Home / Forum / Erziehung & Training / Intrinsische Motivation - Leinenführigkeit?

Verfasser
Dogorama-Mitglied
Einleitungs-Beitrag
Anzahl der Antworten 1029
zuletzt 21. Dez.

Intrinsische Motivation - Leinenführigkeit?

Hallo liebe Hundemenschen, Ich bin durch einen anderen Thread darauf gestoßen, dass man Leinenführigkeit mittels intrinsischer Motivation beibringen kann. Intrinsische Motivation bedeutet das es der Hund von sich aus macht, es macht ihm Spaß und führt es für sich bzw. sein Wohlbefinden aus. Also zum Beispiel ist bei meinem Münsterländer das Jagen eine intrinsische Motivation, die ich mir für die Arbeit zunutze mache. Ich trainiere viel mit meinen Hunden und natürlich auch die Leinenführigkeit. In aller Regel machen das meine Hunde aber nicht aus eigener intrinsische Motivation. Jetzt frage ich mich natürlich, was ich die Jahre falsch gemacht habe, dass meine Hunde anscheinend nicht aus intrinsischer Motivation neben mir her spazieren. Habt ihr eine Idee wie man das aufbaut, dass er Hund das aus intrinsischer Motivation macht? Ist dies überhaupt möglich?
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
6. Dez. 20:17
Dann wäre also i intrinsisch nur etwas, worauf der Mensch und/oder die Umwelt keinerlei auslösenden Einfluss hatte? Wie kann man denn aber mit/über etwas trainieren, worauf man keinerlei Einfluss nehmen darf?
1. Frage: Intrinsische Motivation bedeutet nicht, dass der Mensch oder die Umwelt gar keinen Einfluss haben dürfen. Vielmehr geht es darum, dass das Verhalten aus dem inneren Antrieb des Hundes entsteht – weil es für ihn selbst sinnvoll oder angenehm ist. Der Mensch kann dabei einen Rahmen schaffen, in dem der Hund die Möglichkeit hat, intrinsische Motivation zu entwickeln. Zum Beispiel:
Schnüffeln: Der Hund schnüffelt von sich aus, weil es ihm Spaß macht und seine Neugier befriedigt. Der Mensch unterstützt das, indem er ihm Zeit und Raum gibt, statt ihn davon abzulenken oder mit anderen Reizen zu überlagern.
Ruhiges Verhalten: Ein Hund, der lernt, dass ruhiges Beobachten ihm Sicherheit gibt, handelt aus intrinsischer Motivation – der Mensch trägt dazu bei, indem er stressfreie Bedingungen schafft, in denen der Hund diese Erfahrung machen kann.

Der Mensch kann die Umgebung gestalten, aber das Verhalten entsteht aus der Überzeugung oder Freude des Hundes, nicht durch äußere Belohnungen oder Zwang.

2. Frage: Man kann durchaus mit intrinsischer Motivation trainieren, indem man indirekten Einfluss nimmt. Das bedeutet, dass der Mensch nicht das Verhalten selbst auslöst, sondern die Bedingungen so gestaltet, dass der Hund es aus eigenem Antrieb zeigt. Das ist auch nichts weltbewegendes.
Ein paar Beispiele:
Raum für eigenes Ausprobieren schaffen: Anstatt den Hund mit Leckerlis oder Kommandos zu lenken, lässt man ihn die Situation selbst erkunden. Der Mensch bleibt ruhig und greift nur ein, wenn der Hund überfordert ist. So lernt der Hund durch eigene Erfahrungen, welche Verhaltensweisen für ihn sinnvoll sind.
Reize kontrollieren: Beim Aufbau von Selbstkontrolle lässt man den Hund mit einem Reiz in einer sicheren Distanz konfrontiert werden, bis er selbst entspannt bleibt, ohne korrigiert oder abgelenkt zu werden.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
6. Dez. 20:33
1. Frage: Intrinsische Motivation bedeutet nicht, dass der Mensch oder die Umwelt gar keinen Einfluss haben dürfen. Vielmehr geht es darum, dass das Verhalten aus dem inneren Antrieb des Hundes entsteht – weil es für ihn selbst sinnvoll oder angenehm ist. Der Mensch kann dabei einen Rahmen schaffen, in dem der Hund die Möglichkeit hat, intrinsische Motivation zu entwickeln. Zum Beispiel: Schnüffeln: Der Hund schnüffelt von sich aus, weil es ihm Spaß macht und seine Neugier befriedigt. Der Mensch unterstützt das, indem er ihm Zeit und Raum gibt, statt ihn davon abzulenken oder mit anderen Reizen zu überlagern. Ruhiges Verhalten: Ein Hund, der lernt, dass ruhiges Beobachten ihm Sicherheit gibt, handelt aus intrinsischer Motivation – der Mensch trägt dazu bei, indem er stressfreie Bedingungen schafft, in denen der Hund diese Erfahrung machen kann. Der Mensch kann die Umgebung gestalten, aber das Verhalten entsteht aus der Überzeugung oder Freude des Hundes, nicht durch äußere Belohnungen oder Zwang. 2. Frage: Man kann durchaus mit intrinsischer Motivation trainieren, indem man indirekten Einfluss nimmt. Das bedeutet, dass der Mensch nicht das Verhalten selbst auslöst, sondern die Bedingungen so gestaltet, dass der Hund es aus eigenem Antrieb zeigt. Das ist auch nichts weltbewegendes. Ein paar Beispiele: Raum für eigenes Ausprobieren schaffen: Anstatt den Hund mit Leckerlis oder Kommandos zu lenken, lässt man ihn die Situation selbst erkunden. Der Mensch bleibt ruhig und greift nur ein, wenn der Hund überfordert ist. So lernt der Hund durch eigene Erfahrungen, welche Verhaltensweisen für ihn sinnvoll sind. Reize kontrollieren: Beim Aufbau von Selbstkontrolle lässt man den Hund mit einem Reiz in einer sicheren Distanz konfrontiert werden, bis er selbst entspannt bleibt, ohne korrigiert oder abgelenkt zu werden.
Das scheint mir aber doch ganz schnell an seine Grenzen zu stossen.

