Es ist zwar schon ein Weilchen her aber meine Erfahrung mit dem Thema TS-Hunde sitzt mir immernoch in den Knochen.
2014 adoptierte ich meinen allerersten Hund von einem deutschen Verein, der Hunde aus Rumänien vermittelt. Es gab nur Welpenfotos auf der Website und eine sehr knappe und allgemeingültige Charakterbeschreibung. Die Hunde lebten dort in gemischten Gehegen und wurden dort lediglich versorgt und hin und wieder mal gestreichelt.
Zwischen meiner "Bewerbung" auf den Hund und seinem Transport nach Deutschland vergingen Monate. Ich konnte ihn dann im Alter von 5 Monaten am anderen Ende von Deutschland bei einer Pflegestelle abholen.
Nudel war ein typischer osteuropäischer Mischling: irgendwas mit Schäferhund. Es hieß, er sei ein perfekter Familien- und Anfängerhund. Freundlich und fügsam.
Das stimmte auch innerhalb unserer Familie.
Leider war er aber auch sehr territorial gegenüber Fremden im Haus und draußen war er ein extremer Angsthund.
Er hatte fast keine Umweltreize kennen gelernt. Straßenverkehr und Zivilisationslärm überforderten ihn dermaßen, dass Spaziergänge NUR in Wald und Feld möglich waren. Knatterte irgendwo in weiter Ferne ein Auspuff oder fuhr ein Zug vorbei, geriet er unkontrollierbar in Panik und versuchte blitzartig wegzurennen.
Wir waren bemüht: in der Hundeschule war er ein absoluter Vorzeigehund und wir wurden von der Trainerin gefragt, was wir hier eigentlich wollen. Der könne ja alles perfekt. Und ja, in geschützem Rahmen ohne Reize war er der perfekte Hund. Sein Sozialverhalten war natürlich auch traumhaft gut ausgeprägt, er hatte ja immer im Rudel gelebt.
Wir konsultierten eine Hundepsychologin für teures Geld. Sie konnte uns nicht helfen. Diagnose:
Hospitalismus.
In der Prägephase keinen Reizen ausgesetzt gewesen.
Und das nun bei einem mittlerweile 1 Jahr alten Hund nachholen? Höchstens mit unendlich viel Geduld ein wenig, aber wahrscheinlich nie ganz zu schaffen.
Wir hatten nun einen innerhalb der Familie sehr liebevollen und treuen Hund, mit dem man aber nirgendwo hingehen konnte, außer irgendwo in die Pampa.
Kein Cafébesuch, kein Ausflug war möglich. Und unser Sohn war gerade 8 Jahre alt, dem wollten wir doch auch gerecht werden.
Besuch konnten wir auch nur unter strengen Sicherheitsmaßnahmen empfangen und jede Leichtigkeit im Alltag war dahin.
Zusätzlich zerstörte Nudel nach und nach die ganze Wohnung, wenn er allein war. Dabei übten wir sehr behutsam und er gab alle Zeichen, dass es für ihn okay ist, wenn wir gingen. Wenn wir zurückkamen war aber immer ein neues Möbelstück angenagt. Einmal hat er das komplette Sofa "gehäutet".
Wir konnten ihn aber auch nicht bei Familie oder Freunden lassen, weil sich keiner zutraute, ihn zu händeln.
Ich suchte die ganze Zeit Hilfe bei dem Verein, war sehr aktiv im Forum und bekam immer das gleiche zu hören: das ist eben so bei Tierschutzhunden. Hab Geduld, da muss man durch.
Wir hielten 3 Jahre lang durch. Ständig gab es Streit wegen des Hundes zwischen mir und meinem Partner, die Nerven lagen blank. Irgendwann konnte ich den Hund nicht mehr ansehen, ohne dass die Emotionen in mir hochkochten. Wut, unfassbare Wut auf dieses Tier, gleichzeitig tiefe Traurigkeit, Mitgefühl und Liebe. Ich fühlte mich vor allem selbst unfassbar schlecht. Was für eine Versagerin ich war! Das arme Tier! Unsere arme Familie!
Schließlich sahen wir ein, dass wir vor der Wahl standen: entweder unsere Familie zerbricht an der Überforderung, oder wir ziehen die Reißleine und müssen uns von Nudel trennen.
Wir gaben Nudel an den Verein zurück. Es brach mir das Herz.
Der Verein reagierte total ungehalten und machte uns für die Entscheidung seelisch fertig. Wir bekamen nur Vorwürfe und wir sollten uns bloß nie wieder einen Hund anschaffen. Man habe sein Leben danach auszurichten, wenn man sich einen Hund ins Haus holt. Als hätten wir uns nicht schon selbst genug Vorwürfe gemacht.
Das war 2017. Noch heute trauere ich um diesen Hund und mache mir Vorwürfe. Es tut mir unendlich leid um ihn. Ich hoffe einfach, dass es ihm gut geht. Besser als bei uns.
Aber wir haben alles gegeben. Es reichte nicht.
Es hat bis vor kurzem gedauert, bis ich über dieses für mich sehr schlimme Erlebnis genug hinweggekommen war, um es mir wieder zuzutrauen, einem Hund ein Zuhause zu geben. Denn ich liebe das Leben mit Hund.
Natürlich mache ich jetzt vieles anders.
Zum Beispiel kam es für mich nicht in Frage, nochmal einen TS-Hund aufzunehmen.
Nicht wegen der Hunde, die können toll sein! Sondern wegen der Menschen die dort arbeiten.