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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 21. Dez.

Intrinsische Motivation - Leinenführigkeit?

Hallo liebe Hundemenschen, Ich bin durch einen anderen Thread darauf gestoßen, dass man Leinenführigkeit mittels intrinsischer Motivation beibringen kann. Intrinsische Motivation bedeutet das es der Hund von sich aus macht, es macht ihm Spaß und führt es für sich bzw. sein Wohlbefinden aus. Also zum Beispiel ist bei meinem Münsterländer das Jagen eine intrinsische Motivation, die ich mir für die Arbeit zunutze mache. Ich trainiere viel mit meinen Hunden und natürlich auch die Leinenführigkeit. In aller Regel machen das meine Hunde aber nicht aus eigener intrinsische Motivation. Jetzt frage ich mich natürlich, was ich die Jahre falsch gemacht habe, dass meine Hunde anscheinend nicht aus intrinsischer Motivation neben mir her spazieren. Habt ihr eine Idee wie man das aufbaut, dass er Hund das aus intrinsischer Motivation macht? Ist dies überhaupt möglich?
 
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Sophie
9. Dez. 19:23
Es geht nicht um schwarzweiß, Stress ja/nein, das ist doch ein analoger Prozess, den wir an unseren individuellen Hunden an einer Vielzahl von Faktoren im Level deuten können sollten. Also ist nicht eine Totalvermeidung nötig, sondern eine Überforderung durch zu großen Stress, der zB. die Verbindung zum Hund trennt. Und Ruhe ist ja auch nur ein einzelner Wohlfühlfaktor von vielen, die Bindung des Hundes beispielsweise zum Halter, dass der Hund sich gerne bei dir aufhält usw. Spürst du nicht manchmal eine immaterielle Verbindung zwischen dir und deinem Hund, dass ihr achtsam miteinander seid?
Ja ich wäre auch davon ausgegangen, dass Stress kein schwarz oder weiß ist, deshalb hat mich das auch so verwirrt, dass man beim präventiven Handeln scheinbar schon handelt bevor der Hund überhaupt Stress hat 🤔
 
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Dogorama-Mitglied
9. Dez. 19:39
Ja ich wäre auch davon ausgegangen, dass Stress kein schwarz oder weiß ist, deshalb hat mich das auch so verwirrt, dass man beim präventiven Handeln scheinbar schon handelt bevor der Hund überhaupt Stress hat 🤔
Was genau meinst du denn mit Stress ist kein schwarz oder weiß? ☺️
 
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Sophie
9. Dez. 20:14
Was genau meinst du denn mit Stress ist kein schwarz oder weiß? ☺️
Naja ich glaube, dass ein Hund wahrscheinlich immer wieder (zumindest ein bisschen) Stress hat. Zum Beispiel wenn es im Wald irgendwo knackt gibt es Hunde, die dann erstmal stehen bleiben und gucken und wachsam sind. Ich würde vermuten dass hier bereits ein geringes Stressniveau vorliegt. Auch wenn nach 1 Sekunde alles normal weiter geht. Oder eben auch wenn ein fremder Hund auftaucht und man vielleicht noch nicht einschätzen kann, ob er freundlich gestimmt ist oder nicht.
Daher hätte ich gedacht, dass es eben viele verschiedene Ausprägungen und Intensitäten von Stress gibt und man deshalb auch nicht konkret beurteilen kann, ab wann etwas Stress ist 🤔
 
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Michi
9. Dez. 20:19
Naja ich glaube, dass ein Hund wahrscheinlich immer wieder (zumindest ein bisschen) Stress hat. Zum Beispiel wenn es im Wald irgendwo knackt gibt es Hunde, die dann erstmal stehen bleiben und gucken und wachsam sind. Ich würde vermuten dass hier bereits ein geringes Stressniveau vorliegt. Auch wenn nach 1 Sekunde alles normal weiter geht. Oder eben auch wenn ein fremder Hund auftaucht und man vielleicht noch nicht einschätzen kann, ob er freundlich gestimmt ist oder nicht. Daher hätte ich gedacht, dass es eben viele verschiedene Ausprägungen und Intensitäten von Stress gibt und man deshalb auch nicht konkret beurteilen kann, ab wann etwas Stress ist 🤔
Allerdings ist Stress, genau wie vieles Andere, ja etwas, was zum Leben dazugehört. Bei Mensch, wie bei Tier. Ich empfinde ein gewisses Maß an Stress als etwas sehr Natürliches. Unsere Hunde sollen ja nicht in einer Blase leben und von allem abgeschottet werden.
Ich zumindest führe meinen Hund auch durchaus bewusst in stressige, ja auch für ihn unangenehme Situationen, damit er daran wachsen kann und stärker wird.
 
