Naja ich glaube, dass ein Hund wahrscheinlich immer wieder (zumindest ein bisschen) Stress hat. Zum Beispiel wenn es im Wald irgendwo knackt gibt es Hunde, die dann erstmal stehen bleiben und gucken und wachsam sind. Ich würde vermuten dass hier bereits ein geringes Stressniveau vorliegt. Auch wenn nach 1 Sekunde alles normal weiter geht. Oder eben auch wenn ein fremder Hund auftaucht und man vielleicht noch nicht einschätzen kann, ob er freundlich gestimmt ist oder nicht.
Daher hätte ich gedacht, dass es eben viele verschiedene Ausprägungen und Intensitäten von Stress gibt und man deshalb auch nicht konkret beurteilen kann, ab wann etwas Stress ist 🤔
Ein aufmerksamer Hund, der stehen bleibt, um zu schauen, ist in einer aktivierten, aber noch regulierten Phase. Das kann man auch hirnchemisch messen - und hat man auch schon gemacht. Sobald er sich jedoch nicht mehr beruhigen oder den Reiz verarbeiten kann, sprechen wir von Stress, der dysfunktional wird und die Fähigkeit des Hundes, aus eigener Motivation heraus zu lernen, stark einschränkt.
Dass es viele Abstufungen gibt, ist völlig richtig. Aber wir können durch die Körpersprache des Hundes gut beurteilen, wann die Aktivierung noch im normalen Bereich liegt (z. B. entspannte Körperspannung, kontrollierte Bewegungen) und wann sie in Stress umschlägt (z. B. Muskelanspannung, steife Haltung, hektisches Verhalten).
Wenn der Hund überfordert ist, reagiert er instinktiv statt eigenständig und kann keine positiven Lernerfahrungen machen. Deshalb ist es entscheidend, den Hund in einem regulierten Zustand zu halten, damit er aus eigener Motivation heraus neue Erfahrungen aufnehmen und verarbeiten kann.
Natürlich sollten wir unsere Hunde nicht in einer Blase halten. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen einer Herausforderung, die der Hund selbstständig bewältigen kann, und einer Überforderung, bei der er sich nicht mehr regulieren kann. Letzteres möchte man vermeiden – zumindest geht es mir so. Eine stressige Situation löst nicht automatisch Stress aus. Entscheidend ist, ob der Hund die Situation aktiv verarbeiten und mit einem Gefühl von Sicherheit verlassen kann. Solche Erfahrungen fördern die intrinsische Motivation und stärken das Vertrauen in sich selbst und die Umwelt.