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zuletzt 21. Dez.

Intrinsische Motivation - Leinenführigkeit?

Hallo liebe Hundemenschen, Ich bin durch einen anderen Thread darauf gestoßen, dass man Leinenführigkeit mittels intrinsischer Motivation beibringen kann. Intrinsische Motivation bedeutet das es der Hund von sich aus macht, es macht ihm Spaß und führt es für sich bzw. sein Wohlbefinden aus. Also zum Beispiel ist bei meinem Münsterländer das Jagen eine intrinsische Motivation, die ich mir für die Arbeit zunutze mache. Ich trainiere viel mit meinen Hunden und natürlich auch die Leinenführigkeit. In aller Regel machen das meine Hunde aber nicht aus eigener intrinsische Motivation. Jetzt frage ich mich natürlich, was ich die Jahre falsch gemacht habe, dass meine Hunde anscheinend nicht aus intrinsischer Motivation neben mir her spazieren. Habt ihr eine Idee wie man das aufbaut, dass er Hund das aus intrinsischer Motivation macht? Ist dies überhaupt möglich?
 
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Michi
12. Dez. 13:08
Aber wenn es Trainings und Freizeitmodus ist, dann ist es ja irgendwie keine durchgängige Methode sondern es gibt Einschränkungen.
Und du kündigst dein Verhalten an und ziehst es durch. .. ist das dann keine Vorgabe?
Hört sich eigentlich eher so an, wie die meisten von uns arbeiten.
Jetzt bin ich nicht weniger verwirrt 😄
 
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Sonja
12. Dez. 13:12
Ich hab so ein Training gemacht, aber bin mir nicht sicher, ob die Erklärung jetzt fachlich 100% richtig ist. 😅 Also mein Hund läuft jetzt schon intrinsisch motiviert bei mir, würde ich sagen. Ich habe im Aufbau keine Leckerlis benutzt, ihm nicht vorgegeben, was er tun soll und auch nichts verboten. Der darf auch jederzeit alles machen! Er muss nicht neben mir herwackeln, darf schnüffeln, pinkeln, glotzen etc. Er hat nur gelernt, dass es sinnvoll ist, mich im Lauffluss nicht zu überholen. Im Training haben wir seine Motivation quasi in diese Richtung geformt. Über verschiedene Schritte über mehrere Wochen hat er dann gelernt, dass es einerseits total sinnlos ist, mich zu überholen und andererseits, dass er neben/hinter mir eh mehr Vorteile hat. Er hat sich im Laufe des Trainings mit der Zeit echt selbst dazu entschieden, dass er sich so verhalten will. Ich habe eher eine Anleitung bekommen, wie ich mich verhalten muss, damit er auf diese Ideen kommt. Und jetzt ist das für uns fast ein Dauerzustand. Also sobald ich die Leine ranmache, reiht er sich einfach neben mir ein und dann ist alles gut 🥰
Wenn er alles darf, wie hat er konkret gelernt, Dich nicht zu überholen? Welche Vorteile hat er neben / hinter Dir?
 
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Babs
12. Dez. 13:40
Wenn er alles darf, wie hat er konkret gelernt, Dich nicht zu überholen? Welche Vorteile hat er neben / hinter Dir?
Ich denke, wo ein Hund an der Leine laufen mag, ist erst mal gar nicht so wichtig. Wenn sein Wohlfühlbereich hinten ist, dann ist das genau so ok, wie wenn er lieber etwas weiter vorne läuft. Da, wo er sich wohl fühlt, kann er entspannen. Der HF managt den Raum und in diesem Raum kann der Hund seine Wohlfühlposition suchen. Ich denke aber, dass es wichtig ist, das erst mal in Ruhe und ohne Ablenkung zu machen.

