Happy Tail Syndrom
Ich habe ein super tolles, kluges, liebevolles, soziales und insgesamt charakterlich sehr sensibles Dalmatinermädchen … meine große Liebe. Und eine große Lobhudelei, ich weiß, aber ich möchte damit zum Ausdruck bringen, wie sehr sie mir am Herzen liegt. Also bitte ich um Nachsicht 😇… alle eure Hunde sind natürlich toll und klug und sozial und liebevoll! 😊
Im letzten Jahr hatte sich nun meine Coco die Rutenspitze an der Hauswand aufgeschlagen (blutig). Leider hat mein Tierarzt mich, so beurteile ich es jedenfalls im Nachhinein, nicht ausreichend über das, was so etwas mit sich bringen kann, aufgeklärt. Er meinte nur, da könnte man nicht so viel machen, ich solle einfach versuchen, zu unterbinden, dass sie so viel wedelt. Leider ist das leichter gesagt als getan, und man ist ja auch nicht 24 Stunden nonstop dabei und kann den Hund von allen möglichen Möbeln oder Hauswänden fernhalten. Es kam leider sehr unschön und die Rutenspitze entzündete sich. Von heute auf morgen (ja, das geht wirklich so schnell) war die Spitze nekrotisch (schwarz). In der (ersten) Tierklinik, die ich daraufhin aufsuchte, wurde dann sofort von einer Totalamputation bis zum Ansatz gesprochen. Ich war so geschockt, dass ich erst mal ohne Entscheidung nach Hause gefahren bin. Dies war laut Tierarzt auch möglich, da der OP Termin erst in der darauf folgenden Woche stattfinden konnte. So habe ich Coco erst mal mit einem Antibiotikum, Schmerzmittel und Salbe über das anstehende Wochenende geschleppt. In diesen Tagen habe ich dann gefühlt das gesamte Internet durchgelesen auf der Suche nach Wissen und Hilfe.
Im Ergebnis habe ich schließlich eine zweite Tierklinik aufgesucht und nach Alternativen gefragt. Ich bin sehr dankbar, dass der dortige Tierarzt mich über eine Teilamputation aufgeklärt hat. Er machte mich darauf aufmerksam, dass auch eine komplett amputierte Rute Probleme bereiten kann, nämlich wenn dort die Heilung am After nicht funktioniert. Das kann auch ganz schlimm und böse enden. Eine teilamputierte Rute birgt natürlich die Gefahr, dass der Hund sich dort auch wieder etwas aufschlägt, besonders dann, wenn er so wedel-freudig ist. Im Ergebnis habe ich mich jedenfalls dafür entschieden, wirklich nur die unteren beiden Wirbelteile amputieren zu lassen. Ich möchte ganz klar sagen, dass die Heilungszeit danach (sechs Monate) unglaublich zehrend und tränenreich für mich war und ich oft am Rande der Verzweiflung war. An der Rute kann man ganz schlecht einen Verband fixieren. Also entzündete sich auch die neue Naht immer wieder. Ich habe u. a. mit selbstgenähtem Rutenschutz gearbeitet, auch mit einer Schwimmnudel. Immer, wenn ich dachte, es wäre auf dem Wege der Besserung, wurde es wieder schlimmer. Ein auf und ab. Ich war wöchentlich ein bis zweimal beim Tierarzt, und dieser hielt sich bewusst zurück mit seiner Meinung, man müsse nun doch weiter amputieren. Medizinisch konnte er jedoch vertreten, dass ich es weiter versuche, da das Gewebe nicht nekrotisch wurde. Und was soll ich sagen, mein Durchhaltevermögen hat sich ausgezahlt. Meine Dalmatiner-Maus war zwar sehr oft in ihrer Gitterbox eingesperrt, um das Verletzungsrisiko möglichst gering zu halten. Bei jedem Wedeln ging der Verband wieder ab. Sowohl die trockene als auch die nasse Wundversorgung habe ich nun kennenlernen dürfen. Aber meine Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt. Die Rute ist inzwischen verheilt, an der Spitze hat sich eine dicke Hornhaut gebildet. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Hätte mich der erste Tierarzt besser über dieses hohe Risiko aufgeklärt, wäre ich direkt zu Beginn wesentlich “sensibilisierter” mit dieser Verletzung umgegangen. Man hätte diese direkt mit einem Antibiotikum und mit einem Verband behandeln müssen. Nun geht es mir aber nicht darum, über einen Tierarzt zu schimpfen, wir sind alle fehlbar in dem, was wir tun.
Mir geht es darum, durch diese lange Erzählung (ein Danke an alle, die bislang durchgehalten haben mit dem Lesen) zu sensibilisieren und aufzuklären.
Es betrifft oft Hunde wie den Dalmatiner oder den Ridgeback (wahrscheinlich auch Dobermänner) mit kurzem Fell und langen dünnen Ruten und oft auch einem hohen körperlichen Energieniveau. Man spricht auch vom Happy Tail Syndrom. Natürlich können sich auch alle anderen Hunde an der Rutenspitze verletzen. Aber dies ist so der Klassiker.
Schreibt gerne und erzählt eure Erfahrungen! Oder fragt, wenn ihr Unterstützung braucht.
Es gibt sicherlich in der Frage “Amputation” nicht die eine richtige Entscheidung für jeden medizinischen Fall. Aber: es lohnt immer, sich alternativ zu informieren. Ich habe das Gespräch mit dem ersten Tierarzt noch einmal gesucht. Er hat mir erklärt, dass nach seiner Erfahrung die meisten Hundehalter keine Lust hätten, so eine langwierige, anstrengende und kostspielige Versorgung auf sich zu nehmen. Daher habe er die Totalamputation empfohlen. Auch hat er mir seine Anerkennung ausgesprochen, den anderen Weg gegangen zu sein. Nun gut, was soll er auch sagen…