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Martin
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zuletzt 23. Juli

Überfordert - Leinen "Aggression" bei Hundebegegnugen

Vor ein paar Wochen, hatte ich von den unangenehmen Hundebegenungen (an der Leine) unseres Rustys (mittlerweile fünf Monate) erzählt. Wir wissen echt nicht weiter. Trotzdem Welpenschule, Einzeltraining und Trainieren unsererseits werden die Hundebegenungen nicht besser, eher schlechter. Gibt es (hier) Gruppen, in denen über Überforderung gesprochen wird. Eine Art Selbsthilfegruppe für überforderte Hundehalter? Und nach Welpenschule, Einzeltrainings (in unserer Anwesenheit) und trainieren, (im Sinne von wir machen Distanzarbeit mit ihm und bleiben an einem Punkt, an dem er noch mit Leckerchen ansprechbar ist - obwohl da die Distant eher größer als kleiner wird, und anleinen zu Hause) fragen wir uns was wir noch tun können. Wir dachten vielleicht an Einzeltrainings, bei denen wir nicht dabei sind oder eine Hundekita, damit er generell mehr Umgang mit Hunden hat. Wir wollen das Beste für unseren Kleinen und machen uns ehrlich ein wenig Gedanken, dass wir vielleicht nicht die richtigen Menschen für ihn sind. Vielleicht bin ich auch zu blauäugig, aber ich kann/will einfach noch nicht aufgeben. Es muss die Lösungen geben. Tut mir leid, dass das solch ein Trauerpost war, aber wir hoffen hier wirklich ein wenig Hilfe zu finden. Edit: der alte Post hier https://dogorama.app/de-de/forum/Welpen_Junghunde/Welpe_4_Monate_bellt_jeden_Hund_auch_auf_Distanz_an-q6SzCZ0X5EOOWZV2uXqp/
 
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Dogorama-Mitglied
22. Juli 19:16
Dass Hunde es höflich und angenehmer empfinden einen Bogen zu laufen leuchtet mir auch ein, habe ich ja auch nicht anders behauptet. Jetzt war die Prämisse aber, dass der Hund weg will und keine höfliche oder angenehme Begegnung. Also fliehen will. Wieso sollte ein Hund, der weg will weiter in die Richtung, nur in einem Bogen laufen? Das erscheint mir eine menschliche Rationalisierung für das eigene Handeln zu sein. Ohne Einfluss würde der Hund weg gehen/laufen, wenn er weg will und nicht im Bogen weiter Kurs auf die Bedrohung nehmen. Oder nicht?
Ich verstehe deine Argumentation nicht ganz.

Wenn man immer nur weiterhin das macht und fördert, was ein Hund zum Status Quo von sich aus will oder tun würde, bleibt man im Status Quo stecken.

Bei Themen wie diesem hier gehe ich aber davon aus, dass man das Verhalten eines Hundes modifizieren will und dafür musst man halt Einfluss nehmen und auch vorübergehend Verhalten fordern und fördern, das der Hund von sich aus noch nicht wählen würde.

Das Zurückfallen darauf, was Hund ohne weiteren Einfluss machen würde, scheint mir insofern nicht sehr zielführend.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
22. Juli 19:34
Ich habe mich oberflächlich mit der von dir empfohlen Quelle beschäftigt. Die Calming Signals und der Arc Approach sind so wie ich das verstehe von einer Hundetrainerin in einem Trainingskontext etabliert worden. Also im Training (Mensch und Hund an der Leine) hat Bogenlaufen die Wahrscheinlichkeit für negative Reaktionen gesenkt und wurde daher als angenehmer und höflich gedeutet und vermutet, dass das der natürlichen Annäherung entsprechen würde. Zudem werden der "frontalen" Annäherung Attribute wie fixierend und starr angehängt. Dass fixierend und starr als unangenehm und bedrohlich empfunden werden leuchtet ja ein. Ob es dann die frontale Begegnung an sich ist, oder eher die angehängten Attribute ist dann eine andere Frage. Ich finde den Ansatz nicht optimal. Also aus einem Trainingskontext auf natürliches Verhalten schließen. Besser wäre es aus natürlichem Verhalten Trainingskonzepte abzuleiten. Das ist jetzt aber wie gesagt eine rudimentäre Einschätzung, ich habe das Buch nicht gelesen und meine Interpretation basiert auf Ausschnitten/Zusammenfassungen und können somit nicht ganz richtig sein. Hast du das Buch gelesen und kannst mehr dazu sagen? Ich finde es jedenfalls beeindruckend, wie sich die These vom Höflichkeitsbogen verbreitet hat und das man das einfach so als Weisheit akzeptiert, ohne den Ursprung zu kennen. Zumindest habe ich das immer als behavioristisch fundiert und aus der Verhaltensforschung stammend angenommen, well es so oft wiederholt wird. Aber in meiner Recherche habe ich auch eine Beobachtungsstudie gefunden, die Hunde im Freilauf analysiert hat. Und spannend, der Studie nach erfolgen Annäherungen meist einseitig. Also ein Hund nähert sich dem andern und nicht beide gleichzeitig. Finde das sehr interessant, weil das ja Neros Verhalten entspricht. Also ihm fällt es ja am leichtesten wenn entweder wir warten und der andere geht vorbei oder anders rum. Vielleicht sollte ich ihm seine Strategie dann auch einfach lassen und nicht weiter rumexperimentieren.
An Guinness ist das auf Abstand Gehen im Freilauf in Bewegung sehr gut zu beobachten. Vor allem wenn schon in der Annäherung Konfliktpotential bzw Warnungen erkennbar sind, passiert häufig genau das, was im Bogengehen nachempfunden wird.

