Ok, EH war zu salopp eingesetzt, ersetze es durch Vermeidungstaktik (nicht zu verwechseln mit Meideverhalten).
Korrektur greift rein verhaltensmodifizierend und damit symptomatisch, ohne die Ursache für ein Verhalten zu bearbeiten.
Mir missfällt, wenn man als primären Trainingsansatz wählt, den Hund absichtlich in unerwünschtes Verhalten "laufen" zu lassen bzw ihn gar hineinzudrängen, um ihn erst nach dem von einem selbst provozierten Fehler über Strafe zur Verhaltensänderung zu bringen.
Das ist unfair und bleibt an der Oberfläche der Problembearbeitung.
In deinem Beispiel klappt die Umotientierung nicht, weil sie erstens im Kontext einer Handlungskette erfolgt und zweitens das Erregungsniveau des Hundes offenbar viel zu hoch war, um sich besser zu kontrollieren.
Für Entspannungstechniken etc braucht es rationales Denken. Das hat der Hund nicht. Bei ihm kann nur durch Verminderung der stressauslösenden Umstände weniger Stress erreicht werden.
Das meinte ich mit retrograder Beeinflussung.
Kann vorkommen (falls durch die Verhaltensänderung sekundär auch Stressverursacher eliminiert werden), muss aber nicht.
Alternativ könnte sich die unbehandelt gebliebene Ursache des massiven Leinenziehens auch in anderes Stressverhalten umwandeln.
Ich bin sehr skeptisch gegenüber deiner Interpretation, dass dem Leinenziehen kein Stress zugrunde liegt.
Wenn es rein erlerntes Verhalten ohne innere Anspannung ist, hätte das durch gut gesetzte Korrekturen eigentlich erfolgreich überschrieben werden sollen.
Der Einfluss von Führung/Ausstrahlung ist keine Glaubensfrage sondern ein Fakt - auch beim Thema Leinenziehen.
Was Führung/Ausstrahlung aber nicht ist, ist ein Zaubernittel. Wenn ein Hund (noch) nicht fähig ist, den Menschen am anderen Ende der Leine halbwegs gut wahrzunehmen, hat der natürlich auch nur sehr begrenzten Einfluss.
Entstressen kann man natürlich oft erstmal nur sehr eingeschränkt am Problem selbst, da wäre wahrscheinlich ein gesundheitliche Abklärung bzw ein unfassender Zugang über die Gestaltung verschiedener Alltagsumstände angebracht.
Was hat Aufregung denn mit "armes Würstchen" zu tun...??
Rute oben, Ohren vorne ist ein klares Zeichen für gesteigerte Erregtheit und hast du dann auch schon eben sehrwohl den Stressindikator.
Wenn Guinness so aussieht, neigt er auch zum Ziehen.
Wenn das ab und zu mal vorkommt, find ich eine Mischung aus Korrektur und Entspannung der Situation durchaus sinnvoll.
Wäre das bei mir ein Dauerzustand, würde mir Korrektur aus besagten Gründen eben definitiv nicht genügen.
Ich für meinen Teil möchte nämlich nicht, dass mein Hund "fehlerfrei" sondern möglichst stressfrei mit mir durch's Leben geht.
Ok ich sollte mir eine Dogorama Sperre bis 20 Uhr einrichten, sonst komme ich zu nichts 😅.
Also, was meine ich mit Ohren vorne und Rute oben (nicht senkrecht oben, ich meine relativ waagerecht).
Wenn mein Hund beim Training Angst hätte, würde er die Ohren anlegen und die Rute einziehen. Stehen tun seine Ohren ja sowieso, aber wenn sie nach vorne und nicht nach hinten ausgerichtet sind, zeigt es mir Interesse und Interaktion mit der Umwelt und kein "oh nein oh nein, gleich werde ich bestraft" (das meinte ich mit armes Würstchen).
Er ist grundsätzlich ein wachsamer, aufmerksamer Hund mit ziemlich viel Intensität. Ob ich das nachhaltig ändern kann weiß ich nicht. Die Frage ist soll ich das überhaupt ändern wollen. Irgendwo liegt es ja in seiner Natur/Genetik draußen wachsam zu sein. Was ich nicht möchte ist Paranoia und unter Strom stehen. Das kommt bei Schäferhunden ja leider nicht selten vor.
Deinen und meinen Hund zu vergleichen halte ich daher für nicht zielführend. Dass du so einen Hund nicht möchtest glaube ich dir aufs Wort, deshalb hast du ja auch einen Border Collie und keinen Malinois gewählt.
Dass er gar keinen Stress hatte oder immer noch hat glaube ich auch nicht. Wenn ich das so formuliert habe war das falsch von mir. Natürlich hatte er Stress. Alleine das Leinenziehen selber als Handlung führt doch zu Stress. Ein selbstverstärkendes Verhalten sozusagen. Denn in der Leine hängen ist ja auch nicht angenehm, er kämpft sich ja nach vorne. Ich glaube aber nicht, dass Stress der primäre Auslöser war, aber sicher zur Schwere beigetragen hat.
Dass die Leinenführigkeit retrograd nicht für Entspannung/Entschleunigung sorgt oder es nur aus Glück oder Zufall passiert glaube ich nicht und zwar aus folgendem Grund. Er zieht ja auch nach dem Training bzw zwischen den Trainingseinheiten nicht mehr. Also nach Freigabe zieht er nicht, obwohl keine Korrekturen kommen werden, das weiß er.
Aber in der Zeit der Leinenführigkeit kann er die Umwelt ja auch ganz anders wahrnehmen. Und zwar eben entschleunigt (vielleicht gefällt es ihm ja, nicht an interessanten Sachen vorbei zu hetzen oder zu ziehen). Das wäre meine Interpretation. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso er auch an der Schleppleine nicht zieht.
Warum das Verhalten nicht komplett gelöscht ist, sondern auflodert, wenn wir lange nicht trainieren, weiß ich nicht. Da kann man gerne Vermutungen anstellen. Vielleicht ist es dieses selbstverstärkende Thema. Also ein bisschen Stress, kurz ziehen, mehr Stress, mehr und länger ziehen. Wäre eine Idee.
Dass du mit dem Fortschritt nicht zufrieden wärst ist auch ok. Wir sind ja auch nicht am Ende, sondern am Anfang. Allerdings weiß ich nicht, was ich noch hätte tun können. Wir waren bei verschiedenen Trainern, sind mehrere 100km zum Verhaltenstherapeuten gefahren, beim TA sind wir regelmäßig. Eine exzentrische Dame betet sogar für ihn und hat ne Kerze angezündet 😅. Der Alltag zuhause wurde auch durchleuchtet.
Den Satz, du möchtest, dass dein Hund stressfrei und nicht fehlerfrei durchs Leben läuft finde ich ziemlich gemein ehrlich gesagt, denn du implizierst, dass mir der Stress meines Hundes egal ist und es mir nur um korrektes Verhalten geht. Ziemlich unter der Gürtellinie finde ich.
Wenn wir gerade aktiv etwas trainieren, dann möchte ich natürlich, dass mein Hund möglichst wenig Fehler macht. Sei es Leinenführigkeit oder Apportieren oder Unterordnung. Fehlerfrei zeigt mir, dass das Training funktioniert und dass ich verständlich kommuniziere und die Umgebung passt. Apportieren machen wir ausschließlich durch Klicker und inzwischen relativ fehlerfrei Zuahuse (draußen noch nicht, was ja Feedback an mich ist, reizärmere Gebiete aufzusuchen). Das hat doch nichts mit dem normalen Zusammenleben zu tun.
Wenn du sagst, er war zu aufregt für die anderen Ansätze, oder um sich von Ausstrahlung bzw Führung beeindrucken zu lassen, wieso war er dann nicht zu aufgeregt für das Training was wir jetzt machen?
Strafe alleine kann es nicht sein, das haben andere versucht und sind gescheitert.