Basierend auf der Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination Theory, SDT) von Deci und Ryan, sehe ich die Thematik der Leinenführigkeit und Orientierung so:
Die klassische Konditionierung durch Futterbelohnung, wie sie oft angewendet wird, funktioniert in der Theorie gut, da sie Verhalten verstärken soll. Aber langfristig hinterfragt die Selbstbestimmungstheorie diesen Ansatz. Sie legt nahe, dass äußere Verstärker, wie etwa das ständige Füttern zur Orientierung, die intrinsische Motivation untergraben könnten.
Das bedeutet, dass der Hund sich weniger aufgrund einer echten inneren Orientierung an seinem Halter orientiert, sondern vielmehr, weil er die nächste Belohnung erwartet. Diese Art der Konditionierung fördert nicht unbedingt die Orientierung an der Person selbst, sondern eher das Betteln oder Abwarten auf Futter, was bei einigen Hunden sogar Frust auslösen kann, wenn die Belohnung ausbleibt. Die Selbstbestimmungstheorie zeigt, dass Verhalten, das durch innere Motivation und Freiwilligkeit entsteht, langfristig stabiler und nachhaltiger ist.
Für mich bedeutet daher Orientierung eher, dass der Hund auf eine natürliche Art und Weise mit seinem Halter verbunden ist – ohne ständigen Futtereinsatz.
Leinenführung sehe ich dabei auch nicht als Trick oder Übung, sondern als einen dauerhaften Zustand der Zusammenarbeit zwischen Hund und Halter. Für mich funktioniert es so und ich glaube, dass dies auch zu einer entspannteren und nachhaltigeren Zusammenarbeit führt, die auf gegenseitiger Freiwilligkeit statt auf Erwartung basiert.
Aber auch da gibt es viele Wege nach Rom… ☺️
Frust und Frustabbau spielen im Lernprozess eine wichtige Rolle.
Vielseitiges und abwechslungsreiches Lernen, eben auch durch unterschiedliche Bestätigungsformen, schaffen die stabilsten Ausführungen und psychisch gefestigte Hunde in allen Szenarien.
Theorien sind irrelevant, wenn der Hund sein Wissen in der Praxis nicht abrufen kann, weil er nie Frustration erlebt hat und überreizt ist außerhalb einer neutralen Trainingsumgebung.
Diensthunde werden bis zur Perfektion getrieben und sollen Frust aktiv erleben um gefestigt zu sein in schwierigen Situationen.
Stell dir mal vor der Polizeihund führt seinen Job nicht aus, wegen der von dir genannten "inneren Freiwilligkeit".
Wie bei allem ist es wichtig einen guten Mittelweg zu finden. Frust, Frustabbau, Belohnung durch Sprache, Futter, Spielzeug, Spiel und Co. hat alles seine Berechtigung.
Rassespezifische Eigenschaften und Zuchtlinien sind natürlich stets zu beachten und können vom o.g. funktionellem Durchschnitt abweichen.