Ohne nennenswertes Konfliktpotential kommt es eher zur Annäherung.

Der Punkt ist ja aber wiederum, dass ich mit Hund an der Leine nicht das tun will, was Wolf in der freien Wildbahn machen würde oder was Hund gerade an Leinenpöbelei veranstaltet, sondern dass ich eine Alternative dazu etablieren will, die in einer für Hund akzeptablen Version meine Wünsche erfüllt - nämlich weitgehend entspannt und gesittet durch die Weltgeschichte zu gehen.

Dass das möglich ist, sehe ich an vielen anderen Hunden, dementsprechend mach ich das wie selbstverständlich so und siehe da, Hund lernt es ebenfalls als zunehmend selbstverständliche Alternative kennen und akzeptieren.

Was du in dem Zusammenhang völlig zu übersehen scheinst, ist die zentrale Komponente des Mindset des Menschen. Du beschreibst immer nur die Bewegungsabläufe, es geht aber weniger darum, was man macht, es geht darum WIE man es macht.
 
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Dogorama-Mitglied
22. Juli 20:04
Ich empfinde deine Gedanken als sehr interessant. Ich denke wie ein Hund eine Begegnung gestaltet haben möchte, unterscheidet sich sicher von Individuum zu Individuum. Das beinhaltet nicht nur einen höflichen Bogen sondern ein bisschen etwas davor, was oft übersehen und übergangen wird und für manche Hunde ein wenig wichtiger ist als für andere. Das Hunde wechselseitig auf Sicht mal hier und da stehen bleiben, sich Blicke zuwerfen, sich seitlich abwenden, wieder näher kommen und dem Hund mit dem Abwenden auch zeigen „Du kannst ein Stück näher kommen“. Je sicherer sich ein Hund fühlt desto beiläufiger läuft das oft ab. Noch vor dem Bogen laufen. Meine Hündin fühlt sich bei diesem Prozedere deutlich wohler. So wie du es beschreibst, ein Hund geht in die Richtung, während der andere steht, da finde ich auch meine Hündin wieder und genau so praktiziere ich die Hundebegegnungen meistens auch, weil es ihr so leichter fällt. Wenn ein anderes Team zügig kommt, stellen wir uns irgendwo hin, wo mehr Platz ist und lassen passieren/ nehmen ggf. Kontakt auf oder wenn das andere Team steht, eben andersherum. Das funktioniert hier recht gut, wogegen beidseitiges Vorbeigehen bei fremden Hunden nach dem Motto „Wir gehen weiter!“ hier nicht so gut ankommt, weil es Mira nicht ermöglicht stehen zu bleiben und dadurch mehr Stress für sie reinbringt. Und das obwohl sie gar nicht der „Will-weg-Typ ist“. Selbst wenn sie sich in einer Begegnung nicht wohlfühlt, bleibt der ganz Körper nach vorne gerichtet. Sieht sie einen Fremdhund der ihr ggf. nicht passt handelt sie auch auf weitere Entfernungen nicht distanzerhöhend. Im Gegenteil. Zu dem Buch Calming Signals: Ich denke, dass das was du gelesen hast sich auf das Workbook bezieht. Die Empfehlung bezog sich auf das Buch von Turid Rugaas, nicht auf das Workbook, dass von anderen Autorinnen geschrieben wurde.
Wer die Zeit oder eher wenige Begegnungen hat, fährt mit längerfristigem Beobachten Lassen wahrscheinlich durchaus gut.

Wenn man aber beim Verlassen des Hauses auf die ersten 5 Hundebegegnungen trifft, kann man Stehenbleiben und Warten als Taktik abhaken.
Wir müssen uns durch zig Begegnungen am Tag so sicher und entspannt wie möglich weiterbewegen können und deshalb ist es genau das, was ich meinen Hund zu tun lehre.

Und nachdem die Erfahrung gezeigt hat, dass diese Methode bei vielen Hunden sehr schnell sehr gute Erfolge bringt, finde ich sie echt empfehlenswert.
 
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Jörg
23. Juli 12:54
Hier mal Video von Baumann was dir eventuell hilft die Welpenstunde die du besuchst zu beurteilen.

https://youtu.be/mj6TwUPzyuA?si=4UfYk7xOmM6QP5t1