeptiert. -> Wie man sich sozial einfügt, ohne unterzugehen. All das wäre in vielen Hundeschulen nicht zulässig, weil… … es nicht mit positiver Verstärkung arbeitet. … es keine standardisierte Methode ist. … es im Zweifel als „aversiv“ gilt. Die natürliche Erziehung durch die Hündin ist vielschichtig, klar, sozial differenziert – aber aus unserer Sicht oft „zu direkt“ oder „nicht freundlich genug“. Wenn also einer Mutterhündin die behördliche Erlaubnis verweigern würden, Welpen zu erziehen, muss Erziehung dann immer positiv konditioniert sein? Oder sollten wir mehr auf soziale Interaktion und natürliche Kommunikation zu setzen? Was ist eigentlich wirklich „tierschutzkonform“ – das, was gut aussieht? Oder das, was dem Hund wirklich hilft? Ist das, was eine Hündin tut, wirklich weniger „tierschutzkonform“ als unsere Systeme? Sollten wir also mehr von der Mutterhündin lernen – oder passt das nicht mehr in unsere Welt?
 
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Babs
20. Juni 14:02
Ja, aber auch das eigene Mindset. Ich denke bzw. weiß, dass ein souveräner Hund an ihrer Seite viele Begegnungen ruhig ablaufen lässt, der den ich im Kopf habe ist ein mittgroßer, tiefenentspannter Rüde. Der gibt ihr Sicherheit. Ich möchte ihr auch diese Sicherheit geben. Ich werde mal ganz genau beobachten, was da abläuft. Vielleicht nimmt er ihr die Angst vor anderen Hunden, vielleicht gibt sie die Aufgabe ab, die Gruppe 'zu schützen'..Wenn ich es denn erkennen kann.
Film doch einfach mal mit, wenn es möglich ist. Dann kannst Du den Rüden später auch in Zeitlupe noch mal schauen.
 
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C
20. Juni 14:18
Ich fand den Exkurs zum Vergleichen von Hunden mit anderen Tieren (inkl. Mensch) sehr interessant und er ist sicher wert auch beleuchtet zu werden. Mein Wunsch für diesen Thread wäre allerdings das es bei einem Exkurs bleibt und nicht zum Richtungswechsel, weg von eigentlich Thema „Sollte. Wir mehr von der Mutterhündin lernen“ kommt. Ein neuer Thread ist ja schnell erstellt…
Ja, wir sollten mehr von der Mutterhündin lernen – aber nicht im Sinne einer direkten Verhaltensnachahmung. Sondern im Verständnis für die Wirkung, die souveräne Mutterhündinnen (und auch erfahrene Althunde) auf ihre Umwelt haben: Klarheit, Ruhe, Verlässlichkeit, Sicherheit.

Wir Menschen können den hündischen Kontext nicht einfach übernehmen – wir sind keine Hunde. Die Frage „Was würde eine Mutterhündin tun?“ führt deshalb oft in eine Sackgasse.
Hilfreicher ist die Frage: „Was bewirkt ihr Verhalten – und wie lässt sich diese Wirkung sinnvoll in menschliches Handeln übersetzen?“

Mutterhündinnen sind klar in ihrer Körpersprache – sie kommunizieren deutlich, ohne hektisch zu sein.
Übertragbar auf uns:
- Ruhige Körpersprache statt Lautstärke oder Gestikulieren
- Präsenz zeigen statt übersteuern („weniger ist mehr“)

Sie handeln mit gutem Timing und dosieren ihre Reaktion situationsgerecht.
Übertragbar auf uns:
- Vorausschauend arbeiten, bevor Probleme entstehen
- Management nutzen (Abstand, Reizaufbau) statt im Konflikt „reparieren“

Sie setzen klare, faire Grenzen – ohne Willkür oder Härte.
Übertragbar auf uns:
- Konsequenz statt Drohung
- Ein klares „Nein“ – aber freundlich und nachvollziehbar

Sie bleiben souverän, selbst wenn andere unsicher oder aufgeregt sind.
Übertragbar auf uns:
- Nicht mitpöbeln oder spiegeln, sondern Ruhe ausstrahlen
- Dem Hund durch Gelassenheit Orientierung bieten