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Dogorama-Mitglied
9. Dez. 20:29
Es ist wirklich bemerkenswert: Wir diskutieren hier kritisch über die Förderung intrinsischer Motivation bei Hunden, eine Methode. Gleichzeitig wird aber ein familientherapeutisches System, das explizit für Menschen entwickelt wurde, auf Hunde übertragen, ohne dass dessen Anwendbarkeit hinterfragt wird. Das ist nicht nur schräg, sondern auch gefährlich. Die Grundlage systemischer Theorien wie der strukturellen Familientherapie oder Watzlawicks Modellen liegt in der Fähigkeit der Beteiligten, kognitive Prozesse wie Selbstreflexion, strategisches Handeln und den sozialen Kontext zu verstehen. Das sind Fähigkeiten, die Hunde schlichtweg nicht besitzen. Hunde handeln reaktiv, instinktiv und durch assoziatives Lernen – nicht durch bewusste Reflexion oder strategisches Mitwirken in einem “Interaktionssystem”. Die geringe Rücksicht auf deren fundamentale Unterschiede zeigt aus meiner Sicht ein gefährliches Missverständnis. Einfach Theorien aus der Psychologie auf Hunde zu übertragen, ohne ihre wissenschaftliche Anwendbarkeit auf Tiere zu prüfen, zeugt von geringer Fachkompetenz.
Erstens vermischt du Ebenen und Metaebenen.

Das System ≠ die Theorie über das System ≠ die therapeutische Methode basierend auf der Theorie über das System.

Zweitens braucht der systemische Therapieansatz ganz explizit NICHT die Reflexionsfähigkeit und das Verstehen aller im System Involvierten.
Tatsächlich würde es theoretisch sogar genügen, wenn der Therapeut das System versteht und passende Veränderungen anstößt, ohne dass sonst jemand die Zusammenhänge durchschauen müsste.

Dementsprechend kann man auch in eine Gruppe Kindergartenkinder oder eben Tiere systemtherapeutisch eingreifen, obwohl es da mit strategischem Handeln und Selbstreglexion der Systemmitglieder wahrlich nicht weit her ist.

Hunde sind auch, ähnlich wie Kinder, nicht selten Symptomträger in dysfunktionalen Systemen.
Sie werden vom Sozialsystem, in das Sie eingebettet sind, beeinflusst, beeinflussen ihrerseits und reagieren dementsprechend auch auf Veränderungen am und im System.
 
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Dogorama-Mitglied
9. Dez. 20:36
Naja ich glaube, dass ein Hund wahrscheinlich immer wieder (zumindest ein bisschen) Stress hat. Zum Beispiel wenn es im Wald irgendwo knackt gibt es Hunde, die dann erstmal stehen bleiben und gucken und wachsam sind. Ich würde vermuten dass hier bereits ein geringes Stressniveau vorliegt. Auch wenn nach 1 Sekunde alles normal weiter geht. Oder eben auch wenn ein fremder Hund auftaucht und man vielleicht noch nicht einschätzen kann, ob er freundlich gestimmt ist oder nicht. Daher hätte ich gedacht, dass es eben viele verschiedene Ausprägungen und Intensitäten von Stress gibt und man deshalb auch nicht konkret beurteilen kann, ab wann etwas Stress ist 🤔
Ein aufmerksamer Hund, der stehen bleibt, um zu schauen, ist in einer aktivierten, aber noch regulierten Phase. Das kann man auch hirnchemisch messen - und hat man auch schon gemacht. Sobald er sich jedoch nicht mehr beruhigen oder den Reiz verarbeiten kann, sprechen wir von Stress, der dysfunktional wird und die Fähigkeit des Hundes, aus eigener Motivation heraus zu lernen, stark einschränkt.

Dass es viele Abstufungen gibt, ist völlig richtig. Aber wir können durch die Körpersprache des Hundes gut beurteilen, wann die Aktivierung noch im normalen Bereich liegt (z. B. entspannte Körperspannung, kontrollierte Bewegungen) und wann sie in Stress umschlägt (z. B. Muskelanspannung, steife Haltung, hektisches Verhalten).

Wenn der Hund überfordert ist, reagiert er instinktiv statt eigenständig und kann keine positiven Lernerfahrungen machen. Deshalb ist es entscheidend, den Hund in einem regulierten Zustand zu halten, damit er aus eigener Motivation heraus neue Erfahrungen aufnehmen und verarbeiten kann.

