Ich freue mich ehrlich, dass es mit deiner Hündin so gut funktioniert – das klingt nach einer stabilen, vertrauensvollen Beziehung. Und es ist schön zu lesen, dass ihr euren gemeinsamen Weg gefunden habt.
Was deine Schlussfolgerungen betrifft, sehe ich allerdings ein paar Dinge anders – vor allem aus lerntheoretischer Sicht:
Futter als Verstärker ist nicht weniger oder mehr wertvoll, nur weil es auch ein Überlebensmittel ist. Der Wert eines Verstärkers bemisst sich nicht an seiner biologischen Funktion, sondern an seiner subjektiven Wirkung im Moment. Entscheidend ist, ob es in einer konkreten Situation das Verhalten verstärkt. Und wenn der Hund lieber Freilauf oder Kontakt möchte, ist auch das natürlich ein Verstärker – aber eben nicht per se besser oder „fortgeschrittener“.
Das Beispiel mit dem Steak über der Nase klingt plakativ – aber es zeigt kein Problem mit Belohnung, sondern mit Reizlage und Timing. Auch Futter funktioniert nicht gegen alles, aber das sagt nichts über seinen Stellenwert im Training aus.
„Der Hund muss nichts bestätigt bekommen“
– Das widerspricht dem Grundprinzip von operanter Konditionierung. Klar, in bestimmten Situationen kann einfaches „Überstehen“ reichen – aber Lernen ohne jede Konsequenz bleibt zufällig und wenig stabil.
Lernen bedeutet immer, dass Verhalten auf Konsequenzen folgt – ob sozial, materiell oder emotional. Und ob man gar nicht bestätigt oder einfach nur nicht sichtbar belohnt, ist ein Unterschied, der für den Hund spürbar ist.
Insofern würde ich sagen: Hunde sind individuell – aber die Lernprinzipien bleiben die gleichen. Entscheidend ist, wie gut wir sie anwenden, nicht ob wir sie durch persönliche Überzeugungen ersetzen.
Mit "Fortgeschritten" meinte ich eher so das Verständnis für Training und Erziehung, was man sich als normaler Hundehalter aneignet.
Ich denke die allermeisten fangen klassisch mit Leckerchen an, in der Regel ziemlich unsauber und ungenau (das ist vermutlich auch die Zeit, in der man die meisten Fehlverknüpfungen und destruktive Verhalten antrainiert, die man später ausbaden muss).
Dann öffnet sich die Welt von Klickern und Markern, wodurch Präzision und Timing steigen.
Es kommt Spiel als positive Verstärkung dazu oder ersetzt Leckerchen sogar.
Und ein "fortgeschrittenes" Konzept, das man für sich entdeckt ist die positive Verstärkung auf sozialer Ebene. Zuwendung, Stolz, Sicherheit, Kooperation ohne explizite materielle oder verbale Belohnung.
Da kann man sich von Arbeitshunden eine Menge abschauen.
Bsp ein Border Collie der Schafe hütet und auf Distanz Anweisungen vom Schäfer ausführt. Der bekommt in der Zeit keine Belohnung, kein Leckerchen, der Schäfer schreit nicht "Priiimaaaaa".
Das ist so das höchste "Level", an dem man sich als Haustierhalter auch gar nicht orientieren oder es erreichen muss, was aber durchaus als Inspiration dienen kann.