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Martin
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Anzahl der Antworten 144
zuletzt 23. Juli

Überfordert - Leinen "Aggression" bei Hundebegegnugen

Vor ein paar Wochen, hatte ich von den unangenehmen Hundebegenungen (an der Leine) unseres Rustys (mittlerweile fünf Monate) erzählt. Wir wissen echt nicht weiter. Trotzdem Welpenschule, Einzeltraining und Trainieren unsererseits werden die Hundebegenungen nicht besser, eher schlechter. Gibt es (hier) Gruppen, in denen über Überforderung gesprochen wird. Eine Art Selbsthilfegruppe für überforderte Hundehalter? Und nach Welpenschule, Einzeltrainings (in unserer Anwesenheit) und trainieren, (im Sinne von wir machen Distanzarbeit mit ihm und bleiben an einem Punkt, an dem er noch mit Leckerchen ansprechbar ist - obwohl da die Distant eher größer als kleiner wird, und anleinen zu Hause) fragen wir uns was wir noch tun können. Wir dachten vielleicht an Einzeltrainings, bei denen wir nicht dabei sind oder eine Hundekita, damit er generell mehr Umgang mit Hunden hat. Wir wollen das Beste für unseren Kleinen und machen uns ehrlich ein wenig Gedanken, dass wir vielleicht nicht die richtigen Menschen für ihn sind. Vielleicht bin ich auch zu blauäugig, aber ich kann/will einfach noch nicht aufgeben. Es muss die Lösungen geben. Tut mir leid, dass das solch ein Trauerpost war, aber wir hoffen hier wirklich ein wenig Hilfe zu finden. Edit: der alte Post hier https://dogorama.app/de-de/forum/Welpen_Junghunde/Welpe_4_Monate_bellt_jeden_Hund_auch_auf_Distanz_an-q6SzCZ0X5EOOWZV2uXqp/
 
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Jörg
20. Juli 11:43
Meine Frage, woher er den Hund hat, wurde von ihm bisher ignoriert, sowohl hier als auch im Chat. Das ist eine einfache Frage die man guten Gewissens beantworten kann. In mir keimt ein dunkler Verdacht.🤨
Von wem redest du?
 
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Gabriela
20. Juli 11:48
Von wem redest du?
Bitte, von wem wohl...
 
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Jörg
20. Juli 11:49
Bitte, von wem wohl...
Weiß ich nicht sonst würde ich nicht fragen?
 
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Gabriela
20. Juli 11:50
Weiß ich nicht sonst würde ich nicht fragen?
?
 
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Jörg
20. Juli 12:00
?
Ah nach mehreren runter scrollen habe ich die Frage gefunden und ich gehe vom Themen Ersteller aus. Frage mich aber was es ändert an seiner Situation. Auch die Frage mit der Hundewiese verstehe ich in dem Kontext nicht. Dort geht es ja eher um den freien Kontakt zu Artgenossen und hat jetzt nicht unbedingt was mit der Leine zu tun. Da denke ich muss man schon ein wenig unterscheiden. Aber gut es ist ja deine Frage und daher halte ich mich da raus.
 