Die Rolle des Menschen beschränkt sich da auf eine Art "Butler" des Hundes, ebnet ihm diesen Weg, öffnet ihm jenes Türchen und wartet ansonsten brav und still im Hintergrund, bis vielleicht irgendwann irgendwas von selbst passiert.

Das geht sicher nett, wenn man in einer ruhigen Gegend lebt, sehr wenig vom Hund braucht und dafür sehr viel Zeit hat.

Was macht man aber, wenn der Hund möglichst schnell mannigfaltige Fähigkeiten, Akzeptanzen und Kompetenzen entwickeln soll, die nicht im natürlichen Verhaltensrepertoir vor- oder aus ihm herauskommen?

Das, was du unten beschreibst - schnüffeln, beobachten und Erfahrungen machen lassen - hat für mich nur peripher mit Trainieren zu tun, das ist imho Beaufsichtigen.

Kannst du denn mal an einer Konkreten Handlung beschreiben, wie das über Intrinsisch geht?
Also beispielsweise "an der Bordsteinkante stehenbleiben".

Wie würdest man das mit der Methode erreichen?
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
6. Dez. 20:48
Das scheint mir aber doch ganz schnell an seine Grenzen zu stossen. Die Rolle des Menschen beschränkt sich da auf eine Art "Butler" des Hundes, ebnet ihm diesen Weg, öffnet ihm jenes Türchen und wartet ansonsten brav und still im Hintergrund, bis vielleicht irgendwann irgendwas von selbst passiert. Das geht sicher nett, wenn man in einer ruhigen Gegend lebt, sehr wenig vom Hund braucht und dafür sehr viel Zeit hat. Was macht man aber, wenn der Hund möglichst schnell mannigfaltige Fähigkeiten, Akzeptanzen und Kompetenzen entwickeln soll, die nicht im natürlichen Verhaltensrepertoir vor- oder aus ihm herauskommen? Das, was du unten beschreibst - schnüffeln, beobachten und Erfahrungen machen lassen - hat für mich nur peripher mit Trainieren zu tun, das ist imho Beaufsichtigen. Kannst du denn mal an einer Konkreten Handlung beschreiben, wie das über Intrinsisch geht? Also beispielsweise "an der Bordsteinkante stehenbleiben". Wie würdest man das mit der Methode erreichen?
Intrinsisch motiviertes Training ist keineswegs passiv. Der Mensch gestaltet aktiv den Rahmen, in dem der Hund eigenständig lernen kann.

Ich habe meinen Hund so erzogen – und sie ist kein „Anfängerhund“ - sofern es sowas gibt. Trotzdem kann ich mit ihr problemlos überall hingehen, auch in die Großstadt oder andere reizvolle Orte. Für mich wäre es belastend, wenn mein Hund nur funktioniert, weil ich Belohnungen dabeihabe. Sie verhält sich zuverlässig, weil sie gelernt hat, dass ruhiges Verhalten und Orientierung an mir für sie selbst die beste Option sind.