Wir Menschen haben oft ein Bild, wie Leinenführigkeit aussehen soll und passen dieses Bild aber nicht an dem Hund so an, dass er mit der Position gut leben kann.
Mal ein kleines Beispiel: Man hat eine große "Bauchtasche" an, die an die Seite rutscht, an der der Hund gehen soll. Der Hund findet die aber unangenehm. Wir haben aber unser Bild im Kopf, dass er genau da gehen soll, weil diese Position in der Leinenführigkeit erwartet wird. Der Hund aber wird unruhig, weil ihn die Tasche stört und sich einfach nur eine andere Position suchen möchte.
 
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Ino
12. Dez. 14:21
Du schreibst, er darf schnüffeln, pinkeln glotzen. Wie geht das? Leinenführigkeit bedeutet bei mir, dass ich meinen Weg in meinem Tempo gehe. Je nach Länge der Leine ist da nix mit Schnüffeln und gucken. Das können meine machen, wenn die Leine ab ist. Weiteres Verständnisproblem: Er hat gelernt dass es nicht sinnvoll ist, Dich zu überholen. Wichtigste Frage für mich - Wie? Zweite Frage, warum nicht? Solange die Leine locker ist und der Hund mit einem halben Ohr immer bei mir kann ich ihn und seine Körpersprache doch besser beobachten wenn er vor mir ist. Mich persönlich würde es nerven, wenn meine Hunde an der Leine hinter mir blieben. Schon allein physikalisch hast du ja sonst keine Chance, wenn die im Fall der Fälle an dir vorbeireagieren weil der Erzfeind auf dem Radar erscheint.
Spannend! 😄
Für mich ist Leinenführigkeit „mein Hund läuft auf einer für mich angenehmen Höhe und wir KÖNNEN in meinem Tempo gehen, wenn ich das brauche“ und das ist hier gegeben. Ich habe eine Ankündigung „weiter“, mit der ich ihm sage, dass ich weitergehen werde. Das weiß er auch und versteht es schnell, wenn ich mal wirklich zackig von A nach B kommen will. Und wenn ich gerade Zeit hab und schlendern mag, dann bleib ich mit ihm stehen, wenn er gucken will. Der versteht das halt einfach 😅. Und wenn ich merke, dass er dringend muss, dann warte ich halt. Geht schon alles.

Wie du dich mit der Position deines Hundes am wohlsten fühlst, mag ich dir gar nicht absprechen! Ich hab meine Hunde persönlich gerne neben oder hinter mir. Weil sie dann besser mitbekommen, was ich tue. Er muss ja trotzdem nur mit einem halben Ohr bei mir sein.

Laufen deine Hunde denn in deinem Tempo deinen Weg, wenn sie vor dir laufen? 😅 Das versteh ich nicht ganz. Wie erkennen sie denn dein Tempo, wenn du hinter ihnen gehst? Und ich gucke auch nicht 24/7 starr geradeaus, wenn wir gehen. Ich schaue schaue natürlich auch nach ihm :D tatsächlich ist er meistens sehr entspannt inzwischen.

Zur ersten Frage: Er kommt halt nirgends an, wenn er vor mich geht. Das wird über mehrere Schritte im Laufe des Trainings aufgebaut, ist schwer zusammenzufassen. Im ersten Schritt bin ich wild unabhängig von ihm auf und ab gelaufen, bis er überhaupt keinen Bock mehr hatte, sich zu bewegen. Also er fand es einfach bescheuert, was ich tue. Und sich gar nicht bewegen ist immerhin schonmal ein Teil von „nach vorne gehen bringt eh nichts“. Darauf haben wir dann in vielen kleinen Schritten aufgebaut.

