Dann sollte man sich die Zeit nehmen um herauszufinden, warum das so ist. Kein Geschöpf, Tiere erst recht nicht, ist bösartig per se. Wenn es dazu kommt, sind immer weitere zusätzliche Faktoren mitbestimmend, die, in diesem Fall das Tier, zu dem machen, was es ist.
Leider ist es mit Verstehen nicht immer getan. Man kann mit Hunden halt schwer ne tiefenpsychologische Gesprächstherapie abhalten, dass es nun keine Notwendigkeit mehr gibt, Fressen zu verteidigen oder fremde Menschen nicht zu verbeißen. Man kann natürlich warten, bis der Hund selbst merkt, dass sich seine Situation zum Besseren gewandt hat, aber auch wenn Hunde nicht böse zur Welt kommen, gefällt einigen die Erfahrung, die sie machen, wenn sie jagen, wenn sie erfolgreich Beute verteidigen oder Fremde vertreiben. Dieser Erfolg ist eine Belohnung, die sie sich selbst verschaffen können und geht einigen Hunden über ein Lob oder ein Leckerchen. Nicht aus Bosheit, aber wozu Essen abgeben oder sich mit Fremden in der eigenen Bude rumschlagen, wenn man nicht muss?
So wie ein Hund niemals böse zur Welt kommt, kommt er halt auch nicht mit dem Wunsch auf die Welt: Ich will meinen Menschen gefallen und ihnen ein toller Kuschelpartner sein. Der Hund will ein entspanntes Leben, einen Schlafplatz, ein bisschen Action, Fressen und jemanden, der ihm die lästigen Aufgaben abnimmt und er mag nicht allein sein. Und das versucht er im Rahmen seiner Möglichkeiten zu bekommen, ob nun durch Gehorsam, durch Raffinesse in unneobachteten Momenten, Flirten oder durch Gewalt (vom Hund ausgehend).
Einem Hund wie Coffee kann man bestimmt mit viel Geduld auch anders als mit einer Wasserflasche beibringen, dass Beute verteidigen uncool ist. Aber bis er das geschnallt hat, besteht immer die Gefahr, dass er plötzlich nach seinen Menschen packt. Das ist unheimlich nervenaufreibend, wenn der Hund nicht 24/7 Maulkorb tragen, im Zwinger untergebracht sein oder jedes Mal, wenn Menschen sich frei im Raum bewegen, in die Box geschickt werden soll.
Noch einmal: Selbst Hunde, die nur an der Leine gegen Artgrnossen, nicht gegen Menschen, schießen, sitzen mindestens ein halbes Jahr im Tierheim, bis sich ein geeigneter Interessent findet. Hunde, die Aggressionen Menschen gegenüber zeigen mehrere Jahre. Im Tierheimalltag kann nicht über den Tag verteilt täglich in kleinen Einheiten bis zu einer Stunde mit dem Tier trainiert werden. Da ist vielleicht mal alle paar Tage eine halbe Stunde drinn, dann evtl noch zwei/dreimal die Woche ein motivierter Gassigänger, aber eben auch da wechselnde Bezugspersonen, unterschiedliche Trainingsansätze und Situationen, es bleibt der Tierheimstress, trotz aller Mühe, die sich gegeben wird ...
Man hat also die Wahl: Wartet man auf die Eierlegende Wollmilchsau, die sich dieses Risiko aus Tierliebe sechs Monate und länger im eigenen Heim antut und vielleicht nach vier, fünf Jahren anklopft (Coffee wäre dann zwölf/dreizehn, mit etwas Glück altersmilde) und versucht bis dahin im Tierheim das Beste? Das wäre wohl ohne die Sendung und Einzeltraining passiert. Mit etwas Pech wäre er bis dahin zwei, dreimal fehlvermittelt worden, überforderte Interessenten hätten seine Macken noch verstärkt, vielleicht hätten sie ihm auch noch die letzten Drohsequenzen wegerzogen, bevor er wieder abgegeben wurde.
Oder nimmt man hier einmal einen unangenehmen Reiz für den Hund inkauf, macht ihn darüber ansprechbar, baut dann mit den neuen Interessenten eine gute Grunderziehung POSITIV auf (denn es war ja wirklich NUR das Abbruchsignal aversiv), hat eine geringere Gefährdung für die neuen Halter, weniger Triebstress und Frust für den Hund, und das nach weniger als drei Monaten.
Würde das Training nicht gezeigt werden, würde Leuten ein falsches Bild von Problemhunden vermittelt werden, nämlich dass es total einfach ist, die mit dem Alltag zu versöhnen. Es überschätzen sich so schon genug Leute.
Auf der anderen Seite machen dann einige das, was sie sehen, trotz Warnung, nach. Das ist doof, aber wer sich da über Empfehlungen und Warnungen hinwegsetzt und allein auf Basis einer TV Show seinen Hund therapiert, der ist eh nicht mehr zu retten.
Ohne Publicity das Projekt durchzuziehen ist auch eine schöne Idee, dann wäre der Vorwurf der Werbeeinnahmen weg, aber wenn bekannt würde, dass da Hunde mit der Wasserflasche erzogen werden und da nicht transparent mit ungegangen wurde, dann ist der Aufschrei auch wieder groß. Zumal die Reichweite genau das ist, was bei der Vermittlung hilft. Das sind schwierige Hunde, für die es in ganz Deutschland nur sehr, sehr wenige ernsthafte und geeignete Interessenten gibt. Je mehr Menschen über die verschiedensten Kanäle von diesen Kandidaten erfahren, umso größer ist die Chance, jemanden zu finden. Es bringt nichts, wenn der Hund hinterher beim Trainer in Rekordzeit gut läuft, aber man hat kein Zuhause für ihn, denn wenn die Erziehung im neuen Heim nicht fortgeführt wird, fallen viele Tiere in ihr altes Muster. Hat zB auch seinen Grund, warum ein Wesenstest nur für ein Hund-Mensch-Gespann zählt, nicht für den Hund, egal wer ihn führt.
Die Entwicklung der Hunde zu zeigen, räumt außerdem mal mit dem Klischee auf, dass Tierheimhunde alle nicht-erziehbare Tölen wären, die man sich besser nicht antut, besser zum Züchter und den Hund von Welpe an selbst versauen. Eine Vorstellung, die leider noch sehr verbreitet ist, neben dem Irrglauben, genug Tierliebe allein genügt, um einem anspruchsvollen Hund mit negativer Erfahrung/großer Eigenständigkeit/starkem Trieb etc gerecht zu werden, die Tiere spüren schließlich, dass man es gut meint und was man von ihnen will.