Sie fordern Raum ein – nicht durch Gewalt, sondern durch Präsenz.
Übertragbar auf uns:
- Körpersprache bewusst einsetzen (z. B. blocken, ausrichten)
- Nicht alles „durchdiskutieren“, sondern klar sein

Was nicht übertragbar ist:
Knurren, Drängen, Schnappen – weil das hündische Kommunikationsmittel sind, die in menschlicher Anwendung oft Missverständnisse oder sogar Angst auslösen.
Und: Mutterhündinnen handeln instinktiv.
Wir hingegen brauchen Reflexion, Planung und Struktur, um verlässlich zu handeln – genau weil wir keine Hunde sind.

Fazit:
Ja, wir können viel von Mutterhündinnen lernen – nicht das Verhalten, sondern die Haltung dahinter.
Nicht wie sie handeln, sondern warum es wirkt.
Diese Haltung in ein gutes menschliches Trainingskonzept zu übersetzen, ist aus meiner Sicht der sinnvollste Weg.
 
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C
20. Juni 14:19
Haltung bewahren...da hätte ich in für uns schwierigen Situationen (viele der Hundebegegnungen an der Leine) gerne die Kompetenzen einer Mutterhündin bzw. die eines souveränen Zweit / Althundes. Allein schon dadurch, dass sie mir gerade so eben bis zum Knie geht und schnell und wendig ist, wird es oft sehr wuselig. Für beruhigende Berührungen oder Ähnliches muss ich mich zu ihr beugen und erhöhe so eher noch die Erregung. Das stelle ich mir bei größeren Hunden einfacher vor. Wisst ihr was ich meine? Und wie würde ein souveräner Hund da helfen, eingrenzen, beruhigen?
Ein souveräner Hund würde in dieser Situation vermutlich gar nichts tun – weil er sich gar nicht in so eine Situation bringen würde.

Du beschreibst hier sehr treffend eine Situation, in der der Vergleich zwischen Mensch und Hund an natürliche Grenzen stößt – weil die Leine alles verändert. Sie nimmt dem Hund die Möglichkeit, sich „hundetypisch“ zu verhalten: Ausweichen, Annähern im Bogen, Kommunikation über Distanz – all das ist an der Leine eingeschränkt. Stattdessen zwingt sie ihn in ein System, das für Hunde untypisch ist.
Die Vorstellung, ein souveräner Hund würde so eine Situation aktiv „managen“, entspringt deshalb eher einem verständlichen Wunschdenken als realer Beobachtung.

Ich kann den Wunsch gut nachvollziehen – dem eigenen Hund ein bisschen von dieser souveränen Ruhe zu „übertragen“, die ein gelassener Althund oder eine sichere Mutterhündin ausstrahlt.
Aber genau darin liegt auch der Denkfehler: Ein souveräner Hund würde sich in dieser Situation – Leine, Fixierung, Straßenrand – einfach nicht wiederfinden. Sie gehört nicht zu seinem natürlichen Handlungsrepertoire.

Was wir als Menschen aber tun können, ist unsere Rolle als verlässlicher Sozialpartner aktiv zu gestalten: durch Ruhe, Orientierung, durch vorausschauendes Management (Abstand, Timing, Körpersprache) – und durch das Verständnis für die Motivation hinter dem Verhalten: Möchte der Hund mehr oder weniger Distanz? Steckt Frust dahinter oder Unsicherheit?
Und genau das ist oft hilfreicher, als sich zu fragen, wie ein Hund in einer untypischen Situation handeln würde – weil unsere Bedingungen ganz andere sind.

Vielleicht ist es also weniger die Frage:
„Was würde ein souveräner Hund tun?“ –
…und eher:
„Was braucht mein Hund gerade von mir, um sich nicht überfordert zu fühlen?“
 
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Markus
24. Juni 18:43
Naja, also die Trainingsmethoden haben jetzt nicht wirklich was mit der 11-er Zulassung beim Vet.-Amt zu tun.