Im Laufe des Trainings sind wir auch das Erzfeind-Thema bzw. Reaktivität angegangen. Also das kann man (in meinem Fall) nicht unabhängig voneinander betrachten. Er bleibt u.a. bei mir, WEIL er nicht mehr auslösen muss
 
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Ino
12. Dez. 14:28
Aber wenn es Trainings und Freizeitmodus ist, dann ist es ja irgendwie keine durchgängige Methode sondern es gibt Einschränkungen. Und du kündigst dein Verhalten an und ziehst es durch. .. ist das dann keine Vorgabe? Hört sich eigentlich eher so an, wie die meisten von uns arbeiten. Jetzt bin ich nicht weniger verwirrt 😄
Kann schon sein, dass viele hier ähnlich arbeiten, weiß ich nicht. 😄 Einschränkungen und einen Rahmen gibt es natürlich! Aber ich befehle ihm nicht, was ER tun soll oder verbiete etwas, sondern mache halt einfach. Schwer für mich zu beschreiben.

Also es gibt einen Unterschied zwischen „die Tür ist zu“ und „die Tür ist offen, aber du darfst nicht durch“. Verstehst du, was ich meine? 😅

Und da geht's in Richtung Reaktanz, was glaub ich Maike am Anfang erwähnt hat
 
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Maria
12. Dez. 14:28
Spannende Diskussion! 😄 Wobei ich glaube, dass es zum Teil bisschen am Thema vorbei geht. Die Frage ist doch eigentlich nicht, ob die Hunde generell/jetzt schon intrinsisch, also von sich aus, leinenführig laufen (wollen). Sondern ob man es ihnen über diesen Weg beibringen kann. Und das würde ich auf jeden Fall bejahen.

Ich hab im Rahmen meiner Hundetrainerausbildung (nur für mich gemacht, ich biete nichts an, also keine Werbung hier oder so) mal einen Lehrgang bei einer anderen Trainerin gemacht, deren Kurse damals schon ewig im Voraus ausgebucht waren. Inzwischen ist sie auch auf Instagram recht aktiv, nennt sich Gefährtenschmiede. Und sie hat damals schon genauso gearbeitet! War echt faszinierend. Also ohne Leckerlis, aber auch völlig ohne Korrekturen und die Ergebnisse waren ehrlich gesagt schon beeindruckend. Im Grunde hat sie ein bestimmtes Bewegungsmuster gezeigt, also für den Menschen, das ganz unabhängig vom Hund abläuft. Damals war es total egal, ob der Hund grad vorläuft oder zieht oder hinter einem ist, der Mensch ist einfach sein Bewegungsmuster abgelaufen und tatsächlich haben sich die Hunde ausnahmslos nach einiger Zeit selbst dafür entschieden, sich einzureihen und mitzumachen. Ich würde behaupten, das war intrinsisch. Weil dafür bekommen haben sie nichts und sie hätten auch weiterhin alles andere machen können. Hat mich sehr beeindruckt. Wobei ich jetzt keinen Kontakt mehr habe, ist schon ein paar Jahre her. Aber gehen tut das!
 
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Ino
12. Dez. 14:36
Wenn er alles darf, wie hat er konkret gelernt, Dich nicht zu überholen? Welche Vorteile hat er neben / hinter Dir?
Da gibt es ganz viele Komponenten.
Eine wichtige: Wenn was gefährliches kommt, werde ich zuerst gefressen 🤪. Also es ist wirklich klassisch „du musst dich nicht kümmern, ich mach das schon“.

Ansonsten bringt es ihm halt einfach nichts, wenn er vorläuft. Wir haben das über eine abgewandelte Form vom Umdrehen aufgebaut, aber es war anders als „wenn du vorläufst, drehe ich um“. Ich bin unabhängig von ihm gelaufen, da hatte er schnell keinen Bock mehr, mit mir zu kommen 😆. Das wurde später so erweitert, dass wieder mehr Bewegung reinkam und die Strecken länger wurden.