Nur weil es für dich nicht zusammengeht, heißt das nicht, dass es unmöglich ist. Dieser Ansatz erfordert Geduld.

Schnüffeln, beobachten und Erfahrungen machen lassen sind essenzielle Bestandteile des Lernens – sie schaffen die Grundlage, auf der der Hund auch komplexere Fähigkeiten entwickeln kann. Es mag anders aussehen als klassische Konditionierung, ist aber ein durchdachter und strukturierter Ansatz.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
6. Dez. 20:57
Intrinsisch motiviertes Training ist keineswegs passiv. Der Mensch gestaltet aktiv den Rahmen, in dem der Hund eigenständig lernen kann. Ich habe meinen Hund so erzogen – und sie ist kein „Anfängerhund“ - sofern es sowas gibt. Trotzdem kann ich mit ihr problemlos überall hingehen, auch in die Großstadt oder andere reizvolle Orte. Für mich wäre es belastend, wenn mein Hund nur funktioniert, weil ich Belohnungen dabeihabe. Sie verhält sich zuverlässig, weil sie gelernt hat, dass ruhiges Verhalten und Orientierung an mir für sie selbst die beste Option sind. Nur weil es für dich nicht zusammengeht, heißt das nicht, dass es unmöglich ist. Dieser Ansatz erfordert Geduld. Schnüffeln, beobachten und Erfahrungen machen lassen sind essenzielle Bestandteile des Lernens – sie schaffen die Grundlage, auf der der Hund auch komplexere Fähigkeiten entwickeln kann. Es mag anders aussehen als klassische Konditionierung, ist aber ein durchdachter und strukturierter Ansatz.
Ich hab da ja nicht grundlegend was dagegen, aber alles was du schreibst, ist sehr allgemein gehalten.
Beschreib doch mal den Zugang für konkrete Verhaltensansprüche.

Wie geht die Methode für Kommandos oder Handlungen? Stop? Lieg? Rückruf? Nach links oder rechts gehen?
Wie macht man damit Maulkorbtraining?
Wie Jagdkontrolltraining?
Oder eben die Leinenführigkeit?
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Katja
6. Dez. 20:57
Kinder, die intrinsisch motiviert malen, tun das, weil ihnen der Prozess des Malens selbst Spaß macht – unabhängig davon, ob jemand ihre Arbeit lobt oder nicht. Natürlich kann Lob kurzfristig motivierend sein, aber sobald ein Kind malt, um Lob zu erhalten, wird die Motivation extrinsisch. Kurzes Gedankenexperiment: Überlege einmal, wen wir überwiegend loben: Kinder, Tiere oder auch Menschen, die uns in irgendeiner Weise untergeordnet sind – sei es durch Alter, Hierarchie oder Abhängigkeit. Es ist selten, dass wir Gleichgestellte oder gar Übergeordnete loben, zumindest nicht in der gleichen Art und Weise. Lob setzt voraus, dass der Lobsagende in der Position ist, das Verhalten des anderen zu beurteilen und zu bewerten. Das schafft eine gewisse Asymmetrie: Ich lobe dich, also bestätige ich nicht nur dein Verhalten, sondern positioniere mich gleichzeitig als jemand, der beurteilen kann, ob das Verhalten gut oder richtig ist. Es ist ein subtiler Ausdruck von Macht, selbst wenn es gut gemeint ist. Das macht Lob natürlich nicht per se schlecht, aber es zeigt, dass es oft mehr als nur eine Verstärkung von Verhalten ist. Es kann auch eine Form sein, die eigene Rolle als Autorität zu untermauern. Bei Kindern und Tieren ist das besonders offensichtlich, weil sie von uns abhängig sind und wir entscheiden, was „richtig“ oder „gut“ ist. Einigen Menschen ist aus dem Grund auch Lob unangenehm.
Danke für die detaillierte Erklärung!
Jetzt frag ich mich, was mit mir nicht stimmt, wenn ich meinen Chef im Mitarbeitergespräch lobe… aber wird zumindest immer positiv aufgenommen, von daher mach ich’s weiter so!

