Ich schreibe auf alle bisherigen Beiträge, und ausführlich, weil das Thema mir wichtig ist. Daher sorry, der Text ist lang geworden.
Claudia, Du hast Deinen ersten Hund, bist unsicher, ob Du alles richtig machst, und lässt Dich durch die unzähligen Meinungen, mit denen Du überschüttet wirst, noch mehr verunsichern. Dabei weißt Du, was richtig und was falsch ist, das zeigen Deine Worte sehr deutlich. Hör auf Dein Bauchgefühl, Du machst das schon richtig.
Ich bin mit der alten Schulweisheit aufgewachsen, dass Hunde parieren müssen, man selbst einen höheren Rang als der Hund haben muss, und dass man sich durchsetzen muss, egal wie. Im Laufe der Zeit habe ich positives Bestärken, hauptsächlich mit Leckerli, und Lernen durch Freude kennen und schätzen gelernt. Inzwischen bin ich bei der "Methode" Teambildung angelangt. Und beim körpersprachlichen Arbeiten mit dem Hund.
Gewalt ist für mich alles, was gegen den Willen des Hundes geschieht. Auch das Druck ausüben. Egal, ob es nötig ist oder nicht.
Aber nicht zu verwechseln mit Konsequenz. Ich kann dem Hund durch Blicke und Körperhaltung sehr gut vermitteln, dass es mir ernst ist und er bitte tun soll, was ich von ihm möchte.
Bildet man mit dem Hund ein Team, und vertraut der Hund einem blind, ist weder Druck noch Gewalt nötig, DENN DER HUND WILL DANN, WAS ICH WILL.
Auch wenn er von sich aus gar keine Lust dazu gehabt hätte. Mit dem richtigen Maß an Vertrauen will er sich auch nicht unangenehmen Situationen entziehen, sondern sie mit mir gemeinsam meistern. Gerade beim Tierarzt beruhigt doch jeder Halter seinen Hund, damit er das nicht zu schlimm findet. Nicht nur, damit er sich ruhig verhält. Mit Medical Training gibt man dem Hund ein Mitspracherecht, die Möglichkeit, zu kommunizieren, wann und wie lange er bereit ist, es zu ertragen und wann nicht. Voraussetzung ist das Vertrauen vom Hund in seinen Halter.
In einem solchen Team muss der Hund auch nicht durch Gewalt vor Schaden bewahrt werden, da reicht ein Wink, ein vertrauensvoll ausgeführtes Kommando. Zum Beispiel ein Stopp, damit der Hund stehen bleibt, und nicht auf die Straße rennt. Oder ein Dummy-Wurf als Alternative zum Hasen. Da braucht es kein Festhalten, Fixieren oder gar an der Leine zurückreißen. Es ist die bessere Alternative, weil ich mitmache. Weil zusammen (Dummy) jagen natürlicher und toller ist, als alleine (den Hasen).
Die Verwendung von Körpersprache sehe ich als Kommunikation an, nicht als Gewalt. Der Hund versteht das einfach sehr viel besser, weil er selbst so kommuniziert. Beispiel Mist auf der Straße: der Hund ignoriert das Nein (schon, weil das Alternativverhalten nicht geboten wird). Dann muss ich ihn nicht mit Gewalt da weg ziehen, sondern den Mist für mich beanspruchen, durch darüber stellen und den Hund davon weg blocken. Und ja, man sollte jedes Laufen ohne Nase im Mist positiv verstärken, wenn dem eine Entscheidung des Hundes zugrunde liegt. Dabei reicht ein verbales Lob zum Zeitpunkt der Entscheidung. Es ist anstrengend, harte Arbeit, aber sehr alltagstauglich. Denn es führt dazu, dass der Hund nach einer Weile den Mist von sich aus ignoriert, er verliert das Interesse.
Beispiel Aufmerksamkeit durch an der Leine ruckeln oder durch Fußstups: Im Team wäre die Aufmerksamkeit des Hundes bei seinem Menschen. Wenn nicht, wäre das Kommando "Schau" doch sehr viel angenehmer als ein Leinenruckeln oder Fußstups, was man im Freilauf auf Entfernung ja auch nicht machen kann.
In der Praxis ist es oft schwierig, zu so einem Team zusammen zu finden.
Man muss sich von den alten Erziehungsmethoden lösen und umdenken, und in der Zeit wird der Welpe zum pubertären Junghund, und dann wendet man doch Druck und Gewalt an, insbesondere in brezligen Situationen. Das ist ganz natürlich, und ich glaube, dass das jedem mal so geht.
Aber man sollte es nicht! Und es ist immer ein Zeichen von Überforderung. Man weiß in dem Moment keinen besseren Weg. Das macht es aber nicht richtiger.
Was hilft, solchen Momenten vorzubeugen: Man malt sich vorher die möglichen Situationen aus, in die man kommen könnte, und dann malt man sich aus, wie man am besten darauf reagieren sollte. Dann hat man einen abrufbaren Plan, wenn die Situation da ist.
Keine unerfüllbaren Ziele setzen.
Die Konzentration vorrangig auf den Hund richten. Nicht auf das Smartphone, nicht auf die beste Freundin, die neben einem her quatscht, nicht auf die Leute, und das, was sie sagen oder denken könnten.
Und so wie der Hund es auch tut: Ist die Situation vorbei, ist sie vergessen, und es kann (fröhlich, positiv) weiter gehen.
Ich vergleiche meine Vorstellung vom Hunde führen gerne mit einem Stadtführer. Der zeigt seiner Gruppe von Touristen die Stadt und ihre tollsten Sehenswürdigkeiten. Ganz ohne Gewalt und Druck folgen die Touristen, weil sie darin vertrauen, gut und sicher geführt zu werden, und dabei was Tolles zu erleben. Und so ein Stadtführer, wenn er seinen Job gut macht, wird sehr wohl respektiert.
Wenn meine Hunde mich mal wieder an meine Grenzen bringen, nur Blödsinn im Kopf haben, und machen, was sie wollen, rufe ich mir das Bild des Stadtführers in den Sinn. Dann werde ich daran erinnert, dass es mein Job ist, sie zu motivieren. Dass ich ihnen einen Anreiz bieten muss, warum sie mir folgen und vertrauen sollen. Das ist zwar oft anstrengend, aber ich habe dann gleich bessere Laune. Weil ich mich auf das konzentriere, was ich ändern kann, nämlich MEIN Verhalten. Damit es sich auf ihr Verhalten in meinem Sinne auswirkt.
Danke für diesen ausführlichen und sehr hilfreichen Text.
Die Tipps klingen sehr gut und können mir dabei helfen auch in Stresssituationen ruhiger und gelassener vorzugehen.
Danke