Ich hab das Gefühl, meine einzelnen Puzzleteile bringen nicht so viel, aber das ist wirklich ein ganzes „System“ (klingt so komisch), das ineinander greift
 
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Michi
12. Dez. 14:54
Kann schon sein, dass viele hier ähnlich arbeiten, weiß ich nicht. 😄 Einschränkungen und einen Rahmen gibt es natürlich! Aber ich befehle ihm nicht, was ER tun soll oder verbiete etwas, sondern mache halt einfach. Schwer für mich zu beschreiben. Also es gibt einen Unterschied zwischen „die Tür ist zu“ und „die Tür ist offen, aber du darfst nicht durch“. Verstehst du, was ich meine? 😅 Und da geht's in Richtung Reaktanz, was glaub ich Maike am Anfang erwähnt hat
Ich glaube aber tatsächlich, dass es unterschiedliche Begrifflichkeiten für die gleiche Sache sind.
Das ist ja dann die menschliche Auslegung . Wenn die Tür offen ist, aber Hund nicht durch darf oder die Tür zu ist und Hund nicht durch darf....das macht in der Erklärung einen Unterschied, aber macht es den für den Hund auch?
Wenn auf einmal ein Hund vor euch steht , zu dem er unbedingt hin möchte, dann musst du ihn auch begrenzen, bevor die Situation eskaliert...
Bei der Pferde Ausbildung wechselt man ja auch zwischen Trainings und Entspannungsmodus, auch innerhalb einer Einheit. Entspannung bedeutet dann, dass das Pferd keine Übung absolviert und in freier Haltung läuft. So festig man das vorher Erlernte. Aber auch in dieser Phase bleiben Regeln ja bestehen, sonst würde man sich ja sehr unglaubwürdig machen.
Deswegen denke ich , dass es tatsächlich eine Mischform ist, mit der man alltagstauglich arbeiten kann.
 
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Michi
12. Dez. 15:01
Da gibt es ganz viele Komponenten. Eine wichtige: Wenn was gefährliches kommt, werde ich zuerst gefressen 🤪. Also es ist wirklich klassisch „du musst dich nicht kümmern, ich mach das schon“. Ansonsten bringt es ihm halt einfach nichts, wenn er vorläuft. Wir haben das über eine abgewandelte Form vom Umdrehen aufgebaut, aber es war anders als „wenn du vorläufst, drehe ich um“. Ich bin unabhängig von ihm gelaufen, da hatte er schnell keinen Bock mehr, mit mir zu kommen 😆. Das wurde später so erweitert, dass wieder mehr Bewegung reinkam und die Strecken länger wurden. Ich hab das Gefühl, meine einzelnen Puzzleteile bringen nicht so viel, aber das ist wirklich ein ganzes „System“ (klingt so komisch), das ineinander greift
Bei Leinenführigkeit kommt es mir noch stimmig vor, wenn es keine unvorhergesehenen Situationen gibt.
Aber zum Beispiel bei sehr jagdaffinen Hunden, die vielleicht noch nicht mal Arbeitshunde sind, sondern Hunde, die von ihrer Genetik her auf Eigenständigkeit gezüchtet wurden, da hört sich dieses System erstmal sehr theoretisch an. In der ausschließlichen Form aber womöglich schwer umsetzbar.
Aber ich finde es dennoch sehr interessant!
 
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Babs
12. Dez. 15:10
Bei Leinenführigkeit kommt es mir noch stimmig vor, wenn es keine unvorhergesehenen Situationen gibt. Aber zum Beispiel bei sehr jagdaffinen Hunden, die vielleicht noch nicht mal Arbeitshunde sind, sondern Hunde, die von ihrer Genetik her auf Eigenständigkeit gezüchtet wurden, da hört sich dieses System erstmal sehr theoretisch an. In der ausschließlichen Form aber womöglich schwer umsetzbar. Aber ich finde es dennoch sehr interessant!
Ich habe ja einen sehr selbstsicheren Rüden, der bereits als Welpe der Auffassung war, dass er keine Menschen zum Leben braucht. Dennoch ist er nicht gerne alleine unterwegs (die Kehrseite der Medaille). Verstehst Du unter "Eigenständig", dass Müsli auch alleine durch die Welt ziehen würde?