Natürlich sollten wir unsere Hunde nicht in einer Blase halten. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen einer Herausforderung, die der Hund selbstständig bewältigen kann, und einer Überforderung, bei der er sich nicht mehr regulieren kann. Letzteres möchte man vermeiden – zumindest geht es mir so. Eine stressige Situation löst nicht automatisch Stress aus. Entscheidend ist, ob der Hund die Situation aktiv verarbeiten und mit einem Gefühl von Sicherheit verlassen kann. Solche Erfahrungen fördern die intrinsische Motivation und stärken das Vertrauen in sich selbst und die Umwelt.
 
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Dogorama-Mitglied
9. Dez. 20:39
Erstens vermischt du Ebenen und Metaebenen. Das System ≠ die Theorie über das System ≠ die therapeutische Methode basierend auf der Theorie über das System. Zweitens braucht der systemische Therapieansatz ganz explizit NICHT die Reflexionsfähigkeit und das Verstehen aller im System Involvierten. Tatsächlich würde es theoretisch sogar genügen, wenn der Therapeut das System versteht und passende Veränderungen anstößt, ohne dass sonst jemand die Zusammenhänge durchschauen müsste. Dementsprechend kann man auch in eine Gruppe Kindergartenkinder oder eben Tiere systemtherapeutisch eingreifen, obwohl es da mit strategischem Handeln und Selbstreglexion der Systemmitglieder wahrlich nicht weit her ist. Hunde sind auch, ähnlich wie Kinder, nicht selten Symptomträger in dysfunktionalen Systemen. Sie werden vom Sozialsystem, in das Sie eingebettet sind, beeinflusst, beeinflussen ihrerseits und reagieren dementsprechend auch auf Veränderungen am und im System.
Es ist die Übertragung der Theorie, die für Menschen eruiert wurde auf Hunde - ich finds aus wissenschaftlicher Sicht einfach gefährlich.
Deutlicher kann ich’s nicht mehr sagen.
 
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Sophie
9. Dez. 20:47
Ein aufmerksamer Hund, der stehen bleibt, um zu schauen, ist in einer aktivierten, aber noch regulierten Phase. Das kann man auch hirnchemisch messen - und hat man auch schon gemacht. Sobald er sich jedoch nicht mehr beruhigen oder den Reiz verarbeiten kann, sprechen wir von Stress, der dysfunktional wird und die Fähigkeit des Hundes, aus eigener Motivation heraus zu lernen, stark einschränkt. Dass es viele Abstufungen gibt, ist völlig richtig. Aber wir können durch die Körpersprache des Hundes gut beurteilen, wann die Aktivierung noch im normalen Bereich liegt (z. B. entspannte Körperspannung, kontrollierte Bewegungen) und wann sie in Stress umschlägt (z. B. Muskelanspannung, steife Haltung, hektisches Verhalten). Wenn der Hund überfordert ist, reagiert er instinktiv statt eigenständig und kann keine positiven Lernerfahrungen machen. Deshalb ist es entscheidend, den Hund in einem regulierten Zustand zu halten, damit er aus eigener Motivation heraus neue Erfahrungen aufnehmen und verarbeiten kann. Natürlich sollten wir unsere Hunde nicht in einer Blase halten. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen einer Herausforderung, die der Hund selbstständig bewältigen kann, und einer Überforderung, bei der er sich nicht mehr regulieren kann. Letzteres möchte man vermeiden – zumindest geht es mir so. Eine stressige Situation löst nicht automatisch Stress aus. Entscheidend ist, ob der Hund die Situation aktiv verarbeiten und mit einem Gefühl von Sicherheit verlassen kann. Solche Erfahrungen fördern die intrinsische Motivation und stärken das Vertrauen in sich selbst und die Umwelt.
Alles klar, dann war mein Denkfehler wohl die Definition von Stress. Danke für die ausführliche Erklärung!
Ist das Ziel dann die aktivierte regulierte Phase, oder soll der Hund überhaupt nicht aktiviert sein?
Also an welchem Punkt verkleinert man die Distanz zum Reiz?
 
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Dogorama-Mitglied
9. Dez. 20:49
Alles klar, dann war mein Denkfehler wohl die Definition von Stress. Danke für die ausführliche Erklärung! Ist das Ziel dann die aktivierte regulierte Phase, oder soll der Hund überhaupt nicht aktiviert sein? Also an welchem Punkt verkleinert man die Distanz zum Reiz?
Habe ich jetzt verkleinern richtig verstanden im Sinne von näher an den Reiz gehen?
 
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Sophie
9. Dez. 20:51
Habe ich jetzt verkleinern richtig verstanden im Sinne von näher an den Reiz gehen?
Ja genau