Ein Punkt zum Maßregeln bei mir war, ganz simpel, dass ich an der Klangfarbe gearbeitet habe. Ich bin eigentlich deeskalativ und freundlich unterwegs, meine Kommandos haben oftmals eher den Klang einer freundlichen Bitte oder motivierend, lockend, was in ablenkungsfreien Situationen oder wenn der Hund konzentriert und aufmerksam ist auch völlig ausreicht. Auch bei Angsthunden selten von Nachteil, wenn man es schafft, die Angst nicht zu verstärken. Rumbrüllen bringt bei meiner gar nichts, das zeigt ihr nur, dass mir die Argumente ausgegangen sind. Der Hund ist schließlich nicht taub. Wenn ich Kommandos aber bei Fehlern (Ignorieren, halbherzige Umsetzung) ruhig, dafür etwas tiefer wiederhole, fluppt es meistens sehr gut. Auch das ist schon Drohen und daher in meinen Augen Korrektur oder Maßreglung und in meinen Augen angemessen.
Geht da auch noch nix, gibt es bei fehlender Aufmerksamkeit ein ›Hey!‹ und dann mache ich mich groß (auch das: Drohgebärde) und gehe einen Schritt auf den Hund zu (auch das, die Verringerung der Distanz, ist in dem Kontext Drohen), versperre ihm so auch gleich die Sicht, sollte er gerade etwas fixieren.
Und damit kommen ich und mein Hund sehr gut klar. Nur kann ich kein nachweislich bekanntes Kommando aussprechen und dann nach zwei Anläufen sagen ›Na gut, dann halt nicht‹. Das hätte bei uns zur Folge, dass ich die nächsten drei Wochen wieder JEDES Kommando diskutieren muss und auch mein Hund nicht das bekommt, was er verdient: Klare, unmissverständliche Anleitung.
Gibt nur eine Sache, wo ich noch etwas deutlicher werde: Fressen vom Boden beim Gassigehen (Gefahr durch vergammelte Essensreste, Giftköder) und Saufen aus Pfützen (keinen Bock auf Magen-Darm und Co). Da geht es um die Gesundheit meines Tieres. Problem: Beides findet der Hund RICHTIG gut, dass da ›Hey!‹ oder ›Lass das!‹ eher als ›Komm bitte, wenn du fertig bist‹ verstanden wird, auch bei drohendem Klang und passend präsenter Körpersprache. Da stampf ich einmal auf dem Boden auf, ohne großes Schimpfen, ohne ihn zu bedrängen und da sie auch sofort aufhört, ist das Thema für mich damit dann auch ohne es ihr nachzutragen durch. Aber da brauch ich einen Reiz, der sofort wirkt, und das Aufstampfen ist schnell umsetzbar für mich und die am wenigsten aversievste Methode für meinen Hund, die diese Voraussetzung erfüllt.
Bei der Leinenführigkeit ruf ich meinen Hund zunächst beim Namen, wenn ich merke, dass sie verträumt in der Gegend rumguckt, starrt oder wegen einem potenziellen Jagdobjekt droht, in die Leine zu laufen. Wenn das nicht fruchtet, bleib ich stehen, bis ich ihre Aufmerksamkeit habe oder ich drehe um – es sei denn, es nähern sich Hunde oder Menschen, dann hol ich sie zu mir ran, wenn sie nicht reagiert. Am Geschirr. Ohne Diskussion. Bevor sie sich reinsteigern kann oder gar anfängt, mich zu verteidigen. Ist sie neben mir und will trotzdem hin, wird sie geblockt, sprich die Leine ist kurz und ich stelle ihr mein Bein in den Weg.
Insbesondere beim Besuchertraining hab ich es anfangs auch mit den drei Äffchen versucht. Fehlverhalten (Knurren, Bellen, Hochschießen, Drohen) wurde 🙈🙉🙊, damit der Hund dadurch bloß keine Aufmerksamkeit erfährt und noch bestärkt wird, und grobe Fehler (Anspringen, Beißen) wurden durch Anleinen und MK vermieden. Ruhiges, gewünschtes Verhalten wird belohnt.
Problem: Sie ist ein HSH, die in dieser Situation noch kein Alternativprogramm kannte, das auch nur annähernd so reizvoll wie das Beschützen des Territoriums war. Kong, Kaustab, Kauartikel usw, no way, an Apportieren oder Suchspiele war auch absolut nicht zu denken. ›Ruhiges, gewünschtes Verhalten‹ war die absolute Ausnahme, stattdessen hat sie sich überfordert reingesteigert, obwohl Besucher mind 3m Abstand halten und sie ignorieren.
Korrigiere ich sie verbal oder auch mal mit präsenter Körperhaltung unterstrichen, bevor sie sich reinsteigert, kann sie zur Ruhe kommen, legt sich von sich aus ab und macht auch mal die Augen zu. Ist immer noch anstrengend für sie, aber so kann ich ihr einen Weg zeigen, der stressfreier ist, als sie Toben zu lassen. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass ich sie darüber überhaupt erst in einen Zustand bringe, in dem sie aufnahmefähig ist, indem ich ihr die Verantwortung für den Schutz meiner Wohnung und damit auch ihre Überforderung wegnehme.
Wenn sie sich mal ganz sturr in einem Gast verstarrt, wird auch mal an der Schulter oder der Kruppe getippt (und das ist hier kein Euphemismus für ›Schlagen‹ oder Kneifen) oder am Geschirr wieder so geführt, dass alle vier Pfoten auf der Decke sind, weil sie sonst gar nicht aus ihrem Film rauskommt.
Neben verbalen (Klangfarbe, Warnwort/Abbruchkommando) und körperlichen Drohgebärden (Körpersprache, Aufstampfen) wäre da also noch Begrenzen (Blocken, Holen oder Mitnehmen am Geschirr mit der Leine).
Ergänzung: Würde ich meinem Hund ins Fell kneifen oder über die Schnauze greifen? Vermutlich, wenn er auf alle anderen Signale nicht reagiert. War bisher nie nötig und dafür bin ich dankbar. Bei anderen Hunden ist das anders. Wieder andere bekämen einen mittelschweren Herzinfarkt, wenn ihr Herrchen/Frauchen neben ihnen etwas fester auftritt. So sind Hunde eben verschieden.