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SandrA
20. Juli 12:44
Ich empfinde deine Gedanken als sehr interessant. Ich denke wie ein Hund eine Begegnung gestaltet haben möchte, unterscheidet sich sicher von Individuum zu Individuum. Das beinhaltet nicht nur einen höflichen Bogen sondern ein bisschen etwas davor, was oft übersehen und übergangen wird und für manche Hunde ein wenig wichtiger ist als für andere. Das Hunde wechselseitig auf Sicht mal hier und da stehen bleiben, sich Blicke zuwerfen, sich seitlich abwenden, wieder näher kommen und dem Hund mit dem Abwenden auch zeigen „Du kannst ein Stück näher kommen“. Je sicherer sich ein Hund fühlt desto beiläufiger läuft das oft ab. Noch vor dem Bogen laufen. Meine Hündin fühlt sich bei diesem Prozedere deutlich wohler. So wie du es beschreibst, ein Hund geht in die Richtung, während der andere steht, da finde ich auch meine Hündin wieder und genau so praktiziere ich die Hundebegegnungen meistens auch, weil es ihr so leichter fällt. Wenn ein anderes Team zügig kommt, stellen wir uns irgendwo hin, wo mehr Platz ist und lassen passieren/ nehmen ggf. Kontakt auf oder wenn das andere Team steht, eben andersherum. Das funktioniert hier recht gut, wogegen beidseitiges Vorbeigehen bei fremden Hunden nach dem Motto „Wir gehen weiter!“ hier nicht so gut ankommt, weil es Mira nicht ermöglicht stehen zu bleiben und dadurch mehr Stress für sie reinbringt. Und das obwohl sie gar nicht der „Will-weg-Typ ist“. Selbst wenn sie sich in einer Begegnung nicht wohlfühlt, bleibt der ganz Körper nach vorne gerichtet. Sieht sie einen Fremdhund der ihr ggf. nicht passt handelt sie auch auf weitere Entfernungen nicht distanzerhöhend. Im Gegenteil. Zu dem Buch Calming Signals: Ich denke, dass das was du gelesen hast sich auf das Workbook bezieht. Die Empfehlung bezog sich auf das Buch von Turid Rugaas, nicht auf das Workbook, dass von anderen Autorinnen geschrieben wurde.
Was ich an deinem Beitrag besonders spannend finde, ist dein Blick auf den Bogen als Teil eines gesamten Prozesses – quasi als Ergebnis feiner Abstimmungen davor. Das hat mich noch einmal zum Nachdenken gebracht, weil es auch das trifft, was ich bei meiner Hündin oft beobachtet habe: Der Bogen war bei ihr nicht primär die „höfliche Geste“, sondern eher das, was nach einer Reihe kleiner Regulationsversuche noch im Köfferchen war. Ein „Okay, näher geht nicht, aber ich weiche aus – sonst halte ich’s nicht aus.“
Und wenn sie vorbei war - ausatmen.

Ich glaube, dass der Bogen bei manchem Hund weniger mit Manieren oder höflicher Annäherung zu tun hat als mit emotionaler Selbstregulation und manchmal einfach mit dem Versuch, irgendwie heil durchzukommen.

Bei Neo z. B. ist so ein Bogen gar nicht im Repertoire – ich denke heute allmählich: nicht, weil er unhöflich ist, sondern weil ihm lange schlicht keine Auswahl an Mustern zur Verfügung stand. Kein Drohen, kein Ausweichen, kein Bogen – nur scheinbare, stoische Ruhe. Und dann, wenn’s zu viel wurde, eine direkte (Schein-)Attacke. Kein „Ich will hin“ und auch kein „Ich will weg“. Stattdessen: „Ich weiß nicht wohin mit mir; ich halt es nicht aus.“

Erst mit der Zeit hat sich etwas verändert – sowohl bei Neo, als auch sicher und vor allem bei mir. Früher wäre mir sein allmähliches Einfrieren zu spät aufgefallen oder ich hätte es als reines Glotzen abgetan. Heute sehe ich: Wenn er einen fremden Hund sieht, wird er langsam. Seine Bewegungen wirken wie in Zeitlupe, er bleibt ansprechbar, er fällt leicht zurück. Kein Ziehen, kein Bellen, kein Ausweichen – aber auch kein Drauflosstürmen mehr, obwohl der Raum dafür da wäre.

Vielleicht zeigt er sich heute früher. Vielleicht nehme ich ihn einfach genauer wahr. Wahrscheinlich beides. Was früher in einer Eskalation endete, bleibt heute Spannung, aber ohne Ausbruch. Und das lese ich nicht mehr als unhöflich, sondern als das, was es ist: Sein Versuch, irgendwie klarzukommen – mit so viel Kontrolle, wie ihm eben möglich ist.

Deshalb finde ich die eigentlich spannende Frage ist die, ob ein Hund überhaupt eigene verinnerlichte Strategien hat? Wird ihm Raum für Selbstregulation gelassen? Oder muss er „funktionieren“, bevor er sich überhaupt zeigen darf?
Denn ob es dann höflich, unhöflich oder dramaresistent aussieht, sagt noch nichts darüber, wem die Bewegung eigentlich gehört.
 
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Jochen
20. Juli 13:56
Dass Hunde es höflich und angenehmer empfinden einen Bogen zu laufen leuchtet mir auch ein, habe ich ja auch nicht anders behauptet. Jetzt war die Prämisse aber, dass der Hund weg will und keine höfliche oder angenehme Begegnung. Also fliehen will. Wieso sollte ein Hund, der weg will weiter in die Richtung, nur in einem Bogen laufen? Das erscheint mir eine menschliche Rationalisierung für das eigene Handeln zu sein. Ohne Einfluss würde der Hund weg gehen/laufen, wenn er weg will und nicht im Bogen weiter Kurs auf die Bedrohung nehmen. Oder nicht?
Zitat aus Calming Signals von Turid Rugaas
Hunde gehen normalerweise nicht direkt aufeinander zu. Sie tun
es vielleicht, wenn sie sich gut kennen oder wenn sie sich aus
anderen Gründen voll vertrauen. Manchmal senden sie einander
so viele beschwichtigende Signale, daß sie es riskieren, gerade-
wegs auf den anderen zuzugehen. Aber für gewöhnlich ändern
sie die Richtung ein bißchen oder auch-je nach Situation -
ganz deutlich. Das ist der Grund, warum die meisten Hunde so
unsicher und verteidigungsbereit sind, wenn wir sie zwingen,
geradewegs an einem anderen Hund vorbeizugehen.
Wir können Hunden beibringen, nahezu frontal aufeinander zu-
zugehen, aber das geht nur über ein entsprechendes Training.
Zuerst erlauben wir dem Hund, einen s o großen Bogen zu schla-
gen, wie er es braucht, um sich wohl zu fühlen und …
Zitatende

Das ist Standardlektüre (1997) für jeden HundetrainerIn, auch MR hat da jede Menge draus geschöpft würde ich wetten. Sie war die Erste, die das diverse Beschwichtigungsverhalten analytisch dokumentiert hat.
 
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Jochen
20. Juli 14:25
Ich weiß nicht was ich schreiben soll, so viele psychologische Ratschläge... Hab das mit dem Wasser ausprobiert und es hat geholfen. Er weiß ich will dieses Verhalten nicht und fertig. Wir können an jedem Hund vorbei gehen ohne Krawall. Natürlich wenn der andere anfängt macht meiner mit. Beruhigt sich aber schnell wenn ich "aus" sage. Ich liebe meinen Hund und er hat sehr viel Freiheit... Gehorsam bedeutet für den Hund Freiheit und Sicherheit für alle.
Und genau das sollte man mE. nicht machen. „Mal so ein bisschen ausprobieren“, gerade wenn man seinen Hund liebt.

Es ist kein Gehorsam, es ist beschwichtigende Angst vor dem Schreckreiz Wasser.
Und mit Schreckreizen sollte man schon allein aus dem Grund nicht rumprobieren, weil schnell ungewollte Verknüpfungen entstehen können.

Wenn beim Schreck zB. gerade ein lautes Auto zu hören war, kann damit eine Verknüpfung entstehen, oder Schlimmeres. Eine Trainerin hatte von einem Hund erzählt, der dadurch Angst vor fallenden Blättern bekam und im Wald nur noch angsterfüllt geduckt lief.

Machen wir doch mal einen Perspektivenwechsel, der Hund wird mit einem Schreckreiz überfallen von der Person, der er eigentlich vertraut und von dem normalerweise für den Hund gut lesbare und berechenbare Signale kommen.

Man braucht keine große Psychologie bemühen, um zu sehen, dass das Quark ist.
Und selbst wenn es vermeintlich „funktioniert“ (als wenn Hunde Roboter wären) hat der Hund dabei nichts gelernt. Der Grund warum der Hund vorher so reagiert hat, ist durch wildes Wasserspritzen ja nicht obsolet.
 
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Dogorama-Mitglied
20. Juli 15:24
Das ist genau der Grund, warum der Hund reaktiv ist - weil du unsicher bist. Die Lösung ist, salopp gesagt - "reiss dich zam" 😉😉
Ufffff...gaaaanz schwierig.
 
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Dogorama-Mitglied
20. Juli 15:25
Nix Trauma aufmachen wegen ein bisschen "unangenehme Begegnungen", nix überfordert, nix "Selbsthilfegruppe" - Kirche im Dorf lassen, Rückgrat straffen und den Hund ruhig und klar anleiten. Nimm den Hund ohne lang rumzueiern auf die abgewandte Seite und geh mit schönem Abstand zielstrebig an den Begegnungen vorbei. Problem in ein paar Wochen erledigt.
Also den Hund an anderen vorbeizuziehen macht's besser? Ganz im Gegenteil 🙄