https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9770312/
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Topál J, Miklósi A, Csányi V, Dóka A. Attachment behavior in dogs (Canis familiaris): a new application of Ainsworth's (1969) Strange Situation Test. J Comp Psychol. 1998 Sep;112(3):219-29. doi: 10.1037/0735-7036.112.3.219. PMID: 9770312.
Die Studie von Topál et al. (1998), in der Ainsworths „Strange Situation Test“ aus der Bindungsforschung auf Hunde übertragen wurde, ist ein gutes Beispiel für differenzierte interspezifische Adaption. Sie zeigt funktionale Ähnlichkeiten im Bindungsverhalten – etwa Trennungsstress, Näheverhalten und sichere Basis – ohne jedoch Identität der Prozesse zu behaupten.
Von daher bin ich bei Julia: Der Vergleich zwischen Hunden und menschlichen Kindern ist nur eingeschränkt sinnvoll – insbesondere angesichts kognitiver, sozialer und entwicklungspsychologischer Unterschiede, auch wenn sich im Bindungs- und Sozialverhalten gewisse Parallelen zeigen. Diese Kritik greift eine zentrale Forderung der modernen kynologischen Forschung auf: Hündisches Verhalten sollte nicht über Analogie, sondern im arteigenen Kontext verstanden werden. Fachleute wie
Feddersen-Petersen und Gansloßer betonen, dass entwicklungspsychologische Konzepte aus der Humanpädagogik – etwa Bindungstheorien oder Erziehungsmodelle – nicht unreflektiert auf Hunde übertragen werden sollten. Gemeint ist keine grundsätzliche Ablehnung, sondern eine kontextbezogene Übersetzungsleistung – ohne anthropomorphe Überformung.
Dass es zur menschlichen Entwicklung deutlich mehr Forschung gibt als zur ontogenetischen Entwicklung des Hundes, ist unstrittig. Doch gerade deshalb ist bei interspezifischen Übertragungen besondere Sorgfalt gefragt: Die größere Datenlage macht ein Modell nicht automatisch anschlussfähig. Vielmehr braucht es eine differenzierte Einordnung – was sich übertragen lässt, was angepasst werden muss, und wo artenspezifische Dynamiken eigenständig betrachtet werden sollten.
Vor diesem Hintergrund wächst das Interesse an Perspektiven, die hündisches Verhalten nicht primär als mechanisch konditionierbare Reaktion, sondern als Ausdruck sozialer Interaktion und emotionaler Abstimmung begreifen. Die sogenannte regulatorische Perspektive – die ich persönlich als bereichernd empfinde – versteht das Mensch-Hund-Miteinander als dynamischen Prozess wechselseitiger Ko-Regulation mit Fokus auf Ansprechbarkeit, Impulskontrolle und Beziehungsgestaltung. Sie ersetzt lerntheoretische Prinzipien nicht, sondern ergänzt sie – insbesondere in emotional herausfordernden Kontexten.
Die empirische Fundierung dieses Ansatzes ist bislang begrenzt, doch es gibt erste Anknüpfungspunkte an neurobiologische Modelle emotionalen Lernens (z. B. Panksepp) sowie an Konzepte aus Emotions- und Bindungsforschung – allerdings ohne diese unkritisch zu übernehmen. Im Zentrum steht kein exklusiver Wahrheitsanspruch, sondern der Versuch, hündisches Verhalten in seiner sozialen und emotionalen Komplexität ernst zu nehmen.
Und zum Ausgangspunkt zurück: Vielleicht sollte keine Hündin die Hundeschule leiten – aber wir könnten sehr wohl mehr von ihr und ihresgleichen lernen, wie Lernen bei Hunden tatsächlich funktioniert.