Dieses Autoritätsding ist, glaub ich, ein echt deutsches Phänomen. Deswegen arbeite ich ja auch schon 10+ Jahre in amerikanischen Firmen…
 
Beitrag-Verfasser
Tina
6. Dez. 21:00
1. Frage: Intrinsische Motivation bedeutet nicht, dass der Mensch oder die Umwelt gar keinen Einfluss haben dürfen. Vielmehr geht es darum, dass das Verhalten aus dem inneren Antrieb des Hundes entsteht – weil es für ihn selbst sinnvoll oder angenehm ist. Der Mensch kann dabei einen Rahmen schaffen, in dem der Hund die Möglichkeit hat, intrinsische Motivation zu entwickeln. Zum Beispiel: Schnüffeln: Der Hund schnüffelt von sich aus, weil es ihm Spaß macht und seine Neugier befriedigt. Der Mensch unterstützt das, indem er ihm Zeit und Raum gibt, statt ihn davon abzulenken oder mit anderen Reizen zu überlagern. Ruhiges Verhalten: Ein Hund, der lernt, dass ruhiges Beobachten ihm Sicherheit gibt, handelt aus intrinsischer Motivation – der Mensch trägt dazu bei, indem er stressfreie Bedingungen schafft, in denen der Hund diese Erfahrung machen kann. Der Mensch kann die Umgebung gestalten, aber das Verhalten entsteht aus der Überzeugung oder Freude des Hundes, nicht durch äußere Belohnungen oder Zwang. 2. Frage: Man kann durchaus mit intrinsischer Motivation trainieren, indem man indirekten Einfluss nimmt. Das bedeutet, dass der Mensch nicht das Verhalten selbst auslöst, sondern die Bedingungen so gestaltet, dass der Hund es aus eigenem Antrieb zeigt. Das ist auch nichts weltbewegendes. Ein paar Beispiele: Raum für eigenes Ausprobieren schaffen: Anstatt den Hund mit Leckerlis oder Kommandos zu lenken, lässt man ihn die Situation selbst erkunden. Der Mensch bleibt ruhig und greift nur ein, wenn der Hund überfordert ist. So lernt der Hund durch eigene Erfahrungen, welche Verhaltensweisen für ihn sinnvoll sind. Reize kontrollieren: Beim Aufbau von Selbstkontrolle lässt man den Hund mit einem Reiz in einer sicheren Distanz konfrontiert werden, bis er selbst entspannt bleibt, ohne korrigiert oder abgelenkt zu werden.
Wow, unglaublich gut geschrieben und auf den Punkt gebracht. Bist Du Psychologin? Ich habe selten erlebt, dass jemand so gut mit den Grundlagen des Lernens vertraut ist.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
* ᴀʟᴇxᴀꜱ ꜱᴄʜɴᴀᴜᴢᴇʀᴛʀᴜᴘᴘ
6. Dez. 21:02
Ja es ist möglich und gestaltet am Ende auch die komplette Erziehung einfacher. Finde ich.
Ich habe Leinenführigkeit nie mit Leckerchen geübt. Auch Freilauf, Rückruf etc. Meine Hunde bleiben auch freiwillig im Fuß beim Spaziergang bei mir. Sie laufen oft so.
Ich habe immer alles immer mit Orientierung und Bindung.
Auch wenn ich mich auf ne Bank setzte sie könnten überall rumwurschteln und rumrennen, tun sie aber nicht. Sie setzten oder legen sich an die Bank.
Genauso gut könnten wir auch durch Obi etc. Schlendern nie geübt einfach gemacht und es hat einwandfrei funktioniert, als hätten wir es 34654 mal schon gemacht.
Wenn ein Hund seinen Besitzer konstant anschaut, hat das nichts mit Orientierung zu tun das ist eine Erwartungshaltung.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
6. Dez. 21:04
Wow, unglaublich gut geschrieben und auf den Punkt gebracht. Bist Du Psychologin? Ich habe selten erlebt, dass jemand so gut mit den Grundlagen des Lernens vertraut ist.
Ja Punktlandung. 😃
 
Beitrag-Verfasser
Tina
6. Dez. 21:33
Ja Punktlandung. 😃
Vielen Dank für Deine Beiträge.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Katrin
6. Dez. 21:39
Und der Folgetrieb - wenn der Welpe ihn denn hat - ist ja letztlich auch wieder 'nur' verlustangstmotiviert, was man natürlich nutzen kann, was dann aber wieder externe Stimulation zur Folge hat. Warum sollte ein Hund freiwillig dem Menschen folgen, doch nur weil es sich lohnt. Strassenhunde dackeln einem ja auch nicht hinterher, weil Mensch so gut streicheln kann - vielleicht auch, aber nicht nur.
Aber sie tun es in der Hoffnung was zu fressen zu bekommen. Manche zumindest.