Hast du schon mal dran gedacht, dass diese unkastrierten Rüden, die keine Probleme mit läufigen Hündinnen haben, evtl. gar nie die Problematik der Hypersexualität hatten? Da schlägt gutes Training natürlich an… aber wenn man so nen hypersexuellen Hund hat, dann kommt bei dem im Hirn nichts anderes an… da kann man weder Leinenführigkeit, noch Rückruf trainieren (ja nicht mal dass der Hund dich überhaupt mal für ne Sekunde beachtet)… wie will man so nem Hund seine Triebe abtrainieren?
Aber hormonelle Hypersexualität ist doch ein medizinischer Grund, genauso wie eine Gebärmutterentzündung. Es zweifelt doch keiner an, dass bei einem hormonellen Überschuss eine Kastration oder ein Chip notwendig sein kann oder ist.
Man sollte jedoch erst einmal sicher sein, dass eine hormonelle Hypersexualität auch vorliegt. Es gibt ja auch Rüden, die nach der Kastration immer noch alles rammeln und nicht ansprechbar sind. Das ist doch der beste Beweis, dass sexuelles Verhalten nicht immer sexuell motiviert ist. Es kann ein Zwangsverhalten sein, genauso wie Schwanz jagen, es kann eine Übersprungshandlung sein oder ein Ventil bei Über / Unterforderung.
Darauf möchte ich zumindest aufmerksam machen, nicht mehr und nicht weniger.
Wir betrachten Probleme oft isoliert, egal ob sexuelles Verhalten, Aggression, Leinenführigkeit usw. und viele Hundetrainer arbeiten auch isoliert an Symptomen. Sich an Pipi festsaugen, alles rammeln was geht, nicht ansprechbar sein lässt augenscheinlich eine sexuelle Ursache vermuten, das muss aber nicht sein und sollte zumindest mal überprüft werden.
Als stark vereinfachtes Beispiel mal zwei Situationen mit meinem intakten Rüden. Vor zwei Wochen waren wir für 5 Tage mit einer intakten Hündin am Ende ihrer Läufigkeit in einem Ferienhaus. Das war ein bisschen ein menschlicher Kommunikationsfehler und eine nicht geplante Feuertaufe für meinen Rüden. Es gab im großen und ganzen keine Probleme, man könnte interpretieren, dass mein Rüde einfach sexuell nicht motiviert ist. Aber er war den ganzen Tag beschäftigt, wurde von mehreren Leuten bespaßt, hat sich als Wachhund erkoren und das Grundstück patrouilliert und bewacht, konnte buddeln,schwimmen und rennen, um Energie loszuwerden und sicher auch um Frust abzubauen (wäre im Alltag natürlich nicht umsetzbar, aufgrund von Arbeit, fehlendem Grundstück etc, da wäre das Interesse an der noch prima duftenden Hündin sicher auf einem ganz anderen Level).
Letztes Wochenende waren wir dann bei einem Mädelsabend. Kleine Wohnung, fremde Menschen, keine Beschäftigungsmöglichkeiten, keine Aufgabe, keine Aufmerksamkeit, viel Trubel, keine Möglichkeit Energie oder Frust abzubauen und mein Hund hat abends angefangen alle Beine zu rammeln. Das war richtig unangenehm, er ist penetrant von einer Frau zur nächsten und hat alle angerammelt. Hilfe, total hypersexuell könnte man meinen und so haben das meine Freundinnen auch interpretiert und direkt gefragt, ob man ihn nicht besser kastrieren sollte.
Damit will ich nicht behaupten, dass es hormonelle Hypersexualität nicht gibt. Aber Ursache und Handlung sind nicht immer so logisch und linear, wie wir uns das